Schweizer Heldenbriefe
Traduction (Allemand)
Da wir für diese Verse bislang keine andere Quelle ausfindig machen konnten, gehen wir bis auf Weiteres davon aus, dass Barzaeus selbst eine kurze lyrische Einlage gedichtet hat.
Beatus ist ein legendärer frühchristlicher Heiliger (angebliches Todesjahr 112; Festtag 9. Mai). Um der seit dem Mittelalter bestehenden Wallfahrt zur Beatushöhle am Thunersee ein historisch anmutendes, in Wahrheit aber fiktives Fundament zu verschaffen, verfasste der Franziskaner Daniel Agricola 1511 im Auftrag der Interlakener Chorherren eine Legende, gemäss welcher der aus Britannien stammende Beatus von Petrus in Antiochien den Auftrag zur Missionierung der Helvetier erhalten habe und sich nach Gründung einer Gemeinde in Vindonissa in jene Höhle zurückgezogen habe (nach Vertreibung ihres Vorbesitzers, eines Drachens). Agricola adaptierte dabei eine karolingische Vita des hl. Beatus von Vendôme. Die Wallfahrt war infolge des Siegs der Reformation in Bern zur Zeit des Barzaeus schon lange erloschen, doch vermeintliche Reliquien des Beatus waren in die katholische Innerschweiz gelangt und wurden dort verehrt. S. dazu R. Fischer, «Beatus», Historisches Lexikon der Schweiz, Onlineversion vom 10.06.2004, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/010213/2004-06-10/. Weiterführend G. Signori, «Beat, der Schweizerapostel. Eine hagiographische ‚invention of tradition’», in: R. Suntrup/J. R. Veenstra (Hg.), Konstruktion der Gegenwart und Zukunft, Frankfurt a. M., Peter Lang, 2008, 3-23. Wie nicht nur die obige Datierung des Barzaeus belegt, wurde Beatus seinerzeit als Patron der Schweiz angesehen. Beat ist im Übrigen noch heute in der deutschen Schweiz ein häufig anzutreffender Vorname.
Zu dem hier gemeinten Petermann von Praroman (1493-1552), der im Laufe seines Lebens zahlreiche wichtige Ämter in Freiburg bekleidete, s. H. Foerster, «Praroman, Petermann von», Historisches Lexikon der Schweiz, Onlineversion vom 17.02.2010, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/008385/2010-02-17/; zur Identifikation als fiktiver Verfasser des vorliegenden Briefes vgl. Egger (1947), 67. Zu der für die Freiburger Geschichte vom 15.-18. Jh. bedeutenden Familie de Praroman allgemein s. P. F. Kopp, «Praroman, de», Historisches Lexikon der Schweiz, Onlineversion vom 29.09.2010, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/020632/2010-09-29/.
Barzaeus verweist hier in einer Anmerkung auf Ianus Caecilius Frey in Admirandis Galliarum c. 6. Johannes Frey (ca. 1580-1631), ein besonders an Naturphilosophie und neuen geistigen Entwicklungen interessierter Gelehrter, stammte aus Kaiserstuhl im Aargau, der ab 1606 an der Pariser Universität Philosophie studierte, ab 1618 am Collegium Montaigu lehrte und 1622 noch den medizinischen Doktorgrad erlangte. S. zu ihm R. Netz, «Frey, Johannes», Historisches Lexikon der Schweiz, Onlineversion vom 19.03.2003, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/045909/2003-03-19/. Sein Werk Admiranda Galliarum (Paris, Franciscus Targa, 1628) ist eine Darstellung der Geographie und weiterer Merkmale Frankreichs, der Schweiz und weiterer Gebiete, die man in der Antike zu «Gallia» gerechnet hatte. S. dazu Schaumann, «Frey, Janus Cäcilius», Allgemeine Deutsche Biographie 7 (1878), 361-362, Onlineversion, https://www.deutsche-biographie.de/pnd104345608.html#adbcontent. Konkret bezieht sich Barzaeus auf folgende Stelle im sechsten Kapitel (p. 27): Deinde quod Graecorum testimonio prae omnibus Gallorum amicitia expetenda sit, vicinos tamen Gallos nemini esse expetendos.
Sic vocat Architremius Poeta, in encomio urbis Parisinae. «Architremius» ist Jean de Hauville (auch: de Hauteville), der zwischen 1150 und 1199/1216 lebte. Er stammte wohl aus Hauville-en-Remois und war magister an der Kathedralschule von Rouen. Er schrieb ein 4361 Hexameter in neun Büchern umfassendes satirisch-didaktisches Gedicht mit dem Titel Architrenius (zu Deutsch ungefähr: «der grosse Heuler»; oft fälschlich auch als Autorname herangezogen und Architremus/Architremius geschrieben), das 1517 in Paris von Josse Bade unter dem Titel Archithrenius zum ersten Mal gedruckt wurde (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k710924). Johannes de Hauville, Architrenius, hg. von P. G. Schmid, München, Kink, 1974. Auf Basis von Schmid und mit englischer Übersetzung: Johannes de Hauvilla, Architrenius, hg. von W. Wetherbee, Cambridge, Cambridge University Press, 2006. Ein zehn Verse umfassendes Lob der Stadt Paris findet sich Architrenius, liber 2, cap. 17, V. 4-13 (De laude Parisii et adventu in eam); in V. 7 wird Paris dort in der Tat als mundi rosa, balsamus orbis bezeichnet. Dass Barzaeus das Gedicht des Hauville pauschal als encomium urbis Parisinae bezeichnet, deutet darauf hin, dass ihm nur ein Teil des Textes bekannt war. Die zehn Verse zum Lob der Stadt Paris aus Architrenius liber 2, cap. 17 (inklusive der Titulierung der Stadt als Rose und Balsam) findet man z. B. auch abgedruckt auf einer Stadtansicht von 1617, was die Einzelverbreitung dieser Passage belegt: https://www.parismuseescollections.paris.fr/de/node/644102#infos-principales.