Monomachie

Rudolf Gwalther

Einführung: Clemens Schlip (traduction française: Kevin Bovier et David Amherdt). Version: 10.02.2023.


Entstehungszeitraum: August/September 1540 bis März 1541.

Ausgabe: Monomachia Davidis et Goliae, & Allegorica eiusdem expositio, Heroico carmine descripta, una cum aliis quibusdam, quorum catalogum sequens pagella exhibet omnia, Zurich, Froschauer, 1541, fol. 1r°-v°, 10r°-11r°, 15r°-v°, 21r°-22r°, 25v°-26r°, 29r°-31v°.

Metrum: daktylischer Hexameter (grundsätzliches Metrum des Epos), elegisches Distichon (Inhaltsangaben), sapphische Strophe (für ein in das Epos integriertes, paraphrasiertes und ausgeweitetes biblisches Canticum).

 

Gwalther verfasste sein drei Bücher umfassendes Versepos Monomachia während seiner Marburger Studienzeit. Am 4. August 1540 bat er Heinrich Bullinger um eine Themenvorgabe, die dieser ihm umgehend lieferte (wofür sich Gwalther in einem Brief vom 15. September bedankte). Am 11. März 1541 sandte Gwalther das fertige Manuskript an den Zürcher Verleger Christoph Froschbauer. Die kurzen, leicht fassbaren Inhaltsangaben (argumenta) zu den einzelnen Büchern, die dem Gedicht vorangestellt sind (wir geben sie unten wieder), könnten darauf hindeuten, dass Gwalther anstrebte, seinem Werk Eingang in den Schulunterricht zu verschaffen. Vermutlich hat Heinrich Bullinger am 22. September dieses Werk seines Zöglings einem Brief vom 21. September 1541 an Joachim Vadian beigelegt.

Die biblische Vorlage für die ersten beiden Bücher ist der alttestamentliche Bericht über David und Goliath in 1 Sam 17-18: Die Philister fallen in dem von König Saul regierten Israel ein. Als es im Tal der Terebinthen zu einer Begegnung der beiden Heere kommt, fordert der riesig gewachsene philistinische Krieger Goliath die Israeliten auf, ihm einen der ihren zum Zweikampf zu schicken und den Krieg auf diese Weise zu entscheiden. Die Israeliten fürchten sich. Da kommt aber der junge Hirte David hinzu, der drei seiner älteren Brüder im Heerlager besucht. Er erfährt, was vorgefallen ist, und dass Saul als Belohnung für einen Mutigen, der sich Goliath zu stellen bereit ist, viele Reichtümer und die eigene Tochter als Belohnung ausgesetzt hat. David erklärt sich zum Kampf bereit. Da er an richtige Waffen nicht gewöhnt ist, tritt er dem schwer bewaffneten Goliath nur mit Hirtenstab und einer Schleuder entgegen. Er tötet ihn mit einem Steinwurf und trennt den Kopf des Philisters mit dessen eigenem Schwert ab. In der Folge fliehen die Philister; die Israeliten setzen ihnen nach und erringen einen grossen Sieg. Gwalther greift dieses Geschehen auf und gestaltet es zu einem an den antiken Mustern geschulten Epos aus. Das dritte Buch widmet sich anschliessend der Heilsbedeutung und den Heilstaten Christi. Dieser Themenwechsel ist nicht willkürlich, sondern fügt sich in die traditionelle christliche Deutung Davids als typologisches Vorbild für Jesus Christus. Die Dreizahl der Bücher der Monomachia wird man vielleicht als symbolisches Bekenntnis zur göttlichen Dreifaltigkeit deuten können.

Die ausgewählten Texte stammen aus allen drei Büchern des Epos und ermöglichen so einen repräsentativen Einblick. Besondere Erwähnung verdient dabei die Beschreibung von Goliaths Schild aus dem ersten Buch. Auf diesem finden sich der Kampf der Giganten gegen die olympischen Götter und der Turmbau zu Babel dargestellt; die Hybris des Goliath wird hier in Form einer Mise en abyme also sowohl in einer Geschichte der heidnischen Mythologie als auch innerhalb der biblischen Geschichte (Gen 11) reflektiert. Zur Darstellung der Gigantomachie fügt sich, dass Gwalther den Goliath immer wieder als gigas bezeichnet. Die beiden Darstellungen, die die Giganten und die Turmbauer verherrlichen (besonders die Giganten sind gerade auf dem Gipfel ihres Erfolges dargestellt), blenden freilich den Ausgang dieser Unternehmungen aus, der jedem auch nur oberflächlich mit diesen Gegenständen vertrautem Leser bekannt ist; sie scheiterten wie auch Goliath in seinem Kampf gegen das erwählte Gottesvolk zum Scheitern verurteilt ist. Dass er sich seinen Schild auf eine solche Weise hat verzieren lassen, erscheint mithin als Teil seiner hybrishaften Fehleinschätzung der Gesamtsituation. In den Partien aus dem zweiten Buch verdient es besondere Erwähnung, dass der Leser Davids Heldentat in Form eines Apologs erhalten; Davids Bruder Samma erstattet ihrem gemeinsamen Vater Jesse persönlich Bericht. Ferner ist in diesem Buch eine metrische Besonderheit zu konstatieren: Gwalther bricht zur Wiedergabe des Lobgesangs der Israelitinnen auf den heimkehrenden David – einer ausführlicher poetischen Paraphrase und Ausschmückung ihrer in der Bibel nur kurz erwähnten Lobbekundungen (1 Sam 18,6-7) – aus dem epischen Hexameter aus und in eine Odenform (Sapphicum) überwechselt, was gegenüber den klassischen antiken epischen Vorbildern einen bemerkenswerten Unterschied darstellt. Diese Innovation ist jedoch schon in der spätantiken Bibelepik vorgezeichnet und ist ein Merkmal der lateinischen Bibelepik der Frühen Neuzeit. Die ausgewählte Partie aus dem dritten Buch macht beispielhaft deutlich, wie Gwalther Christi Rolle im Heilsplan Gottes herausstellt und dabei bis zum Anfang der Welt zurückblickt.

Auf die von Ralf Georg Czapla vorgelegte Interpretation des Epos als «antikatholische Programmdichtung des reformierten Schweizer Protestantismus» sei hier nachdrücklich hingewiesen; sie entzieht sich in ihrer Komplexität einer kurzen Zusammenfassung.

Grundsätzliche Bemerkungen zum Genos der Bibelepik der frühen Neuzeit bieten wir an anderer Stelle. Hier sei aber zumindest darauf hingewiesen, dass die 1540/41 entstandene Monomachia Gwalthers sich als Teil eines sich damals im deutschsprachigen Raum Bahn brechenden literarischen Trends erweist und ihren Platz noch recht zu seinem Beginn hat. Dass Gwalther einen alttestamentlichen Stoff behandelt, lässt sich als Teil eines literarischen Trends in der damaligen reformierten Eidgenossenschaft ansehen; in seinem auf diesem Portal ebenfalls präsentierten Drama Nabal von 1550 ist er ebenso vorgegangen. Vadian spendete diesem Drama in einem Brief an Gwalther überreiches Lob und hob in diesem Zusammenhang die grössere Eignung alttestamentlicher Stoffe für eine poetische Adaptation im Vergleich zum Neuen Testament hervor. Dass er sich in diesem Zusammenhang auch abwertend über ältere (Juvencus, Arator) und einen neueren (Marco Girolamo Vida) Bibelepiker äussert, die das Neue Testament traktiert hatten, wird Gwalther wohl nicht unbedingt gefallen haben; besteht doch das dritte Buch der neun Jahre zuvor erschienenen Monomachia zu einem nicht unbedeutenden Teil auch aus poetischen Paraphrasen neutestamentlicher Inhalte. Die Monomachia entzieht sich so einer ganz eindeutigen Klassifikation als alt- oder neutestamentliches Bibelepos.

Eine kurze Erwähnung verdient noch das Titelbild der Ausgabe von 1541: Es zeigt Goliath und David in einer für die Entstehungszeit typischen Gewandung. Goliath ist als Ritter dargestellt. Zwar ist er deutlich grösser als David, doch das Monströse, das ihm das Gedicht bescheinigt, kommt in dieser Darstellung nicht recht zur Geltung. Evtl. Illustration einfügen.

Insgesamt betrachtet handelt es sich bei der Monomachie Gwalthers um ein durchaus qualitätsvolles und interessantes literarisches Werk, das eine eingehendere wissenschaftliche Betrachtung, besonders eine moderne Edition (inklusive Gesamtübersetzung und Kommentar) verdient hätte.

 

Bibliographie

Czapla, R.-G., «‘Das unheilvolle Haupt des Aberglaubens’. Rudolf Gwalthers Monomachia Davidis et Goliae als antikatholische Programmdichtung des reformierten Schweizer Protestantismus», in: Hermann Wiegand (Hg.): Strenae nataliciae. Neulateinische Studien. Wilhelm Kühlmann zum 60. Geburtstag, Heidelberg, Manutius, 2006, 37-53.

Czapla, R.-G., Das Bibelepos in der frühen Neuzeit. Zur deutschen Geschichte einer europäischen Gattung, Berlin/Boston, De Gruyter, 2013.