Der christliche «Cato der Censor»

Traduction (Allemand)

Traduction: Clemens Schlip (französischer Originaltext der Anmerkungen von Kevin Bovier)


Gegen die Hochmütigen

Ach, mit finsterem Gesicht, aus der Nase schnaubend,

Den Blick nach oben gerichtet, den Körper rückwärts gebogen,

Stolziert er wie ein Pfau umher

Und bezeugt mit seinem ganzen Wesen seine Arroganz:

Wer träumt davon, alles zu sein, wo er doch nichts ist?

5

Und wird dieser Hochmut keinen Rächer

Finden, der dich von oben her beobachtet?

Doch wenn er noch zögert und seinen Zorn aufschiebt,

Wer sollte dich hier ertragen, da du doch unfähig bist, die anderen zu ertragen?

 

Gegen die Müssiggänger

Du aber, der du nur mit Müssiggang beschäftigt bist,

Gewöhne dir an, den anderen zuzuschauen, während du nichts tust:

Siehst du, wie sich am Himmel alles in unablässiger Drehbewegung befindet,

Wie Winde durch die Lufträume stürzen,

Wie das Wasser in einer immerwährenden Fliessbewegung strömt,

5

Wie das Meer brausend ebbt und flutet?

Wie selbst der feste Erdboden

Plötzlich eine andere Gestalt annimmt?

Siehst du das, frage ich, und bedenkst nicht, dass derart

Oben und unten deine Faulheit angeklagt wird?

10

Höre also, Dummkopf, wenn du Zeit zum Zuhören hast,

Dass der Mensch für die Arbeit und nicht für den Müssigang geboren ist:

Ruhe erlangt man durch Arbeit, nicht durch Müssiggang,

Keine Aufgabe ist schwieriger als der Müssiggang.

 

Gegen dieselben

Wenn kein Sterblicher für den Müssiggang geboren wird,

Dann ist selig die Stadt, in der ein jeder fleissig

Das Geschäft betreibt, das ihm zuteilgeworden ist.

 

Gegen die Ehrgeizigen

Ich beschwöre dich, der du nach Besteigung eines Berges, den Weg

Beschreitest zum Gipfel eines anderen Berges:

Hörst du niemals auf, Berg an Berg zu reihen,

Wann wirst du jemals Ruhe erreichen?

Denn selbst wenn der ganze Himmelspalast dir zugestehen wird,

5

Noch über die Himmel hinaus zu steigen

Und der Schöpfer der Welt die Erde für dich vergrössern wird,

Wirst du doch in der Welt diesen Durst nicht löschen können.

Ja, du wirst bei Lebzeiten das Erwünschte nie bekommen

Oder wirst sogar beim Aufstieg elend abstürzen, du Ehrgeizling;

10

Wenn du erst einmal gestorben bist, dem bei Lebzeiten die Welt nicht genug ist,

Dann werden dir, Ehrgeizling, sechs Fuss genug sein.

 

Gegen die Lügner

Falschheit, die dem Himmel und selbst der Erde unbekannt ist

Und all jenem, das jener Vater der Welt

Mit dem Bande der Wahrheit an sich gefesselt bewahrt,

Doch einzigartig erwünscht den Sterblichen (o Frevel),

Lehrerin jeder Art von Trug und List,

5

Die ihren Sitz im Herz und im Mund sehr vieler Leute hat

Und ungestraft gegen die Throne der Fürsten selbst anstürmt.

Sie okkupiert laut rufend die Richterstühle,

Sie tritt in den Werkstätten und in den Wirtshäusern auf,

Schamlos wirkt sie auch im Bereich des Heiligen von den Kanzeln aus

10

Und wirft alles Heilige nach oben und nach unten durcheinander:

Wirsst du niemals zugrunde gehen, bevor die Welt untergeht?

Denn wie die göttliche Weisheit alles behütet,

So verdirbt die schlimme Falschheit alles.

Herrsche also, herrsche, solange Gott dich lässt,

15

Da die Falschheit dieser Welt diese Falschheit verdient.

Aber ihr ganz wenigen, denen die Wahrheit gefällt,

Bleibt tapfer, stützt euch auf die Hand Gottes.

Denn die Zeit wird kommen, da die Welt und ihre Falschheit

Unter einem einzigen Stoss zusammenbrechen werden,

20

So dass jene die Welt und die Welt jene mit sich reisst.

 

Gegen die Schwätzer

Wenn Sprechen angemessen wäre, schweigen zu wollen,

Sprechen wollen, wenn Schweigen angemessen wäre;

Diese beiden Laster müssen Menschen am meisten

Vermeiden im privaten und öffentlichen Leben.

Doch von diesen beiden Lastern ist mir lieber jenes,

5

Das darin besteht, dass jemand schweigt, obwohl er reden könnte,

Als jenes, das darin besteht, dass jemand spricht, was zu sagen nicht angemessen war.

Denn es gibt vieles, was durch Schweigen offenbar wird,

Doch oft konnte vieles gesagt werden,

Was man zu seiner Zeit verschweigen musste.

10

Also lernt entweder zu schweigen, ihr Geschwätzigen,

Oder verlasst auf einmal die ganze Welt.

 

Gegen die Spassvögel

Derweil die unerschütterlichen Zeitläufte die Gestirne

In Bewegung halten und die unbestimmte Lebenszeit der Sterblichen fortschreitet,

Nach deren Ende sie vor dem Richterstuhl des strengen

Gottes Rechenschaft über ihr vergangenes Leben ablegen müssen,

Was wird es euch dann frommen, euer Leben mit Scherz verbracht zu haben,

5

Euch, die ihre Scherze gegen euren Willen zu einem so einem so ernsten Geschick zwingen?

 

Gegen die Ehebrecher

Willst du die Welt vernichten? Zerstöre die Städte von Grund auf.

Willst du die Städte selbst zugrunde richten? Richte die Haushalte zugrunde.

Willst du die Haushalte kaputt machen? Sorge dafür, dass der Gatte die Gattin nicht mehr besitzt

Und alle heiligen Eheverträge nichtig werden.

So müssen die Haushalte, die Städte und die Welt zugrunde gehen,

5

Oder aber man muss jeden Ehebrecher aus der Welt hinaus stossen.

 

Gegen die Theologen, die über das rechte Mass hinaus philosophieren

Was Gott uns mit seiner Stimme kundgetan hat,

Das kann man mit Verstand und menschlichem Denken nicht begreifen;

Jemand, der davon träumt, es mit den Fantasien der Philosophen

Besser erkennen oder besser lehren zu können,

Das heisst, daran denkt, Licht aus Finsternis zu erschaffen,

5

So einen darf man für einen Fürst der Wahnsinnigen halten.

Denn die Wahrheit klagt die Lüge an,

Die Lüge aber beweist nicht die Wahrheit.

 

Gegen die Meineidigen und die Blasphemiker

Bei Gott zu schwören, das bedeutet, Gott auf seinen Thron zu

Setzen, teilweise als Mitwisser geheimer Dinge,

Teilweise als Rächer der Wahrheit.

Wenn du also wissentlich bei falschen Göttern

Oder Falsches schwörst, weisst du, was für ein Verbrechen du begehst?

5

Du setzt zweifellos den Feind Gottes auf Gottes Thron,

Die Lüge auf den Lehrstuhl der Wahrheit.

Wird nicht von oben her alles über seinem Haupt zusammenstürzen?

Wird nicht alles von unten her unter seinen Füssen wegbrechen?

Doch dich, verbrecherischer als jeder Verbrecher,

10

Der du Gott mit deinem blasphemischen Maul provozierst,

Erwartet als einzigartigen Vollbringer einer unerklärlichen Schandtat

Eine Strafe, die nur Gott bekannt ist.

 

Gegen die Epikureer

Du siehst äusserlich aus wie ein Mensch, doch innerlich bis du ein wildes Tier

Und dabei dümmer als jedes wilde Tier:

Kannst du die Himmelslichter betrachten,

Die sich derart geordnet bewegen,

Schämst du dich nicht, auf den Erdboden zu treten

5

Und so viele Wunder dieser Erde

Zu betrachten, Ebbe und Flut des Meeres

Und so viele darin schwimmende Untiere?

Und während alle diese Dinge allen die Existenz

Des grössten und besten Gottes verkünden,

10

Willst du dich so vielen Zeugen widersetzen,

So dass du nicht weisst, was allen bekannt ist?

Aber, sagst du, wenn Gott dies alles erschaffen hat

Und mit seinem Willen regiert,

Warum lässt er dann zu, dass es so vielen Guten schlecht geht, und warum sehen wir,

15

Dass es dagegen schlechten Leuten gut geht?

Wo doch vielmehr für die Guten alles aufs Beste verläuft

Und für die Schlechten aufs Schlechteste,

Denn was du für das Wohlergehen der Schlechten hältst, das schlägt ihnen zum Übel aus:

Und was du für das üble Geschick der Guten hältst, ist ihr Glück.

20

Vielmehr musst du jenen als den Besten bekennen,

Der dich so oft verschont hat.

 

Gegen die Schmeichler

Unmässig loben, wenn etwas lobwürdig ist,

Unter dem ehrbaren Namen der Tugend das Schändliche verdecken,

Wie dies gesunde Geister vom rechten Wege abbringt,

So macht es aus Schurken erst recht sehr schlechte Menschen.

Schmeichler soll jeder fürchten, der sich davor fürchtet,

5

Sich dauerhafte Schande zuzuziehen.

Wie viel besser ist es dagegen, auf einen strengen Mahner zu hören,

Der sparsam mit seinem Lob ist, aber freigiebig mit seinem Tadel.

 

Gegen die Trunkenbolde

Ihr die ihr euch damit beschäftigt, euren Bauch vollzusaufen,

Trinkt euch den Tod, wo andere sich das Leben trinken,

Man sieht euch am frühen Morgen und am späten Abend

Zu Tische sitzen, mit grossen Bechern,

Solange bis ihr für eure Zuschauer ein schandhaftes

5

Schauspiel werdet, wenn ihr euren schändlichen Rausch auskotzt.

Wer würde aufgrund eurer Gesichter noch glauben, dass ihr Menschen seid,

Da auf eurer Stirn so viele blaue Pusteln sind,

Eure Nase rubinrot und welk ist,

Eure geröteten Augen ein roter Nebel umgibt,

10

Eure angeschwollenen Augen in Weinflüssigkeit schwimmen,

Euer aufgesperrter Mund sabbert, und eure Wangen herunterhängen?

Wer mag euch da noch mit wilden Tieren vergleichen?

Denn noch niemand hat besoffene wilde Tiere gesehen.

Was für eines Loses sollen wir euch für würdig halten?      

15

Dieses Loses: Wie zu Lebzeiten die Trunksucht

Ihre Liebhaber zu strafen pflegt,

Möge sie euch immerdar und dauerhaft quälen,

Und unter eurem Grabhügel soll euch ewiger Durst plagen.

 

Gegen die Unzüchtigen

Ihr, die die unreine Wollust in Böcke und Hunde

Verwandelt und dem schändlichen Joch

Der Dirnen unterwirft und dazu bringt, in schmutzigem Verkehr

Alle möglichen schweren Unkeuschheiten zu begehen,

Und die euch gegen die rechtlichen Bestimmungen des Ehebundes

5

Lehrt, das Menschengeschlecht nicht zu säen, sondern zu verderben:

Packt euch, ihr Verseuchten, dahin, wohin euch der gerechte Zorn Gottes

Und die wütende Natur rufen.

 

Gegen die Habgierigen

Wir könnte jemand von der Gottesliebe angerührt werden?

Wie könnte jemand einen anderen lieben, wie dieser ihn?

Wie könnte jemand lieben wollen, möchte ich fragen,

Dessen einziger Gott das Geld ist,

Der aus jedem noch so schändlichen Geschäft Gewinn zieht,

5

Der selbst als sein eigener wütender Henker lebt?

Verhasst ist also mit Recht der Habgierige allen,

So dass er der Feind Gottes, aller anderen und seiner selbst ist.

 

Gegen die Neidhammel

Ihr, deren ganzes Herz von Giften aus den

Dunklen Tiefen der Unterwelt geschwollen ist,

Ihr könnt euer eigenes Wohlergehen nicht ertragen

Und es auch nicht begrüssen, wenn es guten Leuten prächtig geht.

Wohin soll ich euch Neidhammeln wegzugehen befehlen,

5

Deren Weiterleben die Welt nicht ertragen kann

Und die vielleicht nicht einmal die Hölle nach ihrem Tod ertragen kann?

Da ihr für euch gegenseitig normalerweise schon die ganze Hölle

Seid, macht nur immer so weiter.

Und richtet euch gegenseitig zugrunde, die Neidhammel die Neidhammel,

10

Weil es doch nichts Elenderes gibt als Neidhammel.

 

Gegen die Wucherer

Einer, der durch Verleih niemals aus seinem Besitz deinen macht,

Sondern unablässig aus deinem Besitz den seinen macht;

Für den gebiert, was von Natur aus unfruchtbar ist;

Der raubt, indem er gibt, der ansammelt, indem er ausgibt;

Der niemals sät und doch unablässig erntet;

5

Der Gekochtes und Rohes verschlingt und doch niemals satt wird;

Dem, ganz gleich ob der Boden unfruchtbar oder fruchtbar ist,

Der Mond monatliche Einkünfte bringt, die Sonne jährliche;

Willst du wissen, wer das ist? Es ist der Wucherer,

Der auf der Welt mehr Schaden anrichtet als jede Pest

10

Und der auf der Welt häufiger vorkommt als jede Pest.

Aber du, Gott, strenger Rächer der Armen,

Die dieser Mensch mit seinen Zinsen auffrisst,

Sorge dafür, dass er klug wird, oder dafür, dass er vor deinen Richtstuhl gerissen wird

Und seine Strafe mit hundertfachem Zins abbüssen muss.

15

                       

Gegen die verlogenen Mönche

Wer folgt heuchlerisch Christus und ist in Wahrheit ein Schwein aus der Herde Epikurs?

Für wen ist Frömmigkeit ein Verbrechen, wer verspottet die Religion?

Wer ist dem Namen nach zölibatär und füllt die Städte trotzdem mit Müttern an?

Wer ist dem Anschein nach arm und macht in Wahrheit alles zu seinem Besitz?

Das sind die, die Satan in seinen unterirdischen Höhlen gehegt hat

5

Und in allen seinen Künsten unterrichtet hat

Und danach schrittweise, da der gerechte Zorn der Gottheit das so forderte,

Hinausgeführt und auf der ganzen Welt verbreitet hat,

Und die man einst auf Griechisch Mönche [monachos] genannt hat,

Was ein nur zu korrektes Omen war, denn sie fallen allen nur zur Last [sie sind μοῦνον ἄχος].

10

 

Gegen die, die auf Gewinn aus schlechter Tat hoffen

Wenn (was auch die Gottlosen bekennen müssen, weil

Jedes Verbrechen das Gewissen belastet)

Alle Vorteile von dem einen Gott abhängen,

Lebt dann irgendwo jemand, der dümmer ist als jener eine,

Der davon träumt, jenes Gutes teilhaftig zu werden,

5

Wenn er den Urheber alles Guten verachtet?

 

Gegen die Philosophen, die über das rechte Mass hinaus Theologie betreiben

Der scheinbar grösste Fürst der Philosophen,

Den man am Griechischen «den vom besten Ende nennt»,

Der davon träumte, dass diese Welt immer schon existiert hat

Und nicht glaubte, dass sie jemals aufhören wird,

Sonderbar ist es, dass man diesen Mann, der einem so schändlichen Irrtum verfallen war,

5

Für den bei weitem gelehrtesten Philosophen gehalten hat.

Vielmehr beweist er derart, dass die ganz und gar dumm werden,

Die ihr Philosophieren nicht im rechten Masse halten.

 

Ein ganz abgerundetes Sechszeilengedicht vom Herrn Beza gegen die Ehebrecher, ins Griechische übersetzte von Isaac Casaubon

Gegen die Ehebrecher

Willst du die Welt vernichten? Zerstöre die Städte von Grund auf.

Willst du die Städte selbst zugrunde richten? Richte die Haushalte zugrunde.

Willst du die Haushalte kaputt machen? Sorge dafür, dass der Gatte die Gattin nicht mehr hat

Und alle heiligen Eheverträge nichtig werden.

So müssen die Haushalte, die Städte und die Welt zugrunde gehen,

5

Oder aber man muss jeden Ehebrecher aus der Welt hinaus stossen.

 

Über das Alter

Von allen erhofft, den wenigsten erwünscht,

Wenn du da bist, Greisenalter, wie kommt es, dass die Abscheu vor dir haben,

Denen du die Tore zum seligen Leben öffnest,

Das dem Elend dieses Erdenalters ein Ende macht?

Das kommt daher, dass sie nur an irdische Dinge denken

5

Und meist nichts von den himmlischen Dingen wissen.

Daher so viele Klagen, daher das vergebliche Jammern,

Während dieser lebendig-tote traurige Greis

Mit zittrigem Haupt, Triefaugen,

Und faltenreicher Stirn auf die Erde starrt

10

Und mit schwankendem Schritt kaum auf drei Beinen einherschreitet.

Doch jener ruft, er verstehe nichts mehr,

Dieser liegt Tag und Nacht mit Husten wach,

Ein anderer wird von Fieberhitze verbrannt;

Dieser wird von Podagra-Beschwerden bedrängt,

15

Ein anderer elend von einem quälenden Blasenstein gemartert,

Mit vergeblichem Jammergeschrei ermüden sie den Himmel.

Um von anderen tausend Übel zu schweigen,

Die das grausame Greisenalter mit sich zu bringen

Pflegt, das an sich schon eine ganz grässliche Krankheit ist.

20

Aber was, wenn sie diese Übel nicht dem Alter, sondern sich

Und ihrem Lotterleben zuschreiben müssen

Und sie derart dafür die gerechte Strafe erhalten?

Und wenn auch tausend Kreuze mit dem Alter verbunden sind,

Wer wird zu Recht sagen, dass jene Kreuze schlecht sind,

25

Die uns lehren, Gott und uns selbst kennenzulernen?

Also, was auch der eine oder andere schwatzen mag:

Ein hohes Alter ist ein grosses Geschenk des besten Gottes:

Mag es mild sein, wie mein Alter, mag es mit Widrigkeiten verbunden sein,

Man muss es gut nützen, wenn es einem zuteilwird:

30

Das bekennt Beza dankbar hier in diesem Gedicht,

Und er bittet sehr inständig, dass es derart weitergeht.