Auszug aus dem Cottidiani colloquii libellus

Traduction (Allemand)

Traduction: Clemens Schlip

Fol. A1ro-A3ro)

[...]

Vor Sonnenaufgang erwachte ich aus dem Schlaf, ich erhob mich aus dem Bett, setzte mich. Ich nahm meine kleinen Gamaschen und zog mir die Stiefel an. Ich verlangte nach Wasser für mein Gesicht. Zuerst wasche ich die Hände, dann wusch ich mein Gesicht. Ich wischte mich ab, legte die Schlafmütze/die Mitra ab. Ich legte die Tunika an den Köper an. Ich gürtete mich. Ich salbte mein Haupt und kämmte mich. Ich legte einen kurzen Mantel um meinen Hals. Darüber zog ich eine weitere Albe, und darüber ziehe ich eine Pänula. Ich verliess das Schlafzimmer zusammen mit meinem Pädagogen und der Amme, um Vater und Mutter zu begrüssen. Ich begrüsste beide und küsste sie. Und so verliess ich das Haus. Ich breche zur Schule auf. Ich trat ein. Ich sagte: «Sei gegrüsst, mein Lehrer.» Und er küsste mich und grüsste mich zurück. Mein Sklave reicht mir meine Schreibtäfelchen, die Hülle für den Griffel, den Schreibgriffel. Ich hole, an meinem Platz sitzend, meinen eisernen Griffel hervor, ich tilge, ich schreibe aus dem Beispielbuch ab. Wie ich aber schrieb, so zeige ich es dem Lehrer; er verbesserte, leitete mich an, befiehlt mir zu lesen.

[...]

1
Die mit dem Text der spätantiken Colloquia verbundenen zahlreichen Schwierigkeiten bilden nicht das Thema unserer Präsentation; wir gehen daher nur in einigen ausgewählten Fällen auf Probleme des Textes und seiner Exegese ein. Daran umfassender interessierte Nutzer seien auf die Edition von Dickey verwiesen: The Colloquia of the Hermeneumata Pseudodositheana, Bd. 1, hg. mit Einf., Übs. u. Komm. von E. Dickey, Cambridge, Cambridge University Press, 2012.
2
In Dickeys Ausgabe steht hier im Griechischen auch ὑποδεσμίας, im Lateinischen aber pedules, nicht, wie in Thorers Ausgabe, die ebenfalls überlieferte Lesart socculos (The Colloquia of the Hermeneumata Pseudodositheana, Bd. 1, hg. mit Einf., Übs. u. Komm. von E. Dickey, Cambridge, Cambridge University Press, 2012, 104); im dazugehörigen Kommentar (ebd., 140) schlägt sie vor, darunter Gamaschen zu verstehen.
3
Das Kind zieht sich die Sandalen noch vor dem Waschen an. Laut The Colloquia of the Hermeneumata Pseudodositheana, Bd. 1, hg. mit Einf., Übs. u. Komm. von E. Dickey, Cambridge, Cambridge University Press, 2012, 140 vermeidet es so einen Temperaturschock durch den kalten Steinfussboden eines römischen Hauses.
4
Solche Tempuswechsel sind in den Colloquia häufig; vgl. den Kommentar von Dickey zur Stelle (The Colloquia of the Hermeneumata Pseudodositheana, Bd. 1, hg. mit Einf., Übs. u. Komm. von E. Dickey, Cambridge, Cambridge University Press, 2012, 141).
5
Dickey nimmt in ihrer Ausgabe der Colloquia Monocensia-Einsidlensia die Lesart ἐγκομήτραν/dormitoriam (seltene Ausdrücke für Nachtbekleidung), nicht μίτραν/mitram (eine orientalische Kopfbekleidung); s. The Colloquia of the Hermeneumata Pseudodositheana, Bd. 1, hg. mit Einf., Übs. u. Komm. von E. Dickey, Cambridge, Cambridge University Press, 2012, 104. Im dazugehörigen Kommentar (ebd., 141) stellt sie zur Disposition, ob es sich bei μίτραν/mitram um eine Textverderbnis oder die bewusste Einfügung eines Korrektors handelt, der sich unter mitra eine Schlafmütze vorstellte.
6
Dieses Gewand mit kurzen Ärmeln trug man direkt am Leib.
7
Im lateinischen Text steht hier pallam; das ist unerwartet, denn die palla wurde vor allem von Frauen getragen (hier geht es aber um einen Knaben); im Griechischen besteht das Problem nicht; vgl. The Colloquia of the Hermeneumata Pseudodositheana, Bd. 1, hg. mit Einf., Übs. u. Komm. von E. Dickey, Cambridge, Cambridge University Press, 2012, 141.
8
Ein weisses Gewand.
9
«Ein rundes und geschlossenes Oberkleid, eine Art runder Kittel mit einer Kapuze, oben mit einem Loche, durch das der Kopf gesteckt wird»; s. den Eintrag «paenula» im Ausführlichen lateinisch-deutschen Handwörterbuch von K. E. Georges (81913), Sp. 1436.