Kometenbuch
Traduction (Allemand)
Fol. A7vo-A8vo
Wie die Menschen sich verhalten sollen, wenn Kometen erscheinen.
Da die in so vielen Jahrhunderten gesammelte Erfahrung zeigt, dass Kometen grosse Katastrophen und Veränderungen voraussagen, ist es unsere Pflicht, jene göttlichen Ermahnungen nicht gering zu schätzen. Epikureer und weltlich gesinnte Menschen meinen, dass diese Kometen nicht aufgrund göttlicher Fügung, sondern zufällig entstehen, oder dass sie nichts bedeuten, weil sie natürliche Ursachen haben. Doch jemand, der entgegen der Beurteilung durch kluge Leute und gegen die allgemein von fast allen Völkern geteilte Ansicht und eine sich über einen langen Zeitraum erstreckende Observation meint, dass derartige Prodigien keine Bedeutung haben, muss ein Dummkopf sein. Man muss zugleich den Zorn und die Barmherzigkeit Gottes anerkennen, die uns durch derartige Vorzeichen gleichsam wie durch eine himmlische Trompete wachruft. Gut erzogene Söhne denken sofort, dass sie eine Verfehlung begangen haben, wenn sie bemerken, dass ihre Eltern ihre Stirn runzeln, pfeifen oder mit dem Fuss aufstampfen, fragen sie, was sie wollen und tun ihre Pflicht. Dagegen lassen sich Leute, die einen schlechten Charakter haben, auch durch Drohungen und Schläge nicht bewegen. Der heilige Petrus hat einen Hahnenschrei, ein geringes Zeichen, nicht verachtet. Die Römer bemühten sich einst, wenn es Berichte gab, dass irgendwo Prodigien und Missgeburten aufgetaucht seien, mit Opfern, Anathemata und Gelübden das Übel, das sie bedeuteten, noch abzuwenden. Umso mehr ziemt es sich für uns Christen, durch eine Besserung unseres Lebens und glühende Gebete drohendes Übel abzuwenden oder zu lindern. Man darf nämlich nicht glauben, dass Gott sich nicht durch Gebete mild stimmen lässt oder dass eine Besserung des Lebens überflüssig ist, und dass Gott ungeachtet all dieser Dinge, wenn diese Vorzeichen erscheinen, seine Strafe schickt. Gott, der um seiner Erwählten willen alles aus dem Nichts geschaffen hat, kann das Übel, mit dem er droht, abwenden und abmildern. Eine berühmte Bibelstelle ist in diesem Zusammenhang Jeremias 18. Oft hat er, wenn er durch Propheten den Menschen mit Untergang drohte und sie daraufhin ihr Leben verbesserten, kein Übel mehr geschickt. Die Niniviten dienen uns dafür als Beispiel. Für Prodigien, Wunderzeichen und Missgeburten gilt das Gleiche. Wenngleich sie nämlich ungeheures Unglück voraussagen, lindern die Menschen dennoch durch ihre glühenden Gebete und eine Besserung ihres Lebens die drohenden Geisseln oder wenden sie ab. Gewiss müssen alle Frommen ihre Häupter erheben, sooft sie derartige Prodigien erblicken, wie Christus uns ermahnt, weil sie sehen, dass ihre Erlösung näherkommt. Im Folgenden werde ich aus den Geschichtsschreibern Notizen zu den Kometen bieten, die von Christi Geburt an bis zu diesem Jahr (1556) erschienen sind. Über die Kometen, die vor Christi Geburt erschienen sind, berichte ich nichts, einerseits aus anderen Gründen, besonders aber, weil ältere und jüngere Autoren sie sorgfältig zusammengestellt haben.
Fol. E2ro-E3ro
Im Jahr 1531. In Deutschland, Italien und Frankreich wurde um den 6. August herum ein Komet gesehen (ein rötlicher oder besser gelber, Milichius) und zuerst erschien er einige Tage morgens vor Sonnenaufgang und folgte daraufhin der Sonne, und ungefähr drei Wochen lang wurde er abends nach Sonnenuntergang gesehen, bis zum 3. September. Seine Bahn verlief durch den Krebs, den Löwen, die Jungfrau und die Waage, wo man aufhörte, ihn zu sehen, und später erschien er nicht mehr. Carion. Dieser Komet erstrahlte nicht, ohne dass der Osten und der Norden Schaden genommen hätten. In Ungarn und Österreich marschierte nämlich der Türkentyrann ein. König Christian, der mit einer grossen Flotte nach Dänemark aufgebrochen war, um sein Reich zurückzugewinnen, ergab sich seinem Onkel väterlicherseits, König Friedrich von Dänemark. Ebenso verstarb auch der Sohn König Christians, der am kaiserlichen Hof aufgezogen wurde. Carion, aber an mehr als einer Stelle. Man sah den Kometen ungefähr den ganzen August hindurch, und genau in diesen Tagen verstarb Luise, die Mutter des französischen Königs, eine Blutsverwandte des Herzogs von Savoyen. Sleidanus. Manche Leute sagen, dass dieser unselige und unglückbringende Komet den Krieg der Helvetier vorausgesagt hat, in dem die Zürcher zweimal unglücklich gekämpft haben (die Leute, die sagen, es seien fünf Schlachten gewesen, sind eitel und lügnerisch). In der ersten Schlacht wurde Zwingli in seinem 48. Lebensjahr getötet (sein Geburtsdatum war nämlich der 1. Januar 1484, und am gleichen Datum hatte er 1519 in Zürich seine erste Predigt gehalten und begonnen, das Evangelium nach Matthäus zu erklären). Wenige Tage später verschied in Basel Ökolampad. Apian hat seine Beobachtungen über die Bewegung dieses Kometen niedergeschrieben. Es liegt auch das Urteil des Theophrastes Paracelsus über diesen Kometen vor.
Fol. E4ro-E5ro
Im Jahr 1556. Am 4. März sah man bei uns in Zürich zum ersten Mal einen Kometen (auch wenn es Leute gibt, die behaupten, sie hätten ihn schon im Dezember gesehen), der sich sehr schweifend und schwankend bewegte; er verschwand nach etlichen Tagen. Später begann er wiederum zu leuchten. Hier und da ereigneten sich auch andere Prodigien. Ein Mathematiker aus der Wiener Schule hat diesen Kometen beschrieben. In diesem Jahr verstarb der hochberühmte Kurfürst Wolfgang [richtig: Friedrich] von der Rheinpfalz, Herzog von Bayern etc. Ebenso verstarb der ehrwürdige Greis Konrad Pellikan genau am Ostersonntag im 78. Lebensjahr (er war nämlich am 9. Januar 1478 in Rufach geboren worden). Er gehörte zu den ersten, die die hebräische Sprache wieder ans Tageslicht geholt haben. Denn er bemühte sich zur selben Zeit in Tübingen zusammen mit dem höchst vortrefflichen Herrn Johannes Reuchlin (der als erster in Deutschland mit der Pflege dieser Sprache begonnen hatte) um die hebräische Sprache, obwohl er viel jünger als dieser war. Später wurde er im Jahr 1526 nach Zürich berufen und lehrte dort öffentlich die heilige Sprache und trug durch seine Kommentare zu allen Büchern des Alten und Neuen Testaments, die Integrität und Unbescholtenheit seines Lebens nicht wenig zur Verbreitung der evangelischen Lehre bei. In diesem Jahr verschieden auch andere fromme und gelehrte Männer. In vielen Regionen Deutschlands bemühte man sich ängstlich um eine Kirchenreform. Viele Fürsten und manche Städte warben Soldaten an, wozu, ist allgemein unbekannt. Man muss zum Herrn beten, dass er mit uns nicht verfährt, wie unsere Sittenverderbnis es verdient; sondern uns um seines Sohnes Christus willen, unseren Mittler und Fürsprecher, barmherzig und gnädig sei; und das Übel, von dem man glaubt, dass es die Kometen voraussagen, nach Massgabe seiner Milde abwende und abmildere.