Über die Vorsehung

Traduction (Allemand)

1. Der Papst und die Königin von England; England und Schottland (3vo-4ro)

Theocritus: [...] Aber ich komme zu dem, was sich neulich in England ereignet hat.

Polycarpus: Ich spitze die Ohren.

Theocritus: Der Papst hatte dorthin zum wiederholten Male ebenso wie nach Deutschland seinen Legaten geschickt, dem König Philipp (unzweifelhaft hatte ihn der Papst darum gebeten) mit einem sehr freundlichen Brief aus seiner Feder an die allergnädigste Königin von England einen Zugang und einen freien Weg zu schaffen versucht hatte; die Königin gewährte aber weder den Bitten König Philipps Eingang in ihre Brust noch dem Legaten des Papstes Eingang in ihr Reich; was sie antworten könne, sei, dass sie mit dem Papst und seinem Konzil rein gar nichts zu schaffen habe, und dass sie in Kürze vor dem ganzen Erdkreis diese ihre fromme und christliche Entscheidung in diesem frei zugänglich veröffentlichten Buch rechtfertigen werde.

Polycarpus: Ich würde meinen, Unglaubliches zu hören, wenn ich nicht schon von früher her wüsste, von welchen Autoritäten du dies erfahren hast. Das ist gewiss eine ungeheure Veränderung: jetzt wird der von einer Frau verlacht, der früher selbst Spott mit den christlichen Monarchen trieb (und er tat es zurückhaltender). Mir kommt jenes Wort Vergils in den Sinn: «Eine Frau hat das Unternehmen geführt». Berichte weiter, was du über das Königreich Schottland erfahren hast, denn man erzählt, auch seine Finsternis sei von den Strahlen des Evangeliums erleuchtet worden.

Theocritus: Spät freilich hat Gott auf dieses Volk geblickt, aber doch so gütig und so mild, füge noch hinzu: so wunderbar und mächtig, dass die Sache es wert ist, dass die Nachwelt sich ewig an sie erinnert. Wie du weisst, herrschte zwischen den Engländern und Schotten früher aufgrund ihres tödlichen gegenseitigen Hasses ein Zwist, so dass sie nicht selten mit ihren feindlichen Feldzeichen miteinander einen alles entscheidenden Entscheidungskampf führten; nun sind beide Völker durch das Schwert des göttlichen Wortes unterworfen worden und haben die Gesetze ihres Heilands Christus und seine Herrschaft mit einer so einmütigen Gesinnung in sich aufgenommen, dass nichts stärker verbunden ist als sie, wo doch früher nichts stärker entzweit war als sie. Man lobt besonders die Standhaftigkeit der Schotten und ihre fromme Gesinnung, zunächst gegenüber Gott und hierauf im bei weitem grössten Masse gegenüber ihrer Königin. Sie haben zu ihr eine sehr grosse Gesandtschaft geschickt, die sie bitten sollte, in ihr Reich zurückzukehren und von ihren Untergebenen jede Form von Gehorsam gütig zu erwarten; sie seien auch bereit, für sie, die sie noch als Mädchen im zarten Alter mit ihren Waffen beschützt hätten, auch künftig ihr Leben und ihr Blut zu vergiessen, wenn sie ihnen nur gestatte, ihre Religion rein und frei zu bewahren; sie gedächten nämlich schneller aus dem Leben zu scheiden als von der christlichen Religion zu lassen.

 

2. Beweise für Gottes Vorsehung und autobiographischer Exkurs (der kleine Fabricius Montanus fällt in einen Brunnen

Theocritus: [...] Da nun aber jene tödliche Kraft, die wir weiter oben als Notwendigkeit bezeichnet haben, gottbewirkt ist, müssen auch die vorangehenden Ereignisse einen Bezug zu diesem Ergebnis haben. So wird jemand, der einen Weg einschlägt, der ihm verhängnisvoll wird, oder der einen Kampf beginnt, der ihm und den Seinen Verderben bringt, auch wenn es mit vernünftiger Überlegung tut, dennoch durch eine verborgene und stumme Macht zu der Unternehmung verleitet, deren Ausgang ihn später in Gefahr bringt. Und ich könnte Beispiele dafür anführen, und diese als überzeugende Beweise dafür gebrauchen, dass solche unerwarteten Ausgänge, mögen sie auch noch so sehr nach Zufall aussehen, dennoch keinerlei Zufall enthalten. Aber ich beziehe mich hier nur auf die Heilige Schrift, deren Autorität uns zu Recht über alles heilig sein muss. Sie selbst unterwirft Gott, gleichsam wie dem höchsten Lenker, das Leben, den Tod, die Ratschlüsse, die Ereignisse, schliesslich alle unsere Tätigkeiten im Ganzen. Vertrauen wir Gott denn nicht, sooft wir ihm uns und unsere Angelegenheiten im Gebet ans Herz legen, jedes Mal die Summe des Ganzen (was uns angeht) an? Wenn du Textstellen nachlesen willst, gibt es 1 Sam 2, Jer 10, Spr 16 und 21, Ps 127. Aber was frommt es, hier alle Textstellen aufzuzählen? Unzählige haben einen Bezug zu unserem Anliegen, eine aber sei stellvertretend für alle zitiert: Nimm dir bitte das neunte Kapitel im ersten Buch Samuel vor, in dem es um die Wahl des Königs geht. Gott hatte Saul zur Herrschaft bestimmt; alles, was Saul zustösst, ist gleichsam ein Mittel zur Erfüllung seiner Bestimmung zu tun. Den ersten darauf ausgerichteten Akt kann man den Eselinnen zuordnen, die streunend vom Weg abkamen und sich, als sie beim Weiden weiter vordrangen als sie gewöhnt waren, verirrten. Und dieser Irren wird doch von Gott gelenkt. «Was höre ich» (wirst du sagen) «um dieses dumme und verrückte Tier soll sich der kümmern, dessen Weisheit der ganze Erdkreis nicht fasst?» Ja, ganz so ist es. Denn je gewaltiger Gottes Weisheit ist, je erhabener und grossartiger seine Majestät ist, desto weniger kann man meines Erachtens etwas von den geschaffenen Dingen von seiner Lenkungsgewalt ausnehmen: diese erstreckt sich bis auf die Raben, bis auf die Spatzen, der Vogelart mit dem geringsten Rang. Aber wir wollen fortfahren. Dass an Saul der Befehl ergeht, die verlorenen Eselinnen zu suchen, dass er einen Knecht als Wegbegleiter wählen soll, dass er seinem Vater gerne gehorcht, dass sie sich sogleich auf den Weg machen, dass sie einen Umweg machen, dass sie verschiedene Suchrouten vergeblich ablaufen, dass sie Schritt für Schritt an den Ort gelangen, der in der Nachbarschaft des Propheten lag und sie deshalb an ihn erinnerte, dass sie beschliessen, ihn aufzusuchen, dass sie Geschenke herrichten, dass ihnen noch der Teil eines Schekels zur Verfügung steht, das alles ist Gottes Werk. Aber auch die Mädchen kamen nicht zufällig zum Wasserholen, dank deren Richtungsangabe Saul mit seinem Knecht flink den Rest des Wegs hinter sich bringt. Was bitte macht noch mehr den Eindruck eines Zufalls, als das Haus zu verlassen, weil das Wasser ausgegangen ist, Eimer einzutauchen und das Vieh zu tränken? Und doch wurde Rebekka, indem sie dies tat, zur Frau ihres Mannes Issak; Moses begegnete seiner Frau Zipora bei einem Brunnen; die Samaritanerin kam überraschend zu Christus, als er an einem Brunnen sass. Wie viel die Vorsehung in diesen Dingen bewirkt hat, bezeugt der Sachverhalt selbst. Und auch die, die tranken, indem sie mit der Zunge leckten, wie man es im Buch der Richter liest, sind nicht zufällig dazu veranlasst worden, dies zu tun. Und auch bezüglich derer, die zum Wasserschöpfen an den Nil gehen und von Krokodilen weggeschleppt werden oder die in Flüssen oder Quellen ertrinken, darf man nicht glauben, dass sie zufällig an diese Orte geraten sind. Denn der Zwang zu sterben lastet nur auf denen, denen Gott ihn vorsätzlich auferlegt. Und weil wir gerade von Brunnen sprechen, werde ich erzählen, was mir fast noch als Knaben zugestossen ist. Ich war zu klein, als dass ich den Eimer, der an einer Stange über der Brunnenöffnung hing, mit meiner Hand hätte berühren können also gehe ich daran, den Brunnenrand zu besteigen; als ich dort nach dem Eimer greife, entflieht er, weil er beweglich ist, meiner Berührung; ich werde also herabgeschüttelt und stürze kopfüber. Ich habe jedes Mal Furcht, sooft ich mich an diesen Sturz erinnere. Man pflegt an jenen Orten häufig die Brunnenöffnungen mit übereinander gelegten Balken zu verschliessen; eine von den zuoberst liegenden, die sich aus ihrem Verbund gelöst hatte, war am Vortag in den Brunnen gestürzt; so folgte mein Sturz auf den des Balkens. Weil aber jener Balken quer auf dem Brunnen gelegen hatte und ich kopfüber gestürzt war, wunderten sich die Leute, so oft sie die Sache betrachteten, und bedachten, wie es habe geschehen können, dass ich in meinem Sturz nicht auf dem Balken gelandet war und doch nach einer schwankenden Bewegung zu ihm hingetragen wurde und mit gespreizten Beinen solange auf ihm sass, bis mir Eltern und Nachbarn endlich zu Hilfe kamen. Sie liessen einen herab, der mich an einem Seil festband, an dem befestigt ich später herausgezogen wurde. So treffen in diese eine Tatbestand viele von Gott gewirkte Wunder zusammen. Das bemerkt treffend meine Mutter, weil sie eine fromme und vielbelesene Frau war, und wiederholte es mir als Knaben immer wieder, und fügte immer hinzu, ich sollte darin Gottes Vorsehung erkennen, die mich zweifelsohne durch dieses Training auf noch bedeutendere Lehren habe vorbereiten wollen. So wollte Gott meine Eltern lehren, dass an ihrer Sorgfalt nicht so viel gelegen sei wie an seinem eigenen Schutz und seinem Wohlwollen. Mich aber ermahnte er auf nicht unverständliche Weise, wem ich künftig mein Leben verdankte, nämlich ihm, durch dessen Wohltat ich nicht nur lebte, sondern auf fast wundersame Weise lebte [...].

 

3. Die Schönheit der Gebirgslandschaft

Theocritus: Wir pflegten fast alljährlich zusammen unsere Alpen zu besuchen, Polycarpus, doch das gegenwärtige Jahr hat uns diesen Genuss bisher nicht gegönnt, weil es zu stürmisch war.

Polycarpus: Ich habe eine wunderbare Freude an diesen kleinen Spaziergängen im Gebirge und habe immer diese Erholung des Geistes, die Vergnügen mit Nutzen verbindet, für sehr ehrenwert gehalten.

Theocritus: Was für ein Vergnügen haben deiner Meinung nach die, die sich in der Höhe aufgestellt haben und mit einem Blick aus der Höhe herabblicken auf die in der Niederung gelegenen grünen Wiesen, auf die schattigen Täler, auf die belaubten waldigen Rückzugsorte, auf die Region der Luft, die Einsamkeit der Felsen, die beständig fliessenden Quellen, die klaren Flüsse, die viel Wasser fassenden Seen, die weiten Felder, die Lage der Städte, Gebäude und Wege, die kultivierte Landschaft, den Schmuck, die Heiterkeit, den Schrecken, die Klarheit, die Annehmlichkeit, die Tiefe, die Ungeheuerlichkeit, das Alter, die Zierde und Eleganz – dies alles erfassen sie in seiner Länge und Breite mit einem umfangenden Blick. Und das Vergnügen für die Ohren ist nicht geringer: hier die Kühe, die wolltragenden Herden, die Ziegen, die helltönenden Glocken, die Tragen der Hirten. Klangreiche Vögel, hauchende Lüfte, Flüsschen, die aus der Höhe herabfallen, ihr Muhen, Mähen, Klingeln, Zusammensingen, Säuseln, Murmeln, sie wetteifern und vermischen sich, die Täler verdoppeln den Klang, die Wälder geben Antwort, die Höhlen steuern ihr Seufzen bei, die Felsen geben Wiederhall, die hohlen Stimmen treffen in der nahen Luft zusammen. Es liegt aber kein geringer Nutzen darin, gleichsam den Chor der ganzen Natur wie im Theater auf die Bühne treten zu lassen, um ihn anzuschauen und seinen Blick über ihn schweifen zu lassen, und so die Grossartigkeit des Schöpfergottes besser zu erkennen. Wo aber wachsen die Pflanzen besser als im Gebirge? Wo sind sie häufiger, besser, heilsamer, wirksamer und aromatischer? Das Gebirge stellt uns die Gämswurz und den Enzian zur Verfügung, eine Pflanze, die es in verschiedenen Sorten gibt. Sie liefern uns gütig den aromatischen Wegerich, das grosse Tausengüldenkraut, die Rapontik, allgemein Rharbarber genannt, das peloponnesische Bergfenchelkraut, Nieswurz, Silberblätter jeder Art, Bergefeu und, damit ich nicht alle einzeln aufzähle, liefern ausserdem gütig die ungeheure Kraft der Blüten, Wurzeln und Stauden. Aber es ist töricht von mir, dass ich dir das alles erzähle, Polykarp, wo uns doch kein Tal und keine kleine Quelle unbekannt ist; es gibt kein Waldtal, das wir nicht gemeinsam durchdrungen, kein Bergjoch, das wir nicht überquert und keinen Gipfel, den wir nicht gemeinsam überwunden hätten.

Polycarpus: Es war mir angenehm, an diese Dinge erinnert zu werden, denn die Erinnerung an unser früheres Vergnügen hat mich sehr verzaubert. So werden wir die Alpen, die wir körperlich nicht aufsuchen können, wenigstens im Geist erreichen können.

Theocritus: Du aber bist, damit dir in deiner Naturbetrachtung nichts entgeht, statt auf Rapontik und ein griechisches duftendes Silberblatt, die du beide zusammen mit unserem gelehrten Arzt im Tal des gegenüberliegenden Berges suchtest, auf eine Bärin gestossen, die von zwei Jungtieren begleitet wurde; du bist aber ungestraft davongekommen, weil ihr keine Gewalt anwendetet.

Polycarpus: Du weisst, dass uns seitlich steile Felsen behinderten, die sich an beiden Seiten so hoch erhoben, dass uns kein Fluchtweg offenstand. Sie aber sammelte ihre Jungen um sich, setzte sich auf ihre Hinterbacken und sah uns einige Zeit an. Auch wir verharrten einige Zeit in der wechselseitigen Betrachtung, weil wir unbewaffnet waren; endlich, weil jene sich von unserem Anblick losriss, gingen wir den ganzen Weg durch das Tal zurück und zogen uns aus dem abschüssigen Gelände in die Ebene zurück.