Der Schweizer Buchdruck im 16. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts
Autor(en): Clemens Schlip (traduction française: David Amherdt/Kevin Bovier). Version: 23.05.2024.
- Eine wirkmächtige technische Innovation
- Folgen des Buchdrucks
- Schweizer Buchdrucker (Druckerverleger) vom 15. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts
- Schlussbemerkung zur italienischen Schweiz (Tessin, Teile von Graubünden)
1. Eine wirkmächtige technische Innovation
Das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit sind auch die Epochen einer medialen Revolution, die in der Menschheitsgeschichte seit der Erfindung der Schrift nicht ihresgleichen hatte. Die Erfindung des Buchdrucks und seine Ausbreitung ermöglichten die maschinelle Vervielfältigung von Büchern und anderen Schriftwerken, die man ab jetzt nicht mehr notwendig mühsam handschriftlich kopieren musste. Kein Wunder also, dass ein Gelehrter wie Joachim Vadian (1483-1551) noch 1511 (als die Druckkunst immerhin schon einige Jahrzehnte alt war) mit einem Lobgedicht in den Chor derer einstimmte, die die Vorteile dieser technischen Innovation priesen. Die Entwicklung und ihre Ausbreitung des Buchdrucks und ihre Folgen sollen in dieser Einführung betrachtet werden, wobei im Zentrum des Interesses die Frage steht, was der Buchdruck für die Schweiz und ihre Humanisten im 16. Jahrhundert bedeutete.
Dass Einprägen von Schriftzeichen auf unterschiedliche Trägerstoffe (Papyrus, Holz etc.) wurde bereits im Altertum praktiziert. Solche Vorstufen dürfen wir hier ebenso ignorieren wie die Entwicklungen, die sich in Ostasien zur Zeit des europäischen Mittelalters vollzogen (Erfindung des Blockdruckverfahrens und Gebrauch beweglicher Lettern), da sie keinen Einfluss auf das Geschehen in Europa hatten und das gedruckte Buch erst im Zuge der europäischen Expansion in der Neuzeit Weltgeltung erlangen sollte.
Im europäischen Spätmittelalter praktizierte man seit ca. 1440 die Technik des Blockdrucks, bei der Text und Bilder der späteren Papierseite spiegelverkehrt in Holz geschnitten und eingefärbt werden (in Ostasien war dieses Verfahren seit der frühen chinesischen Tang-Dynastie im 7. Jahrhundert bekannt). Es sind über 100 solcher auf diesem Wege produzierten spätmittelalterlichen Blockbücher erhalten (meist mit Texten versehene Bilderfolgen, wie etwa die 1450 in Einsiedeln gedruckte Meinradslegende), 19 davon befinden sich in Schweizer Bibliotheken; insgesamt 14 Blockbücher werden von der Forschung dem oberdeutschen Raum zugeordnet, zu dem auch die Schweiz gehörte. Ebenfalls in das 15. Jahrhundert fällt das Aufkommen der Druckgrafik, zunächst in Form des Holzschnitts (1450 erste Spielkarten in Basel; 1465/66 in Rapperswil erstes erhaltenes signiertes Einzelblatt).
Der moderne Buchdruck in grossem Stil wurde jedoch erst durchs Johannes Gutenbergs (eigentlich: Johannes Gensfleisch zur Laden) Erfindung bzw. Vervollkommnung der beweglichen Lettern und der Buchdruckerhandpresse möglich. Gutenbergs Innovation lag darin, dass er ein Handgiessinstrument entwickelte, mit dem sich Metalltypen einfach, rasch und in grosser Anzahl herstellen liessen. Er dachte den zu druckenden Text von den einzelnen Buchstaben her, für die er Drucktypen entwarf, die in beliebigen Kombinationen zu immer neuen Texten zusammengesetzt werden konnten (das wurde die Aufgabe der Setzer). Zunächst setzte man die einzelnen Zeilen an Winkelhaken zusammen und füllte dabei die Wortabstände mit Blindmaterial. Hierauf setzte man diese Zeilen auf einem Setzschiff zu einer Spalte oder einer Seite zusammen. Nachdem man die Typen mit Druckerschwärze eingefärbt hatte, konnten diese Spalten oder Seiten dann beliebig oft auf Papier gedruckt werden. Danach konnte man die Metalltypen aus dem Setzschiff lösen, um sie später für einen anderen Text zu verwenden (oder man konnte den gesetzten Text aufbewahren, etwa wenn man sicher mit bald notwendig werdenden Nachdrucken rechnete; aber das entzog die Typen zunächst einmal neuem Gebrauch für andere Texte). Das von Gutenberg entwickelte Handpressverfahren blieb in seinen Grundzügen bis ins 19. Jahrhundert und bis zur Erfindung der mechanisch arbeitenden Druckmaschinen unverändert.
Ab ca. 1450 druckte Gutenberg mit diesem Verfahren in Mainz kleine Schriften sowie zwischen 1452-1454 die berühmten «Gutenberg-Bibeln». Es gehört zur Tragik des Erfinders, dass er 1455 in einem Prozess seinem Geldgeber Johannes Fust unterlag und alle bis dahin gedruckten Bibeln und die Werkstatt an ihn verlor, die Fust ab 1457 mit Gutenbergs ehemaligem Mitarbeiter Peter Schöffer d. Ä. weiterbetrieb, wobei die beiden als erste den Mehrfarbendruck praktizierten. Gutenberg war danach mit Unterstützung des Mainzer Stadtsyndikus noch wenig erfolgreich als Inhaber einer kleinen Offizin in Mainz tätig; die Verheerung von Mainz im Krieg zwischen dem Papst abgesetzten Erzbischof (und Kurfürsten) Dieter von Isenburg und dessen Nachfolger Adolf von Nassau im Oktober 1462 machte dieser Offizin ein Ende; ab Januar 1465 bis zu seinem Tod erhielt er bescheidene Unterstützung durch Adolf von Nassau.
Die Zerstörung von Mainz im Oktober 1462 war einer der Gründe, die zur raschen Verbreitung des Buchdrucks beitrugen, weil viele ehemalige Mitarbeiter von Gutenberg und Fust und Schöffer in der Folge in anderen Städten eigene Werkstätten eröffneten. Die ersten Offizinen ausserhalb von Mainz entstanden in Bamberg und Strassburg (1459/60), Köln (1464), Subiaco (1465), Rom (1466/67), Basel (1467), Augsburg (1468) und Venedig (1469); ab den 1480ern kann man von einer massenhaften Produktion von Büchern sprechen. Es ist fast überflüssig zu sagen, dass Bücher in lateinischer Sprache dabei eine dominante Rolle spielten, die sie mit langsam abnehmender Tendenz bis ins 18. Jahrhundert hinein behielten (das gilt natürlich ganz besonders dort, wo der gelehrte Buchdruck dominierte oder man ein gesamteuropäisches Publikum über die Grenzen der Volkssprachen hinweg in den Blick nahm). Die bereits erwähnte erste Basler Offizin wurde von Berthold Ruppel (gestorben 1495) eröffnet, der dort wohl um 1468 eine Biblia Latina herstellte. Das erste eindeutig datierte gedruckte Buch auf dem Gebiet der heutigen Schweiz druckte jedoch der Chorherr und Leutpriester Elias Elye (ca. 1400-1475) 1470 in Beromünster; es handelt sich um ein 600 Seiten umfassendes Bibelwörterbuch mit dem Titel Mammotrectus.
Wir erinnern hier beiläufig daran, dass Papier – dessen Herstellung im 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. in China erfunden worden war und über die arabische Welt im 11./12. Jahrhundert nach Europa gelangt war – damals und bis ins 19. Jahrhundert hinein aus Hadern hergestellt wurde, das heisst aus Lumpen und gebrauchten Leinentextilien. Die Erfindung der Papierherstellung aus Holzschiff setzte dem dann ein Ende; im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass dieses Papier aufgrund der in ihm enthaltenen Säureanteile inneren Zersetzungsprozessen unterliegt («Säurefrass»), die sich bei den im 19. und im grössten Teil des 20. Jahrhunderts auf Holzpapier gedruckten Büchern und sonstigem Druckwerk besonders deutlich im Vergilben und zunehmender Brüchigkeit äussern (erst seit den 1980ern wird in der Regel alterungsbeständiges bzw. säurefreies Holzpapier verwendet). Im Unterschied dazu zeichnen sich die älteren Drucke auf Haderlumpenpapier in der Regel durch eine bessere Haltbarkeit aus.
2. Folgen des Buchdrucks
War der Handschriftenhandel ein überschaubares und sicheres Geschäft gewesen – meistens wurden die einzelnen Exemplare direkt auf Bestellung gefertigt und höchstens eine kleine Anzahl vorrätig gehalten – so musste nun vorab eine Auflagenhöhe festgelegt werden, die einerseits so berechnet sein musste, dass sie die Investitionskosten wieder hereinspielte, andererseits aber möglichst genau der realen Nachfrage entsprechen sollte damit man nicht auf einem Haufen unverkäuflicher Exemplare sitzen blieb und nicht einmal den in die Produktion investierten Betrag wieder hereinholte. Das ist seit damals eines der Hauptprobleme des Buchgeschäfts geblieben, das bis heute darunter leidet, dass tendenziell immer über die tatsächliche Nachfrage hinaus produziert wird und daher die meisten Titel keinen Profit erwirtschaften, sondern durch die verhältnismässig wenigen Erfolgsbücher querfinanziert werden müssen. Besondere Bedeutung kommt dabei einem funktionierenden und weitausgebreitetem Vertriebsnetz zu, da der Verkauf der in hoher Anzahl gedruckten Bücher in der Regel in Einzelexemplaren an viele verschiedene Einzelkäufer erfolgen muss. Die Durchschnittsauflage im 16. Jahrhundert betrug wohl um die 1500 Exemplare, als kostendeckende Mindestauflage waren einige hundert Exemplare zu veranschlagen (in der Inkunabelzeit waren die durchschnittlichen Auflagen noch deutlich geringer gewesen). Besonders die Herstellung von neuen Druckschriften, die Druckfarben, das Giessmetall und die Druckmaschinen waren enorm teuer. Die Gründung einer Offizin war daher eine kostspielige Investition. Griechische Drucke stellten besondere Anforderungen, war es doch mitunter gar nicht einfach,Setzer zu finden, die damit zurechtkamen; umgekehrt sprachen sie auf der Käuferseite nur eine Minderheit an. Als Anfang des 16. Jahrhunderts der Bedarf von Klöstern und Geistlichkeit vorerst gestillt war, geriet das Buchgewerbe in seine erste Absatzkrise. Doch dann kam es im Gefolge der Reformation zu einer Explosion. Statt grosser Folianten druckte man nun bevorzugt kleine Formate und zahlreiche Flugschriften (was nicht bedeutet, dass es keine grossformatigen Bücher mehr gegeben hätte). In dieser Zeit setzten sich das Titelblatt und die Druckermarken durch, die einem Buch bzw. der Produktion eines Druckerverlegers eine unverwechselbare Anmutung geben sollten. Neben den grossen Druckern wie Manutius, Froschauer oder Froben gab es noch zahlreiche andere kleine Firmen, die noch nicht hinreichend erforscht sind. Zu einem wichtigen Treffpunkt des Buchhandels- und Verlagsgeschäfts entwickelte sich aufgrund ihrer günstigen geographischen Lage an der Kreuzung wichtiger Handelsrouten die Frankfurter Buchmesse.
Drucker unterstanden als ein nachträglich entstandenes Gewerbe nicht dem Zunftzwang, sondern übten eine freie Kunst aus. In Basel und Zürich stand es ihnen frei, einer Zunft ihrer Wahl beizutreten, was Voraussetzung zur Erlangung des Bürgerrechts war. In beiden Städten bevorzugten die Druckerverleger die Zunft zu Safran, weil sie darin Kontakte zu besonders finanziell potenten Geldgebern knüpfen konnten. Das Druckergewerbe besass, da es nicht zünftig war, auch keine verbindlichen Handwerksordnungen, in denen Rechte und Pflichten der Meister, Gesellen und Lehrlinge, Arbeitszeiten und Entlohnung verbindlich festgelegt waren. An manchen Orten begegnete man diesem Defizit vonseiten der Obrigkeit oder auch der Druckerherren selbst mit «Druckerei-Ordnungen» (Paris 1539, Genf 1560, Frankfurt a. M. 1573, im letztgenannten Ort auf Initiative der Druckerherren hin); in der deutschsprachigen Schweiz scheint es solche Verordnungen im 16. Jahrhundert nicht gegeben zu haben, doch wird man zumindest davon ausgehen können, dass die einzelnen Offizinen Regeln für ihren Eigengebrauch formulierten.
Druckerverleger handelten mit den Produkten ihrer eigenen Offizinen sowie mit denen anderer, die sie von diesen meist im Tausch gegen eigene Exemplare erhalten hatten. Die Offizinen übernahmen zunehmend auch Druckaufträge von fremden Verlegern. Der Verleger hat seinen Namen daher, dass er einem Gewerbe einen Vorschuss an Geld und Material gibt («vorlegt»); das Buchgewerbe ist eines der wenigen, bei denen dieses im Mittelalter entstandene System in der Neuzeit (bis heute) erhalten geblieben ist.
Neben dem Verlagswesen entstand auch das Metier des niedergelassenen und/oder in der Regel auch umherziehenden Buchhändlers, der bis ins 17. Jahrhundert als Buchführer bezeichnet wurde; sie arbeiteten unabhängig oder in Abgängigkeit von einem grösseren Buchunternehmer; in der Regel führten sie auch einen Verlag, waren also Verlegersortimenter (reine Verleger und Sortimenter waren selten). Die grossen Handelsmessen waren auch beliebte Orte für den Buchverkauf, wo das Lesepublikum einer ganzen Region seinen Bedarf decken konnte. Von Christoph Froschauer d. Ä. ist bekannt, dass er auf Bestellung von der Frankfurter Buchmesse Bücher mitbrachte; er hatte eigene Fuhrleute und war imstande, seine Kunden in der Deutschschweiz und Süddeutschland unter Umständen selbst direkt zu beliefern. In Frankfurt (und nicht daheim in Zürich) lagerte er auch den grösseren Teil seiner Produktion.
Autorenhonorare in Geldform waren in der Frühen Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert hinein eher die Ausnahme; üblich war die Überlassung von Freiexemplaren, Zahlung in Naturalien oder Beherbergung und Speisung durch den Drucker. Eine Möglichkeit, aus schriftstellerischer Tätigkeit dennoch Profit zu schlagen, war die Widmung eines Buches an eine wichtige Persönlichkeit, die sich dafür im Idealfall finanziell oder in anderer Weise erkenntlich zeigte. Zu den Autoren, die Honorare erhielten, gehörten etwa Leo Jud, Konrad Pellikan und Heinrich Bullinger, die Christoph Froschauer in Zürich nach Druckbogen (entspricht vier Folioseiten) bezahlte: Jud und Pellikan erhielten einen Gulden für vier Bogen (Pellikan 1535 insgesamt 186 Gulden, eine durchaus erhebliche Summe; sein Haus hatte ihn 200 Gulden gekostet), Bullinger einen Gulden für drei Bogen. Zwingli verzichtete dagegen wie Luther auf Autorenhonorare. In Basel erhielt Johannes Oekolampad wie Bullinger einen Gulden für drei Bögen, andere Autoren aber erhielten noch mehr, nämlich eine Krone (entspricht 1,66 Gulden) für vier Bogen. Conrad Gessner erhielt von seinen Verlegern Honorare, die für diesen materiell von Haus wenig gesegneten Mann wichtig waren. Neben etwaigen Autorenhonoraren konnte auch eine Anstellung in einer Offizin für Intellektuelle des 16. Jahrhunderts interessant sein. Viele Humanisten fanden dort Beschäftigung als Lektoren und Korrektoren (gebräuchliche Termini für diese Tätigkeiten waren corrector oder castigator). In der Offizin von Christopher Froschauer d. Ä. in Zürich erhielten Korrektoren 26-40 Schilling, Lektoren 20 Schilling, Setzer 36-60 Schilling, Drucker 28-33 Schilling (40 Schilling entsprachen einem Gulden); die höheren Gehälter der Setzer berücksichtigten, dass ihre sorgfältige Arbeit essentiell für einen zügigen Produktionsprozess war und sie zudem eine gewisse Bildung mitbringen mussten (nur wenn sie die zu setzenden Texte einigermassen verstanden, konnten sie sinnentstellende Fehler vermeiden).
Die Masse an jährlichen Neuerscheinungen überstieg schon bald nach der Erfindung der Druckkunst das Fassungsvermögen eines einzelnen Lesers. Orientierung konnten die Kataloge bieten, in denen einzelne Druckerverleger ihre Publikationen auflisteten; nur wenige davon haben sich bis heute erhalten. Conrad Gessners Bibliotheca Universalis ist ein berühmt gewordener Versuch, gegen Mitte des 16. Jahrhunderts Orientierung in einem unüberschaubar gewordenen Markt zu bieten (wobei sich diese alphabetisch geordnete Universalbibliographie hebräischer, griechischer und lateinischer Autoren von der Antike bis zur Gegenwart des Autors allerdings nicht auf bereits im Druck erschiene Titel beschränkt, sondern nötigenfalls auch den Aufbewahrungsort von Handschriften angibt). 1564 veröffentlichte der Augsburger Verleger und Grosssortimenter Georg Willer den ersten Frankfurter Messkatalog mit einer Auflistung der bei der dortigen Buchmesse angebotenen Neuerscheinungen; dieser verlegerischen Innovation war ein langes Fortleben beschieden. Dass sie notwendig war, ist einleuchtend, wenn man sich vor Augen hält, dass im deutschsprachigen Raum im 16. Jahrhundert insgesamt zwischen 130'000 und 150'000 verschiedene Titel gedruckt wurden. Es ist trotz dieser nicht geringen Zahl zu betonen, dass Bücher ein Artikel für eine Minderheit waren. Den Alphabetisierungsgrad der Stadtbevölkerung im deutschsprachigen Bereich darf man um 1500 vielleicht auf 5% schätzen, auf dem Lande werden es weniger gewesen sein. Der Bevölkerungsanteil der Akademiker, die als Käufer für gelehrte Schriften im engeren Sinne – wie sie auf diesem Portal stark vertreten sind – in Frage kamen, war minimal. Ausserdem blieben Bücher auch nach der Erfindung des Buchdrucks so teuer, dass nicht jedermann als Käufer in Frage kam. Die Zürcher Froschauer-Bibel von 1531 kostete zusammen mit ihren verschiedenen Einbänden zwischen 3 und 3,5 Gulden, die zehnbändige Augustinus-Ausgabe von Froschauer (1528/29) 18 Gulden (ob mit oder ohne Einband, ist unklar). Man kann diese Preise in Relation dazu setzen, dass etwa ein Zürcher Zimmermeister um 1550 herum ca. 60 Gulden im Jahr verdiente und Heinrich Bullinger als Antistes der Zürcher Kirche 350 Gulden; wiederholte Bücherkäufe schlugen also selbst im Budget eines Bullingers spürbar zu Buche. Selbst wenn solche Beispielrechnungen sich immer nur auf lokaler Ebene vornehmen lassen (hier: Zürich), war die Grundtendenz, dass Bücher «ein Luxusgegenstand für begüterte Minderheiten» waren, an allen Orten die gleiche.
Druckprivilegien konnten von Autoren und Verlegern gegen eine Gebühr beantragt werden, um eine Schrift für einen gewissen Zeitraum gegen Nachdruck durch andere zu schützen. Besondere Bedeutung kam auf Reichsebene dem kaiserlichen Privileg zu, das man am Hof in Wien beantragte (es ist in diesem Zusammenhang nicht zu vergessen, dass die Eidgenossenschaft noch bis 1648 dem Reich angehörte); aber auch lokale Fürsten, Magistrate etc. vergaben Privilegien. Verletzungen des Privilegs waren in der Regel mit Geldstrafen bedroht, die im Falle des kaiserlichen Privilegs je zur Hälfte an den Privilegienvergeber und die Geschädigten zu zahlen waren. 1531 wurde in ein Verbot mit 100 Gulden Bussandrohung dagegen erlassen, bei anderen Druckern erstveröffentlichte Schriften innerhalb von drei Jahren nachzudrucken. Eine wirksame Verfolgung ungerechtfertigter Nachdrucke existierte aber nicht, deshalb blieb das Problem noch jahrhundertelang bestehen. Wirklich gelöst wurde es erst im späten 19. Jahrhundert mit dem modernen Urheberrecht und seiner Anerkennung des geistigen Eigentums, das nun die Rechte des Autors im Blick hat.
Das neue Massenmedium ermöglichte die rasche Verbreitung von Ideen, die kirchlichen und staatlichen Autoritäten nicht gefielen, weil sie sich davon gefährdet und/oder kritisiert sahen. Deshalb trafen diese schliesslich diverse Zensurmassnahmen: Erste Beispiele sind die Zensurordnungen der Bischöfe von Basel und Würzburg im Jahr 1482 und die Einführung der kirchlichen Druckerlaubnis – Imprimatur – durch Innozenz VIII. im Jahr 1487. Die Reformationszeit brachte auf beiden Seiten vermehrte Zensuranstrengungen mit sich: Am 8. Mai 1521 erliess Kaiser Karl V. im Wormser Edikt ein (faktisch in vielen Regionen nicht mehr durchzusetzendes) Verbot aller protestantischen Schriften im Reich; 1559 erschien zum ersten Mal der römische Index librorum prohibitorum. Auf der anderen Seite führte das gerade reformiert gewordene Zürich 1523 die Präventivzensur ein; das konfessionell noch schwankende Basel tat dies 1524. Bern verbot 1524 reformatorische Schriften, bis es 1528 selbst die Konfession wechselte und 1539 entsprechend angepasste neue Zensurvorschriften erliess. Die Koranübersetzung Theodor Biblianders, die wir auf diesem Portal an anderer Stelle präsentieren, ist ein gutes Beispiel für ein Buch, das unter Zensurschwierigkeiten zu leiden hatte; die bereits gedruckten Exemplare wurden beschlagnahmt, und der Druckerverleger Johannes Oporinus landete im Gefängnis. In diesem Falle gaben die Basler Behörden den Protesten namhafter, auch auswärtiger Theologen (darunter etwa Martin Luther, Joachim Vadian und Heinrich Bullinger) nach und gestatteten die Verbreitung. Ein Zensuropfer war auch der auf diesem Portal mehrfach präsente Graubündner Dichter Simon Lemnius; er musste es erleben, dass 1538 die erste Auflage seiner Epigramme in Wittenberg beschlagnahmt wurde, weil sie das Missfallen Martin Luthers erregt hatten; er selbst entzog sich weiteren Repressalien durch eine hastige Flucht.
3. Schweizer Buchdrucker (Druckerverleger) vom 15. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts
3.1. In der Alten Eidgenossenschaft (ohne Welschbern [Waadt]) und anderen deutschsprachigen Gebieten
Basel
Basel hatte durch das Konzil (1431-1449) und die Gründung der Universität im Jahre 1460 einen geistigen Aufschwung erfahren, so dass hier ein potentielles Publikum für gedruckte Bücher vorhanden war; ausserdem lag es für den Export solcher Druckwerke verkehrstechnisch günstig am Rheinknie und besass bereits zwei Papiermühlen. So überrascht es nicht, dass Basel im 15. und 16. Jahrhundert im Druck- und Verlagswesen eine europaweit führende Stellung einnahm. Im 17. Jahrhundert erlebte der Druckorts Basels einen Niedergang; die europäische Führungsstellung kam fortan Amsterdam und Leiden in den Niederlanden zu. Die exzeptionelle Stellung Basels auch auf dem Gebiet der heutigen Schweiz bedingt, dass beim folgenden Überblick über einige markante Gestalten des Basler Buchdrucks und Verlagswesens keine Vollständigkeit angestrebt wird; mit einer langen Aufzählung von Namen ist im Rahmen dieses Portals niemandem gedient.
Berthold Ruppel (gestorben ca. 1495), ein ehemaliger Gehilfe Johannes Gutenbergs in Mainz, war der erste Basler Buchsdrucker. Er arbeitete mit Bernhard Richel und Michael Wenssler zusammen. Richels Offizin übernahm nach dessen Tod 1482 dessen Schwiegersohn Nikolaus Kessler (1445-nach 1519) aus dem heutigen Grossbottwar (Baden-Württemberg), der einen Schwerpunkt auf religiöse und geschichtliche Werke legte. Den Reigen der wirklich grossen Basler Druckerpersönlichkeiten eröffnet jedoch Johannes Amerbach (1440/45-1513) aus Reutlingen in Schwaben. Er arbeitete nach Studien in Paris zunächst als Korrektor in der Offizin des Anton Koberger (ca. 1440-1513) in Nürnberg, einem der grössten und angesehensten der im Buchmetier tätigen Unternehmen, bevor er sich selbst in Basel in diesem Metier selbständig machte. Er arbeitete ab 1502 in Form einer Druck-, Verlags- und Buchhandelsgemeinschaft mit Johannes Petri und Johannes Froben zusammen, die wir weiter unten vorstellen; derartige dauerhafte oder auch nur temporäre Kooperationen zwischen Druckerverlegern waren im 16. und 17. Jahrhundert keine Seltenheit. Wir präsentieren auf diesem Portal im Rahmen der Autobiographie des ehemaligen Franziskaners und späteren Humanisten und reformierten Theologen Konrad Pellikan auch dessen Bericht über seine 1502 einsetzende Mitarbeit als Lektor an der grossen Augustinusedition des Basler Druckerverlegers Johannes Amerbach. Man gewinnt dadurch nebenbei einen Einblick in die Umstände einer bedeutenden Buchpublikation. Amerbach, der sich auf den Druck der Kirchenväter, antiker Klassiker und humanistischer Gelehrter seiner Zeit konzentrierte, legte mit seiner Produktion die Grundlagen dafür, dass Basel zu einem Mittelpunkt des gelehrten Verlagswesens in Europa wurde. Johannes’ Sohn, Bonifacius Amerbach (1495-1562), der primär durch seine Karriere als Jurist an der Universität Basel und in anderen Funktionen, etwa als Rechtsberater deutscher Fürsten, bekannt wurde, vermittelte den Basler Druckern später zahlreiche Aufträge.
Johannes Froben (1460-1527) ist der wohl wirkmächtigste Basler Drucker gewesen; seine Bedeutung für den deutschsprachigen Humanismus kann nicht überschätzt werden. Auch er stammte nicht aus der damaligen Eidgenossenschaft oder dem Gebiet der heutigen Schweiz, sondern aus dem fränkischen Hammelburg und besass ab 1490 das Basler Bürgerrecht. Ab 1502 bildete er die bereits oben erwähnte Druck-, Verlags- und Buchhandelsgemeinschaft mit Johannes Amerbach und Johannes Petri, mit denen er bereits zuvor beim Druck kooperiert hatte. 1507 erwarb er das Haus «Zum Sessel», in dem sich die Amerbachsche Offizin befand, und setzte den Buchdruck nach dem Tod seiner beiden Geschäftspartner ab 1512 alleine fort, wobei ihm der Aufstieg zu einer Zentralgestalt seines Gewerbes gelang. Die Produkte seiner Offizin zeichneten sich durch ausgesprochen schöne Typen, vollendeten Satz und hochwertiges Papier aus. Zu den Gelehrten, die in seinem Auftrag arbeiteten, gehörte etwa auch Erasmus von Rotterdam, der in Frobens Offizin nicht nur die editio princeps des griechischen Neuen Testaments erscheinen liess (1516 unter dem Titel Novum Instrumentum, mit einer neuen lateinischen Übersetzung und exegetischen Anmerkungen des Erasmus), die Autor und Verleger dann noch mehrfach in verbesserten Neuausgaben herausbrachten (womit sie immer wieder neue Kaufanreize schufen; solche Verkaufstricks konnten auch dann funktionieren, wenn der Autor in Wahrheit keine wesentlichen Verbesserungen vorgenommen hatte). Darüber hinaus erblickten mehr als die Hälfte der Schriften des Humanistenfürsten und auch seine grossen Kirchenvätereditionen in der Frobenschen Offizin erstmals das Licht der Welt. Froben war zwar seinerseits nichts weniger als ein Gelehrter – er beherrschte nicht einmal das Lateinische, geschweige denn das Griechische – aber Erasmus dürfte ihn aufgrund seiner raschen Arbeitsweise geschätzt haben. Mit Erasmus verfügte Froben über einen zu seiner Zeit einzigartig erfolgreichen Autor, dessen Werke sich in vielen tausend Exemplaren verbreiteten. 3,83% aller zwischen 1517 und 1529 europaweit gedruckten Bücher waren Werke des Erasmus, der damit nur noch von Luther (7,98%) übertroffen wurde. Das Tandem Froben-Erasmus trug entschieden dazu bei, Basel zu einem führenden europäischen Druck- und Verlagsort zu machen. Zu der kleinen Anzahl gelehrter Philologen und Korrektoren, die Froben beschäftigte, gehörte neben Beatus Rhenanus etwa auch Konrad Pellikan; zur buchkünstlerischen Gestaltung (Titelblätter, Druckersignete etc.) leisteten u. a. Hans Holbein d. J. und Urs Graf d. Ä. einen Beitrag. Froben veröffentlichte 1518 in Zusammenarbeit mit Wolfgang Capito den ersten (lateinischen) Sammelband mit Schriften Luthers, verzichtete aber ab 1519 auf Anraten des Erasmus auf weiteres Engagement für den Wittenberger Reformator. Als kaufmännischer Leiter für Johannes Froben arbeitete ab 1513 der Verleger Wolfgang Lachner (ca. 1465-1518) aus Neuburg an der Donau, sein Schwiegervater (seit 1510), der seit 1485 in Basel wirkte; Johannes’ Sohn Hieronymus heiratete 1524 ebenfalls eine Tochter Lachners. Lachner war auch ein bedeutender Buchhändler und versorgte unter anderem Erasmus von Rotterdam und Ulrich Zwingli mit Büchern.
Johannes Petri (1441-1511), der ab 1502 die bereits erwähnte Geschäftsgemeinschaft mit Johannes Amerbach und Johannes Froben bildete, stammte wie Froben aus Franken, genauer: aus Langendorf bei Hammelburg. Er war wahrscheinlich ab 1480 zunächst als Faktor (Handlungsbevollmächtigter) bei Amerbach tätig und erlangte 1499 das Bürgerrecht. Als selbständiger Drucker war Petri ab 1488 vor allem in Kooperation mit anderen tätig; nur eine dreibändige Ambrosius-Edition besorgte er 1506 alleine. 1507 verkaufte er seine Offizin an seinen Neffen Adam Petri und betätigte sich nur noch als Buchhändler. Adam Petri (ca. 1454-1527), der wie sein Onkel aus Langendorf bei Hammelburg stammte und ab 1480 in Basel nachweisbar ist, widmete sich besonders der Verbreitung der lutherschen Lehre (bei 88 seiner gut 300 Drucke handelt es sich um Schriften des Wittenbergers). Nach Adam führte dessen Sohn Heinrich Petri (1508-1579) die Geschäfte, dem dessen Sohn Sebastian Henricpetri (1546-1626) folgte. In direkter Nachfolge der Offizin Petri steht nach mehreren Besitzerwechseln der bis heute in Basel ansässige Schwabe Verlag, der somit das Gründungsjahr 1488 beansprucht und daher als das älteste Verlagshaus der Welt gilt.
Hieronymus Froben (1501-1563), Sohn des Johannes Froben und Cousin des Heinrich Petri, druckte ab 1528 zunächst zusammen mit seinem Schwiegervater Johannes Herwagen (aus Strassburg, gestorben 1557) für die Erben seines Vaters; dann kam 1529 noch sein Schwager Nicolaus Episcopius d. Ä. (1501-1564) aus Rittershofen im Elsass hinzu, mit dem zusammen er 1531 die Offizin übernahm. Episcopius war daneben auch alleine tätig. Die respektiven Geschäfte der beiden wurden von Ambrosius I. (1537-1602) und Aurelius I. Erasmus Froben (1539-1587) bzw. von Nicolaus d. J. (1531-1565) und Eusebius Episcopius (1540-1599) weitergeführt.
Von Nikolaus Brylinger (vor 1536-1565; in Basel eingebürgert 1536) präsentieren wir auf diesem Portal zwei Vorreden zu von ihm edierten Sammelwerken, die der Christianisierung des Unterrichtsbetriebs dienen sollten: einem Band mit Bibeldramen und einer Anthologie christlicher Epigramme. Sie sind interessante Zeugnisse für die Art und Weise, in der Druckerverleger ihre Ware dem Publikum schmackhaft zu machen versuchten.
Der gebürtige Basler Johannes Oporinus (deutsch: Herbst 1507-1568) war in seiner Jugend zunächst Famulus des berühmten Arztes Theophrastus Bombastus Paracelsus, bevor er 1533 Lateinprofessor in Basel wurde und sich ab 1535 auch im Druckergewerbe betätigte (bis 1537 in einer Druckergemeinschaft, ab 1542 selbständig). Ihm ist die Publikation der lateinischen Koranübersetzung von Theodor Bibliander im Jahr 1543 zu verdanken, den wir auf diesem Portal an anderer Stelle präsentieren. Dort gehen wir auch näher auf die nicht unkomplizierten Umstände der Publikation ein: Der Basler Rat konfiszierte im Herbst 1542 die bereits gedruckten Exemplare und warf den couragierten Druckerverleger Oporin sogar kurzzeitig ins Gefängnis. Bemerkenswert ist auch sein Druck der Humani corporis fabrica des Anatomie-Pioniers Andreas Vesalius. Er musste seine überschuldete Offizin 1567 verkaufen; sie wurde danach unter dem Namen Officina Oporiniana weiterbetrieben.
Andreas Cratander (ca. 1490-1540) stammte aus Strassburg. Er liess den Basler Reformator Johannes Oekolampad bei sich im Hause wohnen und arbeitete intensiv mit ihm zusammen: Eine von Oekolampad verfasste griechische Grammatik war das erste Buch, das die Offizin Cratander herausbrachte. Sein Engagement galt im Übrigen besonders antiken Texten (darunter viele griechische Autoren und viele Erstdrucke in hoher Qualität). Bei ihm arbeitete Valentin Curio (deutsch: Schaffner) aus dem elsässischen Hagenau (1500-nach 1532), der ab 1520 selbständig tätig war; er konzentrierte sich auf lateinische und griechische Texte antiker Autoren und zeitgenössischer Reformatoren und Humanisten.
Auch Thomas Platter d. Ä. (1499-1582), der es im Laufe seines Lebens vom Sohn eines Walliser Bergbauern zum Rektor der Basler Münsterschule und wohlhabenden Landbesitzer brachte, war zeitweise im Basler Druckergewerbe tätig (1535-1537 mit Johannes Oporinus, Balthasar Lasius und Robert Winter, dann bis 1544 alleine).Aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, als der Basler Buchdruck seine Vorrangstellung verloren hatte, erwähnen wir nur noch Johann Jakob Genath d. Ä., der ab 1615 als Universitätsbuchdrucker wirkte, sowie den aus dem thüringischen Eisfeld stammenden Georg Decker, der dieses Amt 1635 erhielt.
Mit ihnen soll dieser kurze Überblick hier beschlossen werden, der auf jeden Fall die nicht selten verwickelten Geschäftsbeziehungen der einzelnen Druckerverleger untereinander deutlich gemacht haben sollte. Es muss noch einmal betont werden, dass hier nur ein kleiner Teil der in Basel im 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Jahrhundert tätigen Drucker erwähnt wurde. Die Entstehung des modernen Pressewesens liegt nicht im Fokus unseres Projekts. Dennoch verdient es Erwähnung, dass in Basel 1610 die erste regelmässig erscheinende Wochenzeitung der Schweiz, die Ordinari-Zeitung, erschien.
Luzern
In Beromünster druckte der Chorherr und Leutpriester Elias Elye (1400-1475) 1470 das erste (datierte) Buch auf dem Gebiet der heutigen Schweiz, ein 600 Seiten umfassendes Bibelwörterbuch mit dem Titel Mammotrectus, und vier weitere Werke. Der für seine Sprachgewalt berühmte Elsässer Franziskanerprediger Thomas Murner gründete im Luzerner Franziskanerkloster 1525 eine Druckerei, um nach seiner Flucht vor dem Bauernkrieg in der Schweiz sein publizistisches Wirken gegen die Reformation fortzusetzen; er verliess Luzern fluchtartig 1529, als ihm nach der gütlichen Beilegung des Ersten Kappeler Krieges aus Gründen der Friedenswahrung zwischen den Konfessionen die Ausweisung drohte. Aus Beromünster sind keine weiteren Drucke bekannt; in Luzern eröffnete erst 1635 wieder eine Offizin, die ihr Inhaber, der Buchhändlersohn Johann Hederlein (Hölderlin) bereits im Folgejahr an den aus Strassburg eingewanderten und zum Katholizismus konvertierten David Hautt d. Ä. verkaufte, der sich auf Schulbücher, religiöse, historische und geographische Schriften sowie Amtsdrucksachen und Kupferstichkarten konzentrierte.
Zürich
1479 erhielt der aus Lothringen stammende Buchdrucker Sigmund Roth (genannt Langschnider) das Zürcher Bürgerrecht. Er besorgte im dortigen Dominikanerkloster zwischen 1479 und 1481 vier Drucke; 1483 zog er nach Basel um. 1503 wandte sich der Pflastersetzermeister und Krämer Hans Rüegger (Hans am Wasen) im Nebenberuf dem Druckergewerbe zu; er produzierte diverse Einblattdrucke (1504 etwa eine Einladung zum Freischiessen) und Kalender.
Wesentlich interessanter ist im Rahmen dieses Portals Christoph Froschauer d. Ä. (ca. 1490-1564), der aus Kastl bei Altötting in Bayern nach Zürich kam und ab 1515 als Geselle für Rüegger tätig war, dessen Offizin er nach Rüeggers Tod 1517 zunächst für dessen Witwe weiterführte und dann durch Heirat mit dieser ganz an sich brachte. Er war Inhaber einer eigenen Buchbinderei, stellte ab einem gewissen Zeitpunkt seine Typen selber her, widmete sich dem Sortimentsbuchhandel und war schliesslich auch Pächter einer Papiermühle an der Limmat. Froschauer brachte lateinische und deutsche Bibelausgaben heraus (wichtig etwa die deutsche Froschauer-Bibel von 1531); ausserdem publizierte er zahlreiche Schriften der bedeutenden Schweizer Reformatoren (Zwingli, Bullinger, Gwalther, Vadian etc.) und trug dadurch entscheidend zur Verbreitung der zwinglianischen Reformation bei. Froschauer begriff seine Tätigkeit dezidiert als religiöses Engagement. 1543 schickte er die Zürcher lateinische Bibelübersetzung an Luther, was dieser mit einem Brief beantwortete, in dem er neben ein bisschen Dank vor allen Schmähungen der Zürcher Theologen als Häretiker äusserte, mit denen er nichts zu tun haben wolle. Bemerkenswert ist auch sein Druck des ersten Teils der Schweizer Chronik von Johannes Stumpf von 1548 mit mehr als 4000 Illustrationen; drei Jahre zuvor hatte Froschauer seine eigene Zeichen- und Formschneidewerkstatt eingerichtet.
In Froschauers Offizin fand am 9. März 1522 (Erster Fastensonntag) das berühmte Wurstessen statt, bei dem er und einige andere Zürcher im Beisein einiger Geistlicher demonstrativ gegen das damals geltende kirchliche Gebot der Fleischabstinenz in der Fastenzeit verstiessen. Zwingli war Augenzeuge, ohne sich persönlich am Wurstessen zu beteiligen. Froschauer gab zur Verteidigung gegenüber dem Rat an, er und sein Hausgesinde seien von der Arbeit für die bevorstehende Frankfurter Buchmesse so in Anspruch genommen gewesen, dass sie herzhafte Nahrung benötigt hätten – und er könne es sich nicht leisten, immer wieder Fisch zu kaufen. Zudem entsprächen die Fastengebote nicht der Lehre des Neuen Testaments. In der Folge kam in Zürich eine hitzige Debatte über die Geltung der Fastengebote auf, an der sich Zwingli prominent mit seiner auch im Druck erschienenen Predigt Vom Erkiesen und Fryheit der Spysen beteiligte. Das Wurstessen gilt analog zum Wittenberger Thesenanschlag als Fanal der Zürcher Reformation, die nach drei Disputationen schliesslich im Januar 1524 mit dem Verbot der Messe endgültig den Sieg errang. Mit dazu bei trug unverkennbar Zwinglis gewaltige publizistische Produktivität: Alleine im Jahre 1522 brachte er bei Froschauer sieben Schriften (drei auf Latein, vier auf Deutsch) und eine Übersetzung in die deutsche Sprache heraus; seine deutschen Werke erreichten im Durchschnitt vier Ausgaben. Froschauer verlieh Zwinglis Schriften durch einander ähnelnde Titelholzschnitte und die Wiederverwendung von Mt 11,28 als Motto auf der Titelseite gleichsam eine leicht wiedererkennbare Markenidentität (wie ja auch heute bei Buchserien von Verlagsseite auf eine wiedererkennbare Covergestaltung geachtet wird). Die zeitweise Präsenz englischer protestantischer Glaubensflüchtlinge in Zürich hatte zur Folge, dass Froschauer auch fünf Titel in dieser Sprache druckte, was auf dem europäischen Kontinent damals recht ungewöhnlich war.
Christoph Froschauer d. Ä., der keine eigenen Nachkommen besass, vermachte seine Offizin 1564 seinem Neffen Christoph Froschauer d. J. (1532-1585), der schon zuvor wie sein Vater Eustachius (ca. 1490-1552) für Christoph d. Ä. den Kalenderdruck ausgeführt hatte. Der kinderlose Christoph Froschauer d. J. verkaufte die Offizin kurz vor seinem Tod an die Gebrüder Escher (Hans Konrad, Hans Rudolf und Hans Heinrich), die sie unter der Bezeichnung «Ex Officina Froschoveri» 1585-1591 fortführten. 1591 verkaufte Anna, die Witwe von Hans Rudolf, nach dem Ausscheiden der beiden anderen Brüder aus dem Geschäft, die Offizin an Johann Wolf (1564-1627). Aus der Froschauerschen Unternehmen ging nach verschiedenen Besitzerwechseln schliesslich die (seit 1798 so benannte) Firma Orell Füssli hervor, die bis heute im Druck- und Verlagswesen sowie im Buchhandel tätig ist.
Rudolf Wyssenbach lernte sein Handwerk bei Christoph Froschauer d. Ä. und ist ab 1548 als Inhaber einer eigenen Offizin nachweisbar (bis 1557). Er bildete ab 1551 mit Andreas Gessner d. J. (1513-1559) eine Druckergemeinschaft, der ab 1553 auch alleine auftrat und ab 1554 zudem Drucke gemeinsam mit seinem Bruder Hans Jakob (1527-nach 1573) besorgte, der die Offizin übernahm. Andreas’ Sohn Tobias probierte zunächst die Selbständigkeit und arbeitete dann mit seinem Onkel zusammen. Dessen Söhne Jonas (geboren 1571) und Josias wurden Drucker respektive Verleger. Die Offizin Gessner druckte theologische, medizinische und naturwissenschaftliche Titel und Bibeln; im Rahmen unseres Portals ist interessant, dass sie viele Werke Conrad Gessners (eines Cousins von Andreas und Hans Jakob) druckte. Auf die Erwähnung weiterer im 16. Jahrhundert in Zürich tätiger Drucker (die ihre Laufbahn mitunter in der Froschauerschen Offizin begannen) kann hier verzichtet werden.Aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erwähnen wir nur den aus dem Goldschmiede- und Münzmeisterhandwerk kommenden Johann Jakob Bodmer I., der sich 1626 eine Offizin kaufte, die im Dienste der Kirche, der Kanzlei und der Schulen zur wichtigsten Druckerei Zürichs wurde und auch über orientalische Typen verfügte; nach seinem Tod 1629 betrieb seine Witwe Dorothea das Geschäft, das sie 1640 an die Söhne Johann Jakob II. und Heinrich Bodmer I. übergab.
Bern
Bern war die vierte Stadt der Schweiz, in der der Buchdruck dauerhaft gepflegt wurde, wenngleich erst ab 1537 und damit verhältnismässig spät. Matthias Apiarius (ursprünglich: Matthias Biener; ca. 1500-1564), aus Berching in Bayern gebürtig, eröffnete damals die erste Offizin, nachdem ihn der Berner Rat aus Strassburg herberufen hatte; ihm sind bahnbrechende Leistungen auf dem Gebiet des Musikdrucks zu verdanken. Er unterhielt Geschäftsbeziehungen u. a. zu Johannes Oporinus in Basel, für den er druckte. Auch seine Söhne Samuel und Siegfried betätigten sich in diesem Metier (zwischen 1554-1563 bzw. 1560-1565); ausserdem 1561-1593 Benedikt Ullmann und ferner Vinzenz im Hof (1550-ca. 1600) von 1574 an bis zu seinem Tod. Auf dessen Erben und andere Drucker des 17. Jahrhunderts (viele waren es nicht) gehen wir hier nicht ein. Es lässt sich zusammenfassend festhalten, dass verglichen mit Basel das Druckergewerbe in Bern im 16. und 17. Jahrhundert eine sehr bescheidene Angelegenheit war. Anders als in der Rheinstadt und in Zürich fehlte es hier an einem grösseren Publikum mit humanistischen Interessen.
Solothurn
Samuel Apiarius (ca. 1530-1590), der unter dem Eintrag «Bern» bereits erwähnte, in Basel geborene Sohn des ersten Berner Druckers Matthias Apiarius (s. o.), erhielt 1565 vom Solothurner Rat als erster die Erlaubnis, sich als Drucker in der Stadt niederzulassen. Er war hier aber nur ein Jahr tätig und begab sich dann nach Basel. Die nächste Buchdruckerei wurde erst 1658 durch Johann Jakob Bernhard eröffnet.
St. Gallen
Stadt St. Gallen
In St. Gallen bestand lange kein Bedarf für eine eigene Druckerei bzw. die Gründung einer solchen erschien niemandem als lohnendes Geschäft. Der Bedarf an derartigen Dienstleistungen, der etwa aus der Durchführung der Reformation und der Arbeit Joachim Vadians resultierte, konnte durch Basler und Zürcher Drucker bedient werden. Nach einer Lehre bei Christopher Froschauer d. J. in Zürich und Berufstätigkeit in der Frobenschen Offizin in Basel stellte Leonhard Straub (1550-1601) d. Ä. 1578 in seiner Heimatstadt St. Gallen erfolgreich den Antrag, eine Offizin eröffnen zu dürfen. 1579 löste er diplomatische Verwicklungen aus, als er auf einem Wandkalender den Bären auf dem Appenzeller Wappen versehentlich als Bärin darstellte und sich die Appenzeller dadurch empfindlich in ihrer Ehre gekränkt fühlten; nur die Vermittlung des St. Galler Fürstabts konnte eine Eskalation verhindern. Straubs wiederholte Missachtung der Zensurvorschriften führte dazu, dass er 1584 das Bürgerrecht aberkannt bekam und die Stadt St. Gallen verlassen musste. Straub setzte seine Drucktätigkeit in Aach bei Rorschach (also auf fürstäbtischem Gebiet) fort, wo er bereits eine Papiermühle besass. 1597 druckte er dort in zwölf Monatsnummern und mit einer Auflage von etwa 150 Stück die von dem Augsburger Samuel Dilbaum redigierte «älteste deutsche Zeitung», die man nach ihrem Jahrestitelblatt Annus Christi nennt; sie enthielt kurze Berichte über aufsehenerregende Ereignisse. Ab 1586 druckte er auch in der freien Reichsstadt Konstanz, wo er sich 1598 endgültig niederliess und 1601 starb.
Sein Bruder Georg Straub begab sich 1599 aus Rorschach nach St. Gallen, wo er bis zu seinem Pesttod 1611 eine Offizin unterhielt; wenige Monate zuvor hatte er noch ein auf diese Pestepidemie bezügliches Sitten- und Polizeigesetz gedruckt.
Fürstabtei St. Gallen
Fürstabt Pius Reher richtete im März 1633 in Neu St. Johann eine Druckerei ein, die er von dem Buchdrucker Johann Landort aus Weingarten betreiben liess. Landort druckte dort v. a. Dissertationen und Thesen der St. Galler Konventualen sowie Einblattdrucke. 1641 veranlasste der Abt den Umzug der Buchdruckerei in die Abtei St. Gallen, wo Landort und der Benediktiner Bruder Feurer von Tablat bis 1645 gemeinsam die Geschäfte führten; in diesem Jahr wurde Landort entlassen. Die weitere Geschichte liegt ausserhalb unseres Betrachtungszeitraums. Wir erwähnen nur noch, dass die Klosterdruckerei u. a. auch die Gedichtsammlungen von Athanasius Gugger druckte, die wir auf diesem Portal bald an anderer Stelle präsentieren werden.
Freiburg
Um die Verbreitung reformatorischer Ideen zu verhindern, verboten die Herren von Freiburg den Buchdruck bis zum Jahre 1584. Dann setzte sich die Einsicht durch, dass es möglich war, die Druckerpresse auch den Interessen des alten Glaubens dienstbar zu machen. Mit finanzieller Hilfe durch den Freiburger Rat richtete Abraham Gemperlin (ca. 1550-nach 1616) aus Rottenburg am Neckar (Württemberg) die erste Offizin ein. Er druckte unter anderem Schriften des bedeutenden Jesuiten Petrus Canisius, der seine letzten Lebensjahre im Freiburger Kolleg verbrachte, darunter etwa die Anmerkungen zu den Evangelienlesungen, die wir auf diesem Portal an anderer Stelle näher vorstellen; ferner auch eine ganze Reihe anderer frommer Schriften (Gebet- und Andachtsbücher) sowie die Werk des Freiburger Humanisten Sebastian Werro. 1588 war er wegen eines unerlaubten Drucks kurzzeitig im Exil, 1593-94 ging er als Verleger nach Konstanz und überliess die Freiburger Offizin bis zu seiner Rückkehr seinem Stiefsohn Johann Strasser. 1595 schloss er eine Druckergemeinschaft mit Wilhelm Mäss, einem gebürtigen Freiburger, der ab 1597 die gesamte Offizin alleine weiterführte (bis 1605), nachdem der hochverschuldete Gemperlin sich strafbar gemacht hatte (letzterer starb schliesslich zu einem nicht bekannten Zeitpunkt im Freiburger Bürgerspital). In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wirkten dann in Freiburg Stephan Philot (1606-1617) sowie Willhelm Darbellay (1604-1620 als Faktor des letzteren, nach einem längeren Aufenthalt in Pruntrut ab 1635 eigenständig). Ersterer überreichte dem Rat der Stadt die berühmt gewordene Stadtansicht des Kupferstechers Martin Martini; bei letzterem ist ein Schwerpunkt auf religiösen Schriften in lateinischer Sprache festzustellen.
Einsiedeln
Ab 1582 war in Einsiedeln einige Jahre lang ein Wanderdrucker namens «Meister Heinrich» tätig, der vermutlich Bilddrucke für das Wallfahrtswesen herstellte. Die bedeutende Klosterdruckerei wurde erst 1664 (ausserhalb unseres Betrachtungszeitraums) unter Abt Plazidus Reimann eingerichtet.
Schaffhausen
Im Jahr 1587 stellte François Estienne, ein Angehöriger der bekannten Pariser und Genfer Druckerfamilie, den Antrag auf Errichtung einer Buchdruckerei in Schaffhausen. Dieser wurde von den Behörden jedoch abschlägig beschieden, weil sie eine Buchdruckerei angesichts der aufgewühlten Zeitläufte für gefährlich erachteten. Fünf Jahre später wurde Konrad von Waldkirch im August 1591 die Erlaubnis erteilt, eine Druckerei eröffnen (faktische Eröffnung wohl im April 1592), die er jedoch nur sehr kurz betrieb (vielleicht bis Ende 1592?), bis er nach Basel umzog. Er druckte ein Speculum Pontificum Romanorum, Tabulae Analyticae und die Schaffhausener Kirchenordnung. Erst im Jahr 1655, und damit ausserhalb unseres Betrachtungszeitraums, wurde in Schaffhausen wieder gedruckt.
Pruntrut
Johann Schmidt (auch Ioannes Faber, Jean Faibvre), über dessen Herkunft weiter nichts bekannt ist (er war vorher jedenfalls in Basel tätig gewesen), druckte ab 1592 in der Residenzstadt des für seine Bemühungen um die katholische Reform bekannten Basler Fürstbischofs Christoph Blarer von Wartensee. Nach seinem Tod im Jahr 1600 setzten seine Erben diese Tätigkeit bis 1609 fort, danach der Sachse Christoph Crakow (tätig 1609-1612), der sich vom Fürstbischof Geld leihen musste. Die Druckerei wurde dadurch schliesslich zur fürstbischöflichen Offizin unter wechselnden Leitern. 1623-1635 stand ihr Willhelm Darbellay aus Freiburg i. Ü. vor, der sich danach zurück in seine Heimat begab (s.o.). Durch den Dreissigjährigen Krieg bedingt (der Pruntrut stark zusetzte) nahm die fürstbischöfliche Offizin ihren Betrieb erst 1656 wieder auf. In der Offizin Schmidt bzw. Faber wurden zum Beispiel 1595 die Hymnen und Oden des Freiburgers Franz Guillimann gedruckt, die wir auf diesem Portal an anderer Stelle präsentieren.
Muri
Abt Johannes Jodocus Singeisen liess eine Druckerei einrichten, die dem aus dem thüringischen Rudolstadt stammenden Laienbruder Balthasar Schröter, einem ausgebildeten Buchbinder und Buchdrucker, anvertraut wurde. 1621 druckte man dort als erstes Werk die Regel des heiligen Benedikt. Die Aktivitäten dieser Klosterdruckerei blieben bis zu ihrem Ende im Jahr 1799 sehr überschaubar.
Sitten
In Sitten druckte der 1644-1647 tätige Heinrich Streler u. a. den berühmten Katechismus des Jesuiten Petrus Canisius sowie die griechische Grammatik von dessen Ordensbruder Jakob Gretser. 1647-1652 druckte in Sitten Johann Strack. Die weiteren (inhaltlich und mengenmässig sehr bescheidenen) Druckeraktivitäten in Sitten im 17. Jahrhundert liegen ausserhalb unseres Betrachtungszeitraums.
3.2. In der französischen Schweiz (Romandie; ohne Pruntrut)
Genf
Der aus dem fränkischen Schweinfurt stammende Adam Steinschaber war seit 1478 als erster Drucker in Genf tätig; die von ihm verwendeten Typen (die denen der Offizin des Wendelin von Speyer in Venedig entsprachen) belegen, dass er sich zuvor in Italien aufgehalten haben muss. Er druckte vier lateinische und sieben französische Bücher; von ersteren erwähnen wir die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Ab 1480 – es ist unklar, ob er verstorben oder wieder ausgewandert war – trat an seine Stelle Louis Cruse (alias Garbin; †1513), der Sohn eines Arztes deutscher Herkunft (Gerwin Kruse). Seine Produktion, darunter besonders illustrierte Ausgaben französischer Romane (entsprechend der damaligen Gattungsbedeutung) zeichnet sich durch ihren typographischen Schmuck aus. Weitere kleinere Drucker in dieser Zeit waren vor allem für die Genfer Bischöfe tätig (Breviere, Statuten etc.). Ab etwa 1525 erschienen zunehmend auch Publikationen politischen und reformatorischen Inhalts. Besondere Bedeutung und europaweite Ausstrahlung erlangte im reformierten Genf die Druckerverlegerfamilie Estienne, beginnend mit Robert Estienne (1503-1559), der in Frankreich königlicher Drucker für Hebräisch und Lateinisch (1539) sowie für Griechisch (1540) gewesen war, bevor Schwierigkeiten mit der seinen philologischen Bibelstudien abholden Sorbonne ihn 1550 zur Auswanderung nach Genf veranlassten, wo er zur Reformation übertrat. Er brachte aus Paris die griechischen Matrizen der königlichen Druckerei mit, die Ludwig XIII. nach seinem Tod von den Erben zurückkaufte. Sein Sohn Henri Estienne (1531-1598) erwarb sich Verdienste besonders als Herausgeber antiker Texte – die Werke Platos werden bis heute nach der von Estienne für seine Edition von 1578 vorgenommenen Paginierung zitiert (Stephanus-Paginierung) – sowie den Thesaurus linguae Graecae, der für mehrere Jahrhunderte das bedeutendste griechische Wörterbuch blieb, seinen Schöpfer und Drucker jedoch finanziell ruinierte. Daneben veröffentlichte er antikatholische Polemik und trat für die französische Sprache ein. Neben seinem geschäftlichen Misserfolg trugen Zensurschwierigkeiten mit den Behörden wegen der teilweise sehr heftigen Satire in seinen Schriften dazu bei, ihm Genf zu verleiden; er hielt sich zunehmend auswärts auf und starb in Lyon. Henris Sohn, Paul Estienne (1556-nach 1634), erbte die Druckerei 1598 nach dem Tod des Vaters, musste Genf jedoch 1605 fluchtartig verlassen, da man ihm vorwarf, den Versuch der Savoyer, Genf im Jahr 1602 zu erobern, unterstützt zu haben. Er verkaufte das Familiengeschäft 1620 an die Genfer Buchhändlerfamilie Chouet; mit ihm erlosch die Genfer Linie der Estienne.
Dass Genf zu einem europäischen Zentrum der Reformation wurde, ist nicht zuletzt dem Engagement vieler eifriger Buchdrucker zu verdanken. Stellvertretend genannt seien hier Conrad Badius (1520-1562), der 1549 aus Frankreich nach Genf kam und ab 1559 die Predigten und Kommentare Calvins in eigener Übersetzung herausgab und druckte, sein Schüler Jean Crespin (gleichfalls ein Glaubensflüchtling) sowie François Perrin aus dem lothringischen Niederkontz (†1571), der sich ebenfalls um die Schriften Calvins verdient machte. Da die Tätigkeit solcher reformatorisch gesinnter Drucker Genf immer wieder in diplomatische Schwierigkeiten mit seinen Nachbarn verwickelte, versuchten die Oberen der Genfer Republik, eine engmaschige Kontrolle über die Buchdrucker auszuüben. Am 15. Februar 1560 erliess die Regierung ein Edikt, die erste Buchdruckerordnung auf dem Boden der heutigen Schweiz, in der sie Zensurfragen, aber auch innere Abläufe des Gewerbes (Annahme von Lehrlingen, Gesellenschaft, Meisterschaft etc.) regelte.
Die Waadt (Lausanne etc.)
Verglichen mit Genf blieb der Buchdruck in der Waadt eine bescheidene Angelegenheit: 1481 wurde im Cluniazenserpriorat von Rougemont der Fasciculus temporum des Kartäusers Werner Rolewink gedruckt; der verantwortliche Drucker war wohl der Rougemonter Ordensmann Heinrich (Henri) Wirczburg de Vach. Der Genfer Drucker Louis Cruse (alias Garbin) wich 1482 wohl pestbedingt kurz nach Nyon aus. In Lausanne druckte der aus Rouen stammende Jean Belot (†1513) 1493 ein Missale, bevor er nach Genf zog und dort 1494 das Bürgerrecht erhielt. In den 1550ern eröffnete der Buchhändler Jean Rivery mit Unterstützung der Lausanner Regierung eine Buchdruckerei, die jedoch den Herren von Bern missfiel, die die Waadt 1536 erobert hatten. Die daraus resultierende Einschränkung seiner Geschäftstätigkeit führte massgeblich dazu, dass Rivery sein Geschäft nach Genf verlagerte. 1569 liessen sich die ursprünglich aus Paris stammenden Hugenotten Jean (†1609) und François Le Preux (†1614), von Beruf Drucker und Buchhändler, nach einigen in Genf verbrachten Jahren in Lausanne nieder, wohin sie 1572 auch ihre Genfer Offizin verlagerten. Sie waren vor allem im Auftrag der Lausanner Akademie tätig, druckten aber auch hugenottisches Schrifttum. Jean zog 1579 nach Morges um (Bürgerrecht 1580), wo er auch druckte, 1585 zog er mit seiner Druckerei wieder nach Genf, wo er das Bürgerrecht erlangte; François war bereits 1580 nach Genf zurückgekehrt (Bürgerrecht 1585). Mit den Brüdern Le Preux hatte die Geschichte des Buchdrucks in der Waadt für lange Zeit ihren Höhepunkt erreicht. Wir erlassen uns die Aufzählung wenig bedeutender weiterer Aktivitäten im 16. und 17. Jahrhundert; einen Durchbruch brachte erst das 18. Jahrhundert.
Neuenburg
Der erste Buchdrucker in Neuenburg (genauer: Serrières bei Neuenburg, heute ein Stadtteil) war der Franzose Pierre de Vingle aus Lyon (1495-1536 oder wenig später), der aufgrund seiner reformatorischen Gesinnung seine Heimat verlassen musste und nach einer kurzen Tätigkeit in Genf (1532-1533), wo er Probleme mit dem Rat hatte, nach Neuenburg kam, das durch ihn zu kurzzeitig zu einem zentralen Druckort für die französischen Protestanten wurde. Er druckte u. a. die sogenannte Olivétan-Bibel, die erste vollständige französische Bibelübersetzung auf Basis der Originalsprachen. Bereits 1535 verliess de Vingle Neuenburg allerdings wieder. Seine Offizin bestand wohl noch bis ungefähr 1550, danach ist im heutigen Kanton Neuenburg bis 1689 keine Buchdruckerei nachweisbar.
4. Schlussbemerkung zur italienischen Schweiz (Tessin, Teile von Graubünden)
Im italienischsprachigen Tessin (damals Untertanengebiet der eidgenössischen Orte) wurde erst 1746 von den Brüdern Agnelli eine erste Druckerei in Lugano eröffnet, also erst deutlich nach dem Zeitraum, mit sich dieses Portal beschäftigt. In Italienischbünden gibt es erst seit 1864 eine Druckerei (Menghini in Poschiavo).
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Freiburg wird hier im Kontext der betrachteten Epoche als Teil der Deutschschweiz betrachtet, da es sich als Teil der Alten Eidgenossenschaft selbst kulturell eindeutig der deutschsprachigen Sphäre zuordnete (die faktische Zweisprachigkeit, damals noch mit deutscher Mehrheit und welscher Minderheit, änderte daran nichts).