Sapphisches Gedicht über Glareans Helvetiae descriptio und den Kommentar des Myconius
Johannes Xylotectus
Einführung: David Amherdt (deutsche Übersetzung: Clemens Schlip). Version: 10.02.2023.
Entstehungszeitraum: terminus ad quem ist das Jahr 1519, in dem diejenige Ausgabe der Descriptio Helvetiae Glareans herauskam, in der dieses Gedicht erschienen ist.
Ausgabe: H. Glareanus, Descriptio de situ Helvetiae, Basel, Froben, 1519, 6-8.
Metrum: sapphische Strophe.
1519 erschien eine Ausgabe des patriotischen Gedichts Descriptio Helvetiae von Heinrich Glarean, in der diesem Werk zum ersten Mal der Kommentar des Oswald Myconius beigegeben ist. In dieser Ausgabe findet man ein elf sapphische Strophen (44 Verse) umfassendes Gedicht aus der Feder des Humanisten Johannes Xylotectus (Zimmermann). Der 1490 in Luzern geborene Xylotectus wurde aufgrund seiner Sympathien für die Reformation von dort vertrieben. Er liess sich in Basel nieder, wo er auch schon studiert hatte, und starb dort 1526 an der Pest. Er hatte ein enges Verhältnis zu den Humanisten Zwingli, Vadian, Glaréan und Myconius.
Das Gedicht trägt den Titel Carmen Sapphicum Ioannis Xilotecti Lucernani lusum in Osvaldi Myconii commentariolum, «Ein sapphisches Gedicht des Johannes Xylotectus aus Luzern, das er zum Zeitvertreib auf den kleinen Kommentar des Oswald Myconius gedichtet hat». Xylotectus feiert darin die Grosstaten und den Ruhm der Helvetier, die Glarean besungen und Myconius kommentiert hatte. In V. 1-10 spricht er von den ausserordentlichen Triumphen, die ein kleines und doch sehr mutiges Volk errungen hatte. In V. 11-24 rühmt er Glarean und Myconius; in V. 23 geht es um Latein, Griechisch und Hebräisch, die eine essentielle Rolle im Humanismus der Epoche spielen. In V. 25-34 erneuert er seinen Lobpreis der Schweizer. Am Ende, in V. 33-40 freut sich der Dichter darüber (und das ist vielleicht der Höhepunkt seiner Freude), dass die Schweizer, nachdem sie sich schon Kriegsruhm erworben hatten, schliesslich auch gelernt haben, sich dem Musendienst zu widmen und Minerva (die Göttin der Weisheit und der Künste) mit Mars (dem Kriegsgott) zu vereinen: Man ist hier nicht weit entfernt von dem Begriff der translatio studii, auf dessen explizite Verwendung der Humanist verzichtet, wobei er doch implizit behauptet, dass diese translatio in der Schweiz realisiert ist!