Gedicht über den Bodensee

Joachim Vadian

Einführung: Kevin Bovier (deutsche Übersetzung: Clemens Schlip). Version: 10.02.2023.


Entstehungsdatum: der Brief des Joachim Vadian an Rudolf Baumann setzt den 15. November 1515 als terminus ante quem fest.

Ausgaben: Rudolphi Agricoli […] ad Ioachimum Vadianum […] epistolam […]. Ioachimi Vadiani […] ad eundem epistolam […] ratio explicatur, Vienne, Singrenius, 1515, fol. Diiro-vo; Pomponius Mela […] cum commentariis Ioachimi Vadiani […], Basel, Cratander, 1522, fol. Gg4ro-vo.

Metrum: daktylischer Hexameter.

 

Dieses Gedicht gehört zu den Sylven Joachim Vadians; der Auszug, den wir hier präsentieren, wird von Vadian selbst in einem 1515 in Wien veröffentlichten Brief zitiert und 1522 in seinem Kommentar zu Pomponius Mela wiederaufgegriffen. Dieses Fragment steht für sich alleine, da die Sylven niemals veröffentlicht wurden und heute verloren sind. Vadian verspricht seinem Korrespondenten, nachdem er das Gedicht unterbrochen hat: «Du wirst den Rest lesen können, wenn es veröffentlicht ist.» Nach Rudolf Gamper fand die Veröffentlichung nicht statt, weil Vadian sich nach der Reformation von seinen Jugendgedichten distanzierte; man weiss im übrigen nicht, wann er es sich vom Halse geschafft hat.

Der erhaltene Ausschnitt wird im Rahmen des Briefwechsels zwischen Rudolf Baumann (genannt Agricola) und Vadian zitiert; beide gehörten zur sodalitas Collimitiana. Als Vadian in Wien unterrichtete, bat Baumann ihn schriftlich um Mitteilung seiner Ansichten zu einigen altertumswissenschaftlichen Themen. Dabei fällt ein besonders Interesse für den Bodensee auf, der im Altertum einen Doppelnamen trug, Acronius et Venetus lacus. Baumann, der aus Wasserburg, einer Ortschaft am Bodenseeufer, stammte, interessierte sich daher für seine Ursprünge.

Die Gliederung des Gedichts ist folgende:

1-3: Musenanruf

4-8: zwei antike Namen und Bekanntheit des Bodensees

9-16: Verlauf des Rheins bis zum Bodensee

17-26: Etymologie des Sees

17-19: Ausdehnung des Sees       

19-21: Etymologie von Acronius

22-26: Etymologie von Venetus

27-30: Verlauf des Rheins ab dem Bodensee

Die Hauptquelle Vadians für dieses Gedicht ist das Werk De Chorographia von Pomponius Mela, der als einziger antiker Autor den doppelten Namen des Sees erwähnt (3,24). Die Passage über den Rhein und die rhätischen Alpen ist vielleicht von der Germania des Tacitus inspiriert. Vers 29, in dem es auch um den Rhein geht, ist eine unverkennbare Nachahmung Martials.

Vadian leitet sein Gedicht ein, indem er genau angibt, dass es am Ende des zweiten Buches seiner Sylven stand.