Exkursion auf den Uetliberg

Theodor Ambühl (Collinus)

Einführung: David Amherdt (deutsche Übersetzung: Clemens Schlip). Version: 10.02.2023.


Entstehungsdatum: 1551.

Ausgaben: J. Fabricius Montanus, Poemata. Sylvarum liber unus […], Zürich, Gessner, 1556, 32-35; H. Schmitz, Arkadischer Uetliberg. Theodor Collins De Itinere ad Montem Utliacum, Zürich, Rohr, 1978, 14-21 (Ausgabe, Übersetzung und Kommentar); J. Fabricius Montanus, Poèmes latins. Introduction, édition, traduction et commentaire, hg. von D. Amherdt, Basel, Schwabe, 2018, 158-167.

Metrum: elegische Distichen.

 

Dieses Gedicht beschreibt die Exkursion auf den Uetliberg, einen kleine Hügel oberhalb von Zürich, die eine Gruppe von Schülern unter der Führung des Johannes Fabricius Montanus unternahm. Der Text wurde in der ersten Person Singular von einem der Teilnehmer verfasst, Theodor Collinus, dem Sohn des Rudolf Ambühl (Collinus). Der Leser nimmt zuerst Anteil an der unruhigen Nacht des Knaben, der es gar nicht erwarten kann, das Abenteuer endlich beginnt (V. 1-14), dann wird sein Aufstehen beschrieben (V. 15-18) und anschliessend der Spaziergang der Schüler (ab V. 19), ihre botanischen Erkundungen (V. 31-32), ihre bewundernde Betrachtung der Naturschönheiten (V. 33-44), ihre Spiele (V. 45-48), ihre lateinischen Exerzitien (Vergildeklamationen, V. 59-82), ihre Rast (V. 55-57), ihre Lobgebete (V. 35-36) und ihre Danksagung (V. 58) und schliesslich ihr Nachhauseweg.

Theodor Ambühl wurde 1535 geboren. 1551 muss er sich am Ende seiner Sekundarausbildung oder am Anfang seiner höheren Studien (lectiones publicae) befunden haben. Nach Studienaufenthalten in Strassburg und Marburg wurde er später Pastor und ging verschiedenen pädagogischen Tätigkeiten nach. Montanus war seit dem 1. Januar 1551 paedagogus des Pensionats (Collegium minus) des Fraumünsters. Die Deklamationsübungen der Knaben im Rahmen dieser botanischen Exkursion legen nahe, dass man es hier mit Schülern am Ende der Sekundarschule zu tun hat. Dieser Text vermittelt ein sehr lebendiges Bild der erzieherischen Praktiken (Deklamationen, Botanik, körperliche Übungen), die damals im reformierten Zürich üblich waren; auch das Gedicht selbst ist im Übrigen ein schönes Beispiel für die Texte, die Schüler damals produzierten. Die Schönheit der Natur, die als locus amoenus beschrieben wird, wird in diesem Gedicht verherrlicht; sie erhebt die Herzen zu Gott (V. 35-36), dem Gott, zu dem Theodor beim Aufstehen betet und dem die Knaben nach ihrer Rast eine Danksagung darbringen. Dies belegt eindrücklich die Bedeutung, die der Religion in der damaligen Erziehung zukam. Dieser Gott verträgt sich gut mit den in einem solchen Gedicht unvermeidlichen heidnischen Gottheiten, mag es sich dabei um die Göttinnen vom Uetliberg, um Aurora, um Tithon oder um die Musen handeln. Dieser Gott ist ein «Protestant», der es geschafft hat, die Ordensfrauen zugunsten der (reformierten) Musen des Montanus aus dem Fraumünster zu vertreiben (V. 19-22)! Vergil ist das Hauptmodell des Theodor Collinus, besonders die Bucolica, die er übrigens mit seinen Kameraden deklamiert. Sie tun dies unter der Anleitung ihres Lehrers Montanus, der von seiner Gattin Agathe begleitet wird. Sie ist Theodors Schwester und kümmert sich auch um die Verpflegung der kleinen Truppe. Aber auch der Vergil der Aeneis prägt dieses Gedicht, besonders die ersten achtzehn Verse, und verleiht so dieser doch eher bescheidenen Exkursion eine epische Anmutung!

 

Bibliographie

Schmitz, H., Arkadischer Uetliberg. Theodor Collinus De Itinere ad Montem Utliacum, Zürich, Rohr, 1978.

Zeller, R., «Collinus (Ambühl), Theodor Jodocus», in: Frühe Neuzeit in Deutschland 1520-1620. Verfasserlexikon 2 (2012), 13-15.