Auszüge aus De Geographia: De ventis, De regionibus extra Ptolemaeum
Übersetzung (Deutsch)
Die Winde
Der Wind ist eine warme und trockene Ausdünstung, die sich seitlich um die Erde bewegt. Die Wirkursache des Windes sind Sonne und Gestirne. Die Materie aber ist die Ausdünstung, die bei ihrem Weg in die Höhe teils durch die Kraft der Gestirne, teils durch die Natur hochgehoben wird, und in der mittleren Region der Luft auf ein Hindernis stösst, die kalt ist und das Warme von sich abstösst. Deshalb wird die Ausdünstung zurückgestossen und bewegt sich schräg um die Erde herum. Hierzu muss man bemerken, dass die Luft gemäss ihrer Qualität in drei Regionen aufgeteilt wird: Die unterste, die uns am nächsten ist und meistens temperiert ist, die mittlere, kalte, welche die höchsten Berge berühren; die dritte, höchste, ist warm und liegt der Sphäre des Feuers am nächsten. In dieser letzten entstehen die fliegenden Drachen, die Sternschnuppen und ähnliche Eindrücke, wie sie die Physiker nennen. Was aber die Orte der Winde angeht, muss man bemerken, dass man an jedem Horizont von je vier hauptsächliche Windregionen wahrnehmen kann, an die man auf beiden Seiten je zwei hinzumalen muss. Es wird deshalb drei Winde vom Osten her geben, drei vom Westen her, ebenso viele vom Norden und vom Süden her; was die hier aufgemalte Figur darstellt. Wir stellen uns freilich vor, dass von beiden Wendekreisen her Winde gemeinsam kommen, ebenso wie von beiden Polen her. Die Dichter aber haben nicht mehr als die vier Hauptwinde benannt: vom Osten her den Eurus, vom Westen her den Zephyrus, vom Norden her den Boreas und vom Süden her den Auster.
Über die Regionen, die ausserhalb des ptolemäischen Weltbildes liegen. 40. und letztes Kapitel
Die Regionen, die ausserhalb der Beschreibung des Ptolemäus liegen sind nicht durch so zuverlässige Autoren überliefert und auch nicht mit solcher Sorgfalt und Kunstfertigkeit beschrieben worden. Was im Westen jenseits von Spanien und den Inseln der Seligen liegt, war Ptolemäus vollständig unbekannt. Im Norden, was jenseits des 63. Breitengrades liegt, wo man das jenseitige Thule verortet. Im Süden, was jenseits des 16. südlichen Breitengrades liegt. Im Osten, was jenseits des 180. Grades liegt. Das kann man alles leicht bei Ptolemäus auf der Generalkarte sehen.
Ferner liegt im Westen das Land, das man Amerika nennt, der Länge nach etwa am 80. Grad. Zwei Inseln: Spagnolla und Isabella; diese Gegenden sind freilich an ihren Küsten von den Spaniern erforscht worden, wobei der Genueser Columbus und Amerigo Vespucci die Anführer dieser Seefahrt waren. Es gibt Leute, die meinen, dass zur Zeit des Kaisers Augustus dieses Land schon bekannt gewesen sei und Maro im sechsten Buch der Aeneis folgende Verse vorgetragen habe:
[...] Ausserhalb der Gestirne liegt ein Land,
Ausserhalb der Bahnen des Jahres und der Sonne, wo der Himmelsträger Atlas
Die Achse mit seiner Schulter dreht, die mit glänzenden Sternen geschmückt ist.
Servius verstand darunter das maurische Äthiopien. Landino aber behauptet, dass es ausserhalb des Tierkreises kein Äthiopien gibt. Deshalb erklärt er selbst: «ausserhalb, das heisst: das heisst: fast ausserhalb.» Ferner sagt Donat, Sonne stehe hier für Tag, Jahr für Nacht. Wir überlassen diese unsichere Sache dem Urteil des Lesers.
Im Norden liegen die Inseln Island, Grönland, Lappland, Norwegen und Schweden, welches das wirkliche Gotland ist. Dieses ist dreigeteilt in ein östliches, westliches und südliches. Die Insel Gotland, die Insel Schonen, die man heute Seeland nennt. Aber Plinius scheint im vierzehnten Kapitel seines vierten Buches von Skandinavien gesprochen zu haben, oder wenigstens vom benachbarten Dänemark; er sagt nämlich, dass es von seinen Bewohnern als zweite Welt bezeichnet wird, weil ihre Grösse auch heute noch unerforscht ist. Im Osten wird der grösste Teil Asiens hinter dem 180. Längengrad von unseren Geographen hinzugefügt. Dort gibt es riesige Reiche, ungeheure Flüsse und viele andere wunderbare Dinge. Sie zeichnen im äussersten Osten die Insel Japan hinzu; und das grössere und kleinere Java und einige andere Inseln, die aber nicht genau angegeben werden.
Im Süden zeichnet man in unserer Zeit Madagaskar ein, an der Stelle, wohin Ptolemäus im letzen Kapitel seines vierten Buches die Insel Menuthia verlegte; ausserdem ist von den Spaniern ein sehr grosser Teil von Afrika erforscht worden, auf jener Reiseroute, die sie nach Kalekut bringt. Ferner glaubte Ptolemäus, der im Süden gelegene Indische Ozean vom afrikanischen Vorgebirge Prasum bis Kanton, der Station der Chinesen, sei ganz von Festland umschlossen, wie das Kaspische Meer, das freilich alle antiken Geographen für einen Teil des Nordmeeres gehalten haben. Aber man hat nun herausgefunden, dass jenes Indische Meer nicht von Festland, sondern vom südlichen Ozean umschlossen wird.
Ende
La Isabela war die erste europäische Siedlung auf amerikanischem Boden, auf der Insel Hispaniola (heute Dominikanische Republik). Glarean scheint den Ort hier irrtümlich für eine Insel zu halten. Oder meint er vielleicht das ebenfalls von Columbus entdeckte Kuba (weitere Namen in jener Epoche: Juana, ab 1515: Fernandina) und nennt es irrtümlich Isabella?
Unter Äthiopien verstand man auch im 16. Jh. noch die von schwarzen Völkern bewohnten Gebiete südlich des arabisch beherrschten Nordafrika, das man damals alleine als Africa bezeichnete.