Brief an Joachim Vadian
Traduction (Allemand)
Traduction: Clemens Schlip (französischer Originaltext der Anmerkungen von Kevin Bovier)
Er bekundet seine äusserst grosse Bereitschaft, seine Neigung zum Ausdruck zu bringen und zu handeln. Hochgelehrter Vadian, so gross ist das Ausmass der Menschlichkeit, die Du mir erweist (obwohl meine Verdienste dies kaum erfordern), dass ich gestehe, dass meine Möglichkeiten, dies zu entgelten, ungenügend sein werden. Du hast nämlich mich, den Du niemals vorher gesehen hattest und dem Du durch keine Wohltat verpflichtet warst, zunächst mit dem vortrefflichen Buch des Pomponius Mela beschenkt, den Du mit Deinen qualitativ hochstehenden Kommentaren erläutert hast; hierauf hast du mich für würdig befunden, sehr viele stilistisch sehr hochstehende Briefe von Dir zu erhalten.
Was soll ich also dem Herrn zurückgeben für alles, was er mir zurückgegeben hat? Drei Gründe hindern mich, sodass ich die bereits wechselseitig unter uns geschlossene Freundschaft nicht mit ähnlichen Briefen pflegen kann. Erstens (ach!) mangelt es mir an literarischer Bildung. Ab meinem vierzehnten Lebensjahr nämlich haben mich meine Vormünder und die meines Bruders (wir waren nämlich vaterlose Waisen), von jedem wissenschaftlichen Studium abgezogen. Von jenem bruchstückhaften Wissen, das ich in diesen zarten Jahren gesammelt hatte, habe ich nichts behalten, als dass ich gelehrte Männer (von überall her) verehre und ihr Wirken auf das Eifrigste begleite; und ich habe Deine Herrschaft auserwählt und an die Spitze des Buches gesetzt. Daher glauben viele (aber fälschlich), dass ich über wissenschaftliche Bildung verfüge, indem sie sich auf gut Glück auf den Satz des Aristoteles verlassen, dass Gleiches dem Gleichen Applaus klatscht; diese Regel ist aber, was mich angeht, in vielfacher Weise falsch. Der zweite Grund ist, dass ich von der Verwaltung unseres Staatswesens so in Beschlag genommen werde, dass ich nur wenig Möglichkeit habe, an meine Freunde zu schreiben. Manchmal bildete auch der Mangel an Boten ein Hindernis.
Aber da ich derartige Geschäfte niedergelegt habe, habe ich, nachdem ich die letzten Briefe Deiner Herrschaft vom Hauptmann Hersch (einem gemeinsamen Freund) erhalten hatte, entschieden, keine Rücksicht auf meine Unzulänglichkeiten zu nehmen, und, wenn schon nicht die eigentlich geschuldete Gegenleistung, doch zumindest die zu erbringen, zu der ich in der Lage war. Ich freute mich also, weil ich aus Deinem höchst angenehm zu lesenden Brief erfuhr, dass Du in Deiner Heimat bleiben wirst und dass die besten Patrizier Eures Staatswesens bei der Besetzung eines jährlich neu zu besetzenden Amtes in so überaus gerechtfertigter Weise einen so bedeutenden Mann berücksichtigt haben, dessen Arbeit, Eifer und Geschicktheit den Ruhm der ganzen Eidgenossenschaft und unserer Schweiz nicht nur mehren, sondern auch vor Rivalen aufs trefflichste verteidigen konnte.
Ich hatte unseren gemeinsamen Freund, den hochgelehrten Glarean, von dem Du (fälschlich) gehört hattest, er sei gestorben, gebeten und vielfach mit Bitten bedrängt, die Aufgabe einer derartigen Verteidigung auf sich zu nehmen und dafür den Streit, den er aus Hass auf die parva logicalia in Basel gegen die Männer von jenseits des Rheins bzw. die Schwaben führte, aufzugeben, und ich hoffte, dass er dies tun werde; ich hatte beschlossen, ihn mit ganz und gar wahrheitsgemässen Argumenten auszustatten. Aber da ich im gleichen Jahr – 1515 – nach Syrien gereist war, um das Grab des Herrn zu sehen und während meiner Pilgerreise unsere Schweizer Sache bei den Insubrern ein grosses Unglück erlitten hatte, gab es schliesslich keine weitere Gelegenheit mehr, mit Glarean, diesem vortrefflichsten Manne, zu sprechen, weil jener für die Ausbildung junger Schweizer Scholaren auf die Bitten der erhabenen Männer, die unserem universalen Bunde vorstehen (welche Bitten ich als Gesandter beim allerchristlichsten König Frankreichs vorgebracht habe), von seiner Majestät nach Paris gerufen wurde und für einen hohen Lohn angestellt wurde, und schon ist er nach einer weiteren Lohnerhöhung zum königlichen Dichter ernannt worden.
Deshalb habe ich alle meine Hoffnung auf Verherrlichung unserer Schweiz auf Deine Herrschaft gesetzt, die sich mit einer so bedeutenden Geschichte ihrem Namen ein immerwährendes Fortleben verschaffen wird. Ich würde mich also sehr freuen, wenn ich mich einige Tage bei Dir aufhalten und Dich hinsichtlich der zwei ganz und gar falschen Schmähungen informieren könnte, durch die unsere Rivalen (die Schwaben und die übrigen) den Ruhm unserer Schweiz beflecken wollten, und dass sie ihre Soldaten (fälschlich) Lanzenträger zu nennen wagen, abgeleitet vom guten Führen oder Handhaben der Lanzen, wie jener lächerliche und verleumderische Heinrich Bebel fantasiert hat. Die etymologische Ableitung seines Namens ist mir nicht unbekannt, und ich werde sie Dir – nicht ohne dabei ein sardonisches Gelächter anzustimmen – eines Tages erläutern.
Wenn der beste und grösste Gott es gestattet, werde ich mich einem anderen Aufgabengebiet widmen: Nämlich die geographische Lage unserer Schweiz gemäss der wahren kosmographischen Methode darzustellen von der Quelle der Rhone durch den Genfer See hindurch bis zu den Engpässen des Jura-Gebirges, durch das jener hochgefeierte Fluss zum fruchtbareren Teil Frankreichs hin abbiegt; und hierauf wendet er sich am Fuss dieses Gebirges zu den Engpässen des Berges, den man nun allgemein Hauenstein nennt und der meiner Meinung nach die Schweiz von den Rauraken trennt. Die restliche geographische Lage in östlicher Richtung bis zur Rheinquelle werde ich einem anderen Interessierten überlassen, der dafür besser geeignet ist. Mir wird es nämlich genügen, wenn ich durch den von mir betriebenen Aufwand dafür sorgen kann, dass dieser westliche und nördliche Teil mit einer Beschreibung der alten Bürgerschaften, deren Ruinen man sehen kann, und der modernen Städte und der Berge, Flüsse und jüngeren Plätze bemerkt wird. Ich werde dies nicht versuchen, ausser in Anwesenheit Deiner Herrlichkeit (wenn es mit Deiner Nachsicht und zu Deiner Bequemlichkeit geschehen kann) und auch nicht ohne eine von Deinen Händen geschriebene Beschreibung und Messung. Dann wirst Du bemerken, Du wirst sehen und urteilen, leutseligster Vadian, dass nach dieser östlichen Seite hin der Teil der Schweiz liegt, den einige auf Basis der Kosmographen für fruchtbares Ackerland gehalten haben. Ich hätte mich mit diesem Werk, wenn es zur Bequemlichkeit Deiner vortrefflichsten Herrschaft hätte geschehen können, in diesem Jahr beschäftigt, wenn nicht eine erneute Pilgerreise nach Syrien, die ich um Ostern herum beginnen werde, dem entgegenstünde. Wir werden dies also auf einen anderen Zeitpunkt verschieben.
Ich hoffe nämlich auf eine glückliche Heimkehr von dieser meiner Reise, da ich wenig später aufbrechen will, um die bätischen und lusitanischen Regionen und die ganze hispanische Halbinsel zu bereisen. Mich treibt dazu nämlich die Lust daran, fremde Orte zu besuchen, da ich anderenfalls, wenn ich in meiner Heimat bleibe, so fett und dick werde, wie ich war, als Du mich (den du zuvor nie gesehen hattest) das erste Mal kennenlerntest.
Ich hatte diesen Brief schon vor einigen Tagen diktiert, wozu mich meine eifrige Liebe zu Dir anregte, weil Du mich argumentativ durch Deine überaus grosse Menschlichkeit dazu gebracht hat, dass ich niemals aufhören werde, Dich zu lieben, weil Du meine Liebe in höchstem Masse verdienst. Und siehe, da reiste hier gerade der allerhöchstgelehrte und menschlich ganz vortreffliche Herr Johannes Dantiscus33 – der Dich ganz ausserordentlich liebt – durch, ein goldener Ritter und ein höchst würdiger Pole; indem ich eine nicht nur in unserer Stadt, sondern im ganzen Schweizer Bund übliche, zutiefst menschenfreundliche Sitte befolgte (da ja die Schweizer Gäste und Ankömmlinge gastfreundlich zu geleiten und äusserst wohlwollend aufzunehmen pflegen) und weil ich erfahren hatte, dass ein Jerusalem-Ritter angekommen sei, der im Begriffe stand, auf eine Pilgerreise zum heiligen Jakobus in Galizien aufzubrechen, lud ich noch drei andere Edelleute aus unserem Rat zum Essen ein, und wir leisteten ihm Gesellschaft. Wir gerieten in eine sehr angenehme Tischunterhaltung hinein, in der der äusserst eloquente Ritter unsere Schweiz und ihren hochgefeierten Bund sehr rühmte; ausserdem begannt er sich sehr eifrig nach seinem Freund Joachim Vadian zu erkundigen. Als ich erklärte, dass ich ein spezieller und sehr anhänglicher Freund dieses Vadians sei, bin ich von keinem anderen Menschen jemals lieber angehört worden als von jenem Ritter. Um also meiner wahrheitsgemässen Aussage sofort einen tatkräftigen Beweis hinzuzufügen, liess ich uns Deine Kommentare bringen, ein Geschenk, dessen Du mich für würdig gehalten hast. Aber jener belehrte mich in einem Moment anhand mehrerer Textstellen, in denen Du ihn im dritten Buch erwähnt und über alle Massen gelobt hast, und er hat an Deine Herrschaft einen sehr liebeswürdigen Brief geschrieben, der Zeugnis ablegt von Eurer wechselseitigen Freundschaft; ich beschloss, ihn nach der Schweizer Tagsatzung in Zürich an Dich abzuschicken, und ich hätte dann auch diesen hier vorliegenden Brief an Dich geschrieben, wenn nicht die eilige Rückkehr unseres Gesandten dies verhindert hätte. Ich will, dass Du das weisst. Lebewohl, einzigartige Zierde der Schweiz und mein Schutzherr, und habe mich weiter lieb, wie Du es zu tun pflegst.
Freiburg in der Schweiz, den 18. Februar 1519
Dein Dir im höchsten Masse ergebener Peter Falk, Ritter vom goldenen Sporn.
An den hochgelehrten und überaus erfahrenen Mann, Herrn Vadian aus der Schweiz, einen ausgezeichneten Lehrer der Künste und der Medizin, einen Herrn und Lehrer, den er auf ganz besondere Weise im Auge behalten muss.
Bei Sankt Gallen.