Joachim Vadian
Werke
- Gedicht über den Bodensee
- Autobiographische Ekloge Faustus
- Trauerrede auf König Vladislav II.
- Gallus pugnans
- Geleitgedicht zur Helvetiae Descriptio
- Auszüge aus dem Kommentar zu Pomponius Mela: die Legende des Pilatus und St. Gallen
- Streitgespräch mit dem Tod
- Zwei Briefe: An Bernhardin Bentz (gegen die Wiedertäufer) und an Heinrich Bullinger (über den Papst als Antichristen)
- Panegyrisches Gedicht auf die Kaiser Friedrich III. und Maximilian I.
- De poetica
Autor(en): David Amherdt (deutsche Übersetzung: Clemens Schlip). Version: 03.07.2023.
Vadian war der bedeutendste Humanist und der einflussreichste Reformator der Ostschweiz. Anders als die meisten seiner Kollegen war er an nur einer Universität tätig (Wien) und reiste nur wenig. Im Alter von 34 Jahren verliess er den Universitätsbetrieb, um sich in den Dienst seiner Heimatstadt St. Gallen zu stellen; er wurde ihr Stadtarzt, ihr Reformator und ihr Geschichtsschreiber.
Vadians Leben
Joachim von Watt (1483/1484-1551), der später während seiner Wiener Studienzeit den humanistischen Beinamen Vadianus annahm, wurde 1484 in St. Gallen geboren; dort verstarb er auch im Jahr 1551.
Vadian stammte aus einer Familie von St. Galler Kaufleuten. Er besuchte zunächst die Lateinschule von St. Gallen, dann, ab 1502, studierte er an der Wiener Universität, wo er bis 1518 blieb. Einer seiner Lehrer dort war der deutsche Dichter Conrad Celtis, den man manchmal den deutschen Erzhumanisten nennt; es war Celtis, der ihn in die Dichtkunst einführte. Vadian war auch Schüler des Theologen Johannes Camers (1447-1546). 1508 erlangte er den Magistergrad. Er blieb danach in Wien und unterrichtete Literatur, Geographie und Naturwissenschaften. 1511/1512 wurde er Universitätsprofessor. 1514 empfing er in Linz aus den Händen Kaisers Maximilian I. die Krone eines gekrönten Dichters, eines poeta laureatus. 1516 wurde er zum Poetikprofessor am Collegium poetarum ernannt. 1516-1517 war er Rektor der Universität. Parallel zu seiner Unterrichtstätigkeit studierte Vadian seit 1513 Medizin und erhielt 1517 den Doktortitel. Seit seiner Ankunft in Wien interessierte sich Vadian auch für die Geographie; seine Leidenschaft für Geschichte wurde in den Jahren ab 1518 offenbar, nach seiner Rückkehr in die Heimat.
1518 beendete Vadian plötzlich seine Universitätskarriere und kehrte nach St. Gallen zurück. Er wurde zum Stadtarzt ernannt und beteiligte sich am politischen Leben (ab 1526 bekleidete er mehrmals das Amt des Bürgermeisters) und trat ab 1522 als Unterstützer der Reformation auf, indem er sich intensiv mit theologischen Studien beschäftigte und eine entscheidende Rolle bei der Einführung der neuen Religion spielte. 1519 heiratete er Martha Grebel, eine Schwester Konrad Grebels, der in Wien sein Schüler gewesen war.
Er beschäftigte sich mit gelehrten Studien und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die Stadtgeschichte. Er verfasste die Grössere Chronik der Äbte (1529-1532), eine unvollendete Geschichte der Stadt St. Gallen von 1199 bis 1491. Er stellte historische und theologische Recherchen im Bereich der Regional- und Kirchengeschichte an (Anfänge des Mönchtums, Transformation der Urkirche zur Papstkirche etc.). Vadian beteiligte sich auch an der Schweizer Chronik des Johannes Stumpf (veröffentlicht 1547-1548).
Die historischen Werke Vadians wurden 1606 von Melchior Goldast veröffentlicht und später, 1875-1879, von Ernst Götzinger. Die Historiographie des 20. Jahrhunderts betrachtete Vadian (in bewusstem Gegensatz zu Tschudi) als den ersten objektiven Schweizer Historiker; neuere Forschungen zeigen dagegen, dass er parteiisch und von seiner Herkunft und seinen politischen und religiösen Überzeugungen beeinflusst war. Zwar zeigt er kritische Distanz gegenüber den Gründungsmythen der Eidgenossenschaft (Tell, etc.), andererseits liess er sich von seiner Feindschaft gegen die Mönche und das Papsttum blenden (er wollte zeigen, dass sie einen Niedergang erlebten, weil sie sich vom Fundament der göttlichen Lehre entfernt hätten). Er ist ein sehr wichtiger Parteischriftsteller für die Schweizer Reformation. Er besteht auf einer Geschichtsperiodisierung, die zwischen dem Altertum und seiner eigenen Zeit ein Mittelalter ansetzt. Vadian ist einer der ersten Autoren, die das Konzept des «Mittelalters» verwenden; man findet bei ihm auch Ausdrücke wie media aetas, media antiquitas, wobei media aetas bei ihm als erstem Autor begegnet.
Auf dem Gebiet der Theologie veröffentlichte er mehrere lateinische Werke zu verschiedenen Themen (dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, der Eucharistie, umstrittenen Begriffen des Christentums etc.).
Seine Bibliothek (450 Bände) vermachte er seiner Heimatstadt: sie stellt den Grundstock der Sammlung dar, die in der Kantonsbibliothek von St. Gallen seinen Namen trägt. 1904 errichtete ihm Richard Kissling in St. Gallen ein Denkmal.
Das lateinische Werk Vadians
Die meisten Werke Vadians sind auf Latein verfasst, doch auf Deutsch verfasste den Grossteil seiner historiographischen Werke. Wir konzentrieren uns hier auf die lateinischen Werke.
Vadians dichterisches Werk
Alle uns bekannten lateinischen Gedichte wurden zwischen 1510 (Erscheinungsdatum der kurzen Gedichte, die in den Editionen der Batrachomyomachie, des Walafrid Strabon und des Franciscus Niger enthalten sind) und spätestens 1519 (Veröffentlichung seines Gedichts auf Glareans Descriptio Helvetiae) entstanden.
Verschiedene von Vadian veranstaltete Editionen von Autoren der Antike, des Mittelalters und der Renaissance sind von Gedichten aus seiner Feder begleitet, die generell meist kurz sind (zwischen zwei und zweiundvierzig Versen); sie dienen als Einführung in das edierte Werk, dem Lob des Autors etc. (Sallust, Pomponius Mela, Batrachomyomachie, Albertus Magnus, Ulrich von Hutten, etc.). Insgesamt lassen sich 300 Verse derart Vadian zuschreiben, dazu kommt noch ein gutes Dutzend Verse, deren Autor nicht angegeben ist, sowie Verse die in Werken stehen, die von Freunden Vadians ediert wurden. Vadian veröffentlichte zudem in Tübingen mehrere seiner Jugendgedichte in einer Sammlung mit dem Titel Minusculae poeticae, die nicht mehr auffindbar ist. Einige Gelegenheitsgedichte wurden zu Lebzeiten ihres Autors nicht veröffentlicht; so das Gedicht mit dem Titel Ad poetices tyrones elegia («Elegien an die Schüler der Dichtkunst»), das wahrscheinlich ais den Jahren 1513-1514 stammt; zwei panegyrische Gedichte (ein epigramma und ein Hecatostichon ludicrum) an Kaiser Maximilian (wahrscheinlich aus dem Jahr 1515); der vier elegische Distichen umfassende Epitaph, den er anlässlich des Todes des Abts Franz von Gaisberg 1529 verfasste; ein Gedicht mit einem Umfang von fünf elegischen Distichen, das er anlässlich des Todes des Abtes Kilian Germann 1530 schrieb; und ein 35 elegische Distichen umfassendes Gedicht, das anlässlich der Übertragung der Reliquien des heiligen Gedicht nach St. Gallen 1528 entstand.
1511 erschien als Beigabe zu seiner Rede zum Weihnachtsfest ein 28 elegische Distichen umfassendes Gebet an die Jungfrau Maria mit dem Titel Eiusdem ad intemeratam virginem Mariam devota precatio.
1511 gab Vadian kurz nach dem tragischen Tod des jungen Glarner Humanisten (1483-1510), eines seiner Studiengenossen, eine Gedichtsammlung zu Ehren des Verstorbenen heraus. Das Werk enthält sechs Reden bzw. religiöse Gedichte von Strub selbst (besonders auf die heilige Ursula) sowie verschiedene Trauergedichte, die seine Freunde verfasst hatten. Vadian selbst veröffentlichte darin ausser einem Widmungsbrief an Zwingli und einem Brief an den deutschen Humanisten Peter Eberbach (Petreius Aperbacchus, ca. 1480-1531) auch verschiedene Gedichte: ein Gedicht an den Leser (drei elegische Distichen), fünf Trauergedichte in elegischen Distichen zu Ehren Strubs, ein langes Gedicht in elegischen Gedichte, das einen fiktiven Dialog zwischen Vadian und dem Tod wiedergibt, eine Ode zum Pfingstfest und die sechs letzten Verse des Bandes, die sich an die Kritiker richten.
1514 erschien in einem in Wien bei Singrenius erschienenen Band, der hauptsächlich eine lateinische Übersetzung des Werks An Nikokles des Isokrates enthält (übersetzt als De regno gubernando ad Nicoclem liber), ein langes Gedicht (einundzwanzig Seiten in daktylischen Hexametern) zum Ruhme der Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. Das ist der Text, der Vadian den Titel eines poeta laureatus einbrachte. Am Ende dieses Bandes stehen ausserdem drei von Vadian verfasste elegische Distichen zu Ehren des Kaisers mit dem Titel Ioachimi Vadiani hexastichon.
Vadian hat auch ein Gedicht in Hexametern über den Bodensee verfasst, woraus ein Ausschnitt von 29 Versen im Rahmen eines Briefes an Rudolf Agricola erschienen ist, der in einem in Wien bei Singrenius 1515 erschienenem Band enthalten ist. Dieser Band enthält einen Brief, in dem Rudolf Agricola Vadian um Auskünfte über die Pygmäen, die Antipoden und den Konstanzer See bittet, sowie die ausführliche Antwort Vadians, die auf den 22. Juni 1515 datiert ist. Die beiden Briefe wurden ein weiteres Mal 1522 abgedruckt im Kommentar zu Pomponius Mela. Vadian scheint das vollständige Gedicht niemals veröffentlicht zu haben, wie er auch in seinem Brief sagt.
1517 veröffentlichte Vadian seine autobiographische Ekloge Faustus zusammen mit einer Elegie über das Wappen seiner Familie; der zweite Text war schon 1515 einmal erschienen. Der 300 daktylische Hexameter umfassende Faustus wurde ein Jahr vor der Rückkehr Vadians nach St. Gallen geschrieben; es handelt sich um eine allegorische Darstellung seiner in Wien verbrachten Jahre, mit der er sich bei Kaiser Maximilian für die Berufung auf den Lehrstuhl für Bonae litterae bedankte, die dieser ungeachtet des Widerstands der Feinde Vadians vorgenommen hatte; Vadian ersetzte derart den Bolognesen Angelus Cospus. Vadian verfasste ausserdem eine Elegie über die Hochzeit zwischen dem polnischen König Sigismund und Bona Sforza (1518) sowie eine Elegie über die Aufnahme desselben Königs in den Orden vom Goldenen Vlies (1519). Diese beiden Werke sind verloren.
Schliesslich ist in der Descriptio Helvetiae Glareans von 1519, der auch den Kommentar des Myconius enthält, ist ein Gedicht von achtzehn elegischen Distichen Vadians mit dem Titel Ad Helvetiam enthalten (genauer Titel: Vadianus medicus, orator et poeta laureatus Helvetiam alloquitur; Vadian, Arzt, Redner und poeta laureatus, richtet das Wort an die Schweiz), in dem Vadian das Gedicht des Glarean rühmt.
Ein Theaterstück: der Gallus pugnans
Während seiner Ungarnreise 1513 hatte Vadian von Hahnenkämpfen gehört. Nach seiner Rückkehr schrieb er für seine Studenten eine Art Theaterstück, oder besser Dialog mit dem Titel Gallus pugnans, Der kämpfende Hahn, der 1514 in Wien erschien 1514.
Es handelt sich um eine Farce, deren Thema der Kampf der Hühner gegen die Hähne im Rahmen eines Prozesses ist. Der Text enthält keine Regieanweisungen, doch die Farce besitzt alle Merkmale eines Theaterstücks. Ob sie aufgeführt wurde, ist unbekannt, aber nicht ausgeschlossen, da Vadian bei anderen Gelegenheiten mit seinen Studenten Theaterstücke bzw. Sketche aufgeführt hatte.
Die Handlung ist einfach. Die Hühner strengen, vertreten durch ihren Anwalt, einen Menschen namens Philonicus («der Siegliebende»), einen Prozess gegen die Hähne an, die ihrerseits von Euthymus verteidigt werden (euthymia heisst Mut). Die Kapaune fungieren als Schiedsrichter und streben nach einem vernünftigen Prozessende. Die am Ende ist vom Parasiten Lichenor (dem «Speichellecker») vorgeschlagene Lösung besteht darin, das ganze Geflügelvolk im Kochtopf enden zu lassen.
Es handelt sich um eine Burleske mit vielen scherzhaften Elementen, Wortspielen und Klangmalereien, mit gelehrten Anspielungen und vielen Anspielungen auf antike und spätere Autoren – es sind etwa fünfzig: Platon, Lukian, Plinius der Ältere bis hin zu Pico della Mirandola, und darüber hinaus viele weitere grosse Namen der griechischen und römischen Literatur, die Kirchenväter, Albertus Magnus und selbst arabische Ärzte. Es werden in diesem Text Die meisten Erzählungen über Hähne und Interpretationen ihres Verhaltens thematisiert.
Vadians primäres Ziel ist es zweifelsohne, den Leser oder das Publikum zu amüsieren. Aber das Stück hat auch eine satirische Stossrichtung. Die Tiere verhalten sich wie Menschen, und Vadian geisselt hier menschliche Fehler: Konflikte aus nichtigen Gründen, menschliche Schwächen (Hochmut, Eifersucht, Eheprobleme); es geht auch um typische oder stereotype Verhaltensweisen der beiden Geschlechter (unterdrückte und ausgebeutete Frauen, abwesende Ehemänner). Vadian macht sich auch über die sterilen Diskussionen der Scholastiker über absurde Themen lustig, bei denen sie wahre Schlachten mit gelehrten Zitaten veranstalteten.
Die Korrespondenz
250 Briefe Vadians sind erhalten, doch es gab viel mehr. Er schrieb an seine Gefährten an der Wiener Universität: Johannes Camers (1447-1546), Johannes Cuspinianus (1473-1529) und Georg Tannstetter (Collimitius, 1482-1535), der sein Lehrer gewesen war. Er korrespondierte ausserdem mit einer Reihe von Persönlichkeiten, die das Geistesleben der deutschsprachigen Länder geprägt hatten: Jakob Wimpfeling (1450-1528), Johannes Reuchlin (1455-1522), Johannes Eck (1485-1543), Eobanus Hessus (1488-1540), Rudolf Agricola (1490-1521), Kaspar Ursinus Velius (1493-1539); und ausserdem mit seinen Landsleuten Johannes Comander (1485-1557; ab 1523 Reformator in Chur), Oswald Myconius (Reformator ab 1522), Heinrich Bullinger (1504-75) und Heinrich Glareanus (1488-1563).
Unter diesen Briefen finden sich (herausgegeben oder erwähnt) etwa dreissig Widmungsbriefe Vadians, die er als Einführung für verschiedene Werke verfasste (eigene Werke, Editionen antiker oder renaissancezeitlicher Texte, die er oder andere veranstaltet hatten etc.).
Diese Briefe, in denen Vadian seine humanistische Kultur zeigt, sind eine wichtige Quelle für das Leben und die Aktivitäten Vadians als Professor, Freund, Redner, Dichter, Erzieher, und Ratgeber. Sie bieten auch zahlreiche Informationen zum intellektuellen und politischen Leben der Epoche, besonders in Wien. In diesen Briefen begegnet uns ebenso die Spontaneität eines hastig hingeworfenen Billets wie der gedankenvolle Ernst eines Schreibens, das humanistischen Reflexionen gewidmet ist.
Die Reden
Zwischen 1510 und 1517 verfasste Vadian sieben Reden, von denen zwei verloren sind. 1510 hielt er im Namen der Universität zwei offizielle religiöse Ansprachen: die erste am 21. Oktober, dem Festtag der heiligen Ursula, anlässlich einer Messe in der Dominikanerkirche über das Martyrium der Heiligen; die zweite, über die Geburt Jesu Christi, anlässlich der Weihnachtsmesse der Universität im Stephansdom – die Rede beschäftigt sich dennoch vor allem mit dem Thema der humanistischen Bildung.
1515 erhielt Vadian von der Universität den Auftrag, sie mit zwei offiziellen Reden auf dem ersten Wiener Kongress zu vertreten. In einer ersten Rede (von der er nur eine kurze Zusammenfassung vortragen konnte) wandte er sich an Kaiser Maximilian, in der zweiten an den polnischen König Sigismund I. (es ist unbekannt, ob er sie in dessen persönlicher Gegenwart halten konnte). 1516 verfasste er noch eine Traueransprache für den ungarischen Jagellonenkönig Wladislaw II.
Editionen und Kommentare
Zwischen 1510 und 1517, edierte Vadian – häufig in Zusammenhang mit einer Vorlesung über diesen oder jenen Autor oder dieses oder jenes Werk – eine grosse Anzahl von lateinischen Texten, wobei er sich meist darauf beschränkte, auf frühere Ausgaben zurückzugreifen. Er liess zum Beispiel das Hochzeitsgedicht über Peleus und Thetis von Catull (Cat. 64) drucken, ferner etwa Ciceros De officiis, die Verschwörung des Catilina und den Jugurthinischen Krieg des Sallust, das siebte Buch Plinius des Älteren und die Mirabilium divinorum libri des Coelius Sedulius. Er edierte zugleich die lateinischen Übersetzungen der Hekuba und der Iphigenie in Aulis von Erasmus, die der Batrachomyomachie (die er irrtümlich Johannes Reuchlin/Capnio zuschrieb) und die der Reise um die Welt des Dionysios Periegetes von Rufus Festus Avienus. Er gab auch Werke des Albertus Magnus heraus (Philosophiae naturalis isagoge), ferner des Beda Venerabilis (Gedichte), des Lorenzo Valla (Dialogus de libero arbitrio), des Giovanni Pontano (Meteorum liber) und des Ulrich von Hutten (Gedichte).
Die Erziehung ist ein bei den Humanisten beliebtes Thema. 1511 veröffentlichte Vadian drei Abhandlungen zu diesem Thema. Die erste ist eine Ausgabe von De ingenuis moribus et liberalibus studiis (über den Jugendunterricht), eine Anfang des 15. Jahrhunderts von Pier Paolo Vergerio dem Älteren verfasste Schrift (hier unter dem Titel De ingenuis moribus opus abgedruckt). Die zweite ist die von Leonardo Bruni angefertigte Übersetzung des griechischen Traktats An die jungen Leute: auf welche Weise man von den griechischen Schriften profitieren soll des Basilius von Caesarea; der Kirchenvater schlägt darin eine Auswahl von Texten vor, die die jungen Christen lesen können (hier trägt die Schrift den Titel De gentilium poetarum et oratorum legendis libris liber unus). Die dritte ist die von Rudolph Agricola (1444-1485) verfasste Übersetzung des Werks An Demonikos von Isokrates (über die Erziehung der Jugend; hier unter dem Titel Paraenesis ad Demonicum abgeduckt). Im Widmungsbrief an die drei jungen Österreicher Sigismund von Puchheim, Ulrich von Eytzing und Wofhart Strein, erklärt Vadian ihnen, wie nützlich diese Abhandlungen seien, um dadurch tugendhafter zu werden.
Vadian ist vor allem bekannt für seine kommentierte Edition des Pomponius Mela (1. Jh. n. Chr.; sein geographisches Werk De situ orbis libri III bzw. De chorographia ist eine Beschreibung der den Griechen und Römern bekannten Welt). Die erste Ausgabe dieses Textes erschien 1518, aber man greift meist nach der vollständigeren Ausgabe von 1522. Die Scholien kommentieren das Werk des Mela, doch darüber hinaus bieten sie Vadian auch Gelegenheit, Exkurse zu ganz verschiedenen Themen zu verfassen: dem Schlaf, den Träumen, dem Tod und dem Leben nach dem Tod, den Mythen, seinee Heimat, der Schweiz, dem Pilatus etc. Vadian stützt sich hier auf die Autorität antiker Geographen, aber auch auf seine eigenen Kenntnisse und die seiner Zeitgenossen. Melas Text und den Scholien sind rudimentaria in geographiam catechesis von zwanzig Seiten Umfang vorangestellt, in denen Vadian eine Definition der Geographie bietet, Überlegungen zu ihrer Nützlichkeit anstellt und ihre Methode schildert (Bedeutung von Karten etc.). Erwähnen kann man zudem einen eigenhändigen handschriftlichen Kommentar zu den Kapiteln 1-21 des Apologeticum des Tertullian, der wahrscheinlich um 1530 herum entstand. Abschliessend sei noch vermerkt, dass Vadian sich an einem Kommentar zum zweiten Buch der Naturalis historia des Plinius d. Ä. Beteiligte (in dem der römische Naturforscher die Kosmologie, die Astronomie und die Geologie behandelt).
Die Poetik: De poetica et carminis ratione
De poetica et carminis ratione ging aus einer 1513 gehaltenen Vorlesung hervor und erschien 1518; das Werk beschäftigt sich mit Fragestellungen zur Dichtkunst. Die Abhandlung stellt das Wesen der Dichtkunst seit der Antike bis hinein in die eigene Zeit dar und bietet einen Katalog antiker und zeitgenössischer Autoren. Es handelt sich um einen der ersten literaturgeschichtlichen Essays; es ist «le premier traité poétique de la Renaissance édité en langue latine qui nous soit parvenu complet» («der erste uns vollständig erhaltene Renaissancetraktat über die Dichtkunst in lateinischer Sprache»). Das Werk ist in drei grosse Abschnitte gegliedert: 1. die Geschichte der Dichtkunst (Definition und Ursprung der Dichtung, Dichterkatalog, die poetischen Gattungen); 2. die Ausbildung (Vadian stellt besonders die Frage, ob es die Natur (natura) oder die Kunst ist (ars), die einen Menschen zum Dichter macht; er beschäftigt sich auch mit der Frage nach der Inspiration, dem furor poeticus, den er mit der Gnade des Heiligen Geistes identifiziert); 3. die Rolle des Dichters und der Dichtkunst unter den Künsten (es geht hier vor allem um die ersten Dichter, die Theologen waren; die Dichtkunst steht nicht im Widerspruch zum Glauben; es ist für einen Christen notwendig und legitim, die antiken Autoren zu lesen). De poetica ist tatsächlich «une méthode d’éducation (studii ratione), dans la lignée du traité De ratione studii, publié par Érasme en 1512» («ein methodischer Leitfaden für die Erziehung (studii ratione), der auf der Linie des Traktats De ratione studii liegt, den Erasmus 1512 veröffentlicht hatte»).
Spricht man von Vadians Poetologie, so verdient auch ein Altersbrief des zum Bürgermeister und Reformator gewordenen Humanisten an den jungen Rudolf Gwalther Erwähnung, in dem er dessen Bibeldrama Nabal lobt und sich dabei grundsätzlich über die bessere Eignung des Alten Testaments für eine poetische Bearbeitung im Vergleich zum Neuen Testament auslässt und infolgedessen prominente Bibelepiker der Antike (wie Juvencus) und des Humanismus (wie Marcus Hieronymus Vida) verwirft, die sich dem Neuen Testament gewidmet hatten; er revidiert damit faktisch frühere eigene ästhetische Urteile, die er in seiner Poetik von 1518 noch vertreten hatte.
Die Geographie
Oben wurde bereits der Kommentar zu Pomponius Mela erwähnt. Erwähnt sei ausserdem, dass Vadian 1534, als er sich schon gut fünf Jahre in St. Gallen befand, seine Epitome trium terrae partium veröffentlichte, eine allgemeine Darstellung der Geographie, in der er sich besonders für die im Neuen Testament erwähnten Orte interessiert.
Das Geschichtswerk
In den 1530ern veröffentlichte Vadian auf Latein eine Studie über die mittelalterlichen Quellen über die deutschen Konvente und Klöster mit dem Titel Farrago de collegiis et monasteriis Germania («Vermischte Mitteilungen über die Konvente und Klöster in Deutschland»), die erst 1606 von Melchior Goldast veröffentlicht wurde. Im selben Band ist ein Teil seiner historischen Studie über die vier Zeitalter des Christentums erschienen.
Die Theologie
1522 verfasste Vadian die Brevis indicatura symbolorum, die im Wesentlichen aus einer Erklärung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses besteht; Vadian hat diesen Text nicht veröffentlicht. 1536 veröffentlichte er (an Konrad Pellikan adressiert) ein historisches Werk über die Eucharistie, die Aphorismorum libri sex de consideratio eucharistiae. 1542 erschien sein Werk Pro veritate carnis triumphantis Christi […] (Zürich, Froschauer, 1542). Ebenfalls in den 1540ern verfasste er die Schrift Aequivoca nomina christiana ad religionem pertinentia, einen Katalog und eine Studie über theologische Begriffe, die den Gegenstand von Kontroversen bildeten (Kirche, römische Kirche, Papst, Glauben, Sakramente); sie blieb Manuskript.
Bibliographie
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