Gespensterbuch

Traduction (Allemand)

Aus dem Widmungsbrief (fol. iiro-iiiro; iiiivo)

Ludwig Lavater grüsst den erhabenen, durch seine Klugheit und Tugend hervorstechenden Herrn Hans Steiger, Schultheiss des weitausgedehnten Berner Staatswesens, seinen Herrn und Patron, den er in äusserstem Masse verehren muss.

Gelehrte und Ungelehrte bringen auch in Diskussionen über andere Dinge viele Ansichten zum Ausdruck, besonders aber hinsichtlich der Gespenster, die bei Tag und bei Nacht, zu Land und zu Wasser, auf Äckern und in Wäldern und ebenso in Häusern visuell und akustisch wahrgenommen werden und den Menschen Furcht einflössen; ebenso auch hinsichtlich jener wunderbaren Phänomene, die meistens dem Tod von Menschen, und besonders von grossen Fürsten, und grossen politischen Umwälzungen vorausgehen. Viele, die dergleichen niemals gesehen oder gehört haben, glauben, dass alles, was man darüber erzählt, reiner Unsinn und Altweiberfabel sei; einfältige Menschen (auch furchtsame und abergläubische) redeten sich ein, sie hätten dies oder jenes gesehen, obwohl es sich in Wahrheit ganz anders verhielt. Dagegen gibt es andere, die, sobald sie irgendetwas gehört haben, besonders nachts, sofort glauben, dass irgendein Gespenst herumirre und sich deshalb sehr schlecht fühlen, und das aus dem Grund, dass sie physische Phänomene nicht von Gespenstern unterscheiden können. Manche aber (besonders jene, die aus den Seelen der Verstorbenen Profit schlagen) behaupten, dass es sich bei dem meisten, was man in dieser Hinsicht zu Gehör und zu Gesicht bekommt, um die Seelen von Verstorbenen handle, die die Lebenden um Hilfe angehen, um aus der äusserst schmerzhaften Qual des Fegefeuers befreit zu werden. Viele, nicht nur Menschen aus dem einfachen Volk, sondern auch herausragende Männer stellen sich verwundert die Frage, ob es Gespenster gibt, und um was es sich bei ihnen handelt. Auch haben mich meine Freunde nicht nur einmal darum gebeten, ihnen meine Meinung dazu zu erläutern. Ich werde offenbar also etwas Lohnenswertes tun, wenn ich auf Basis des Gotteswortes und bewährter Schriftsteller kurz und klar darlege, was man über diese Dinge zu denken hat. Diener der Kirche können nämlich nichts Nützlicheres tun als die Menschen mit Blick auf wichtige Fragen, die umstritten sind, auf Basis des Gotteswortes, das (wie der Psalter sagt) eine Leuchte für unsere Füsse ist und ein Licht für unsere Pfade, rein und klar zu belehren und sie aus Irrtum und Aberglauben zu befreien und allen Zweifel und alle Ungewissheit von ihnen zu nehmen.

[...]

Ich hatte diese Abhandlung in der Volkssprache verfasst; doch weil ich zuversichtlich bin, dass sie auch anderen nützlich sein wird, habe ich sie auch in die lateinische Sprache übertragen, wobei ich hier und da einiges hinzugefügt habe.

 

Erster Teil, Kapitel 5 (Viele erschrecken andere, damit sie glauben, sie hätten Gespenster gesehen oder gehört), p. 26-27

Ausserdem geschieht es oft, dass nicht nur witzige, sondern auch böswillige Menschen ihr äusseres Erscheinungsbild verändern, um anderen Furcht einzuflössen. Es ist bei manchen Leuten ganz gebräuchlich, dass jemand sich zu einer bestimmten Jahreszeit ein Haarnetz oder eine Maske überzieht, um die Kinder zu erschrecken, damit sie fleissig arbeiten und ihren Eltern gehorchen; später sagt man ihnen, sie sähen Empusen, Lamien und Mormolyken; sie sind vollständig davon überzeugt, dass das der Wahrheit entspricht und haben meistens furchtbare Angst. Übrigens ist es nicht immer sinnvoll, die Knaben derart zu erschrecken. Manchmal werden sie durch die Furcht schwerkrank und schreien sogar nachts im Schlaf. Salomon lehrt [im Buch der Sprichwörter), dass man die Knaben, wenn sie ihre Pflicht vernachlässigen, mit der Rute züchtigen und ihnen so Furcht einflössen soll; er sagt nicht, dass man sie davon überzeugen soll, dass sie den Empusen, der Nachtfrau oder anderen Monstern zum Frass dienen sollen.

Manchmal ziehen sich auch heitere und zum Scherzen geneigte junge Leute Kleider an, durch die sie wie Teufel wirken oder wickeln sich anderenfalls in Leinentücher ein, um andere zu erschrecken. Wenn einfach gestrickte Menschen ihnen begegnen, zweifeln sie nicht, dass sie böse Geister oder Gespenster erblickt haben. Es ist allerdings nicht immer eine sichere Sache, andere mit derartigen Scherzen und Spielereien zu täuschen; man könnte anhand vieler Beispiele zeigen, wie schlecht das für viele ausgegangen ist. Es ist ein verbreiteter Brauch, dass zu Scherzen geneigte junge Leute, die gemeinsam eine Reise unternehmen, nachts in den Wirtshäusern ein Seil an einem Bettgestell befestigen oder an einem ausgebreiteten Kleidungsstück oder sich unter einem Bettgestell verstecken und anderen einen Streich spielen, indem sie so tun, als wären sie ein Gespenst oder ein Schattenwesen.

Es ist bei uns in Zürich geschehen, dass heiter gestimmte junge Leute ihr äusseres Erscheinungsbild veränderten und auf dem Kirchhof tanzten und einer von ihnen dabei ein mit Knochen einen Sarg schlug, als wäre er eine Trommel. Einige, die das gesehen hatten, verbreiteten bald in der ganzen Stadt, sie hätten einen Totentanz gesehen, und es bestehe die Gefahr, dass darauf bald eine gewaltige Pestepidemie ausbrechen werde.

Ferner wissen alle, dass sich unzüchtige Frauen und Männer unter diesem Vorwand manchmal eine lange Zeit über sexuell betätigt haben und ihre Hausgenossen davon überzeugten, dass Gespenster im Haus umgingen, damit sie selbst nicht in flagranti erwischt würden, sondern wunschgemäss ihre Liebschaften geniessen könnten. Nicht nur einmal wurden derartige Geister von den Behörden festgenommen und der öffentlichen Schande preisgegeben. Auch Diebe haben unter diesem Vorwand oft in der Nachtzeit andere ausgeplündert, die jene Diebe nicht vertrieben, weil sie glaubten, Gespenster zu hören. Dass der böse Geist durch natürliche Dinge, deren wunderbare Kräfte er kennt, wundersame Phänomene hervorbringen und die menschliche Sinneswahrnehmung täuschen kann, darüber will ich hier nichts Weiteres sagen.

 

Erster Teil, Kapitel 16 (Die Alltagserfahrung lehrt, dass es Gespenstererscheinungen gibt), p. 87-91.

Aus all dem hier Ausgeführten ergibt sich, dass niemand leugnen kann, dass viele ehrbare und glaubwürdige Menschen beiderlei Geschlechts, von denen viele noch am Leben und manche bereits verstorben sind, erklärt haben und noch immer erklären, dass sie, mitunter bei Tage, mitunter bei Nacht, Gespenster gesehen und gehört hätten. Jemand geht in seinem Haus umher, da taucht ein Gespenst auf; auch Hunde bemerken manchmal ein Gespenst und heften sich dann eng an die Füsse ihrer Herren und wollen sich nicht von ihnen trennen, denn auch sie empfinden Furcht. Jemand geht zu Bett und stimmt sich auf die Nachtruhe ein, da ist etwas da, rüttelt an der Decke oder zieht sie weg; manchmal setzt es sich auf ihn oder macht es sich auch im Bett bequem; manchmal geht es in der Schlafkammer spazieren. Man hat Menschen zu Fuss oder auf Pferden gesehen, manchmal in feuriger Gestalt, die vielen bekannt waren, aber entweder schon vor langem oder erst jüngst verstorben waren. Es hat sich auch ereignet, dass manche, die in Schlachten gefallen oder eines natürlichen Todes gestorben waren, die Ihren gerufen haben und anhand ihrer Stimme erkannt wurden.

Oft hat man nachts Geister in langsamen Schritt einherschreiten und stöhnen gehört; wenn man sie fragte, wer sie seien, gaben sie zur Antwort, sie seien die Seele dieses oder jenes Menschen und litten sehr grosse Qualen. Wenn sie jemand fragte, wie man sie aus derart harten Qualen befreien könne, gaben sie zur Antwort: wenn man eine gewisse Anzahl an Messen zelebriere, Wallfahrten zu Heiligen einrichte und andere derartige Werke zu ihren Gunsten tue, dann müssten sie befreit werden. Nachher erschienen sie mit viel Licht und Glorie und sagten, sie seien befreit und dankten ihren Wohltätern ungemein; sie versprachen auch, dass sie bei Gott und der heiligen Jungfrauen für sie Fürsprache halten würden. Dass es dabei aber nicht immer Priester oder andere verwegene und blasphemische Menschen gewesen sind, die lügenhaft vorgaben, Seelen zu sein (wie das weiter oben hinsichtlich vieler derartiger Fälle ausgeführt wurde), kann man daraus ersehen, dass sie den Leuten auch in ihren verschlossenen Bettkammern erschienen, die sie beim Zubettgehen sorgfältig mit einer Lampe sorgfältig daraufhin durchsucht hatten, ob sich dort jemand versteckt halte. Auch heutzutage pflegen viele Leute vor dem Zubettgehen alle Winkel sorgfältig zu durchleuchten, um unbesorgter schlafen zu können; dennoch hören sie manchmal irgendwelche [Geister] rufen etc.

Sehr häufig hat es sich ereignet, dass Leute, die sich in irgendeinem Haus aufhielten, glaubten, dass irgendjemand Kochtöpfe, Pfannen, Teller und Tische umwerfe und die Treppe herabschleudere; nachdem es Tag geworden war, sahen sie, dass sich alles an seinem Platz befand.

Von manchen Geistern aber wird berichtet, dass sie eine Tür aus ihren Pfosten rissen und sie wegschleuderten und alles im Haus in Unordnung brachten und verwüsteten, dass sie aber die Dinge später nicht an ihren Platz zurückstellten, und dass sie mit ihrem Tumult die Menschen nachhaltig verstörten.

Nachts hört man in Klöstern und an einsamen Stätten manchmal ein Lärmen, geradewegs als ob Böttcher Weinfässer mit Fassreifen versähen und dichtmachten oder als ob andere Handwerker ihrem Handwerk nachgingen, obwohl es gewiss ist, dass alle zu Bett gegangen sind und sich dem Schlaf hingegeben haben.

Manchmal werden Häuser errichtet, und die Nachbarn hören bei Nacht Holz- und Zementhandwerker und andere Handwerker alles nicht anders betreiben, als ob sie mit der zur Tageszeit betriebenen Arbeit beschäftigt wären; dies wird als glückliches Vorzeichen mit Applaus begrüsst.

Es gibt Leute, die meinen, es geschehe aus einer physisch zu erklärenden Ursache heraus, dass wir die Geräusche, die wir tagsüber gehört haben, auch in der Nacht zu hören vermeinen; die Diskussion dieser Frage überlasse ich Gelehrteren.

Die Bergleute bezeugen, dass in manchen Gruben Gespenster bzw. Geister gesehen werden, die nach der Art der anderen Bergleute bekleidet seien. Diese irren in den unterirdischen Gräben und Gängen herum und scheinen sich mit jeder Art von Arbeit zu beschäftigen, obwohl sie in Wirklichkeit nichts vollbringen: Metalladern freigraben, das Ausgegrabene zu sammeln, es in Gefässe zu füllen und den Kompass zu bedienen. Man sagt, dass sie nur selten Bergleute verletzen, ausser wenn sie durch Gelächter oder Verwünschungen von ihnen herausgefordert werden; dann werfen sie mit Kiesbrocken nach ihnen oder fügen ihnen auf andere Weise Harm zu. Sie sollen sich vor allem in jenen Gruben aufhalten, die sehr reich an Metallen sind.

Ein frommer und gelehrter Mann schrieb mir, es gebe in Davos in den Rätischen Alpen eine Silbergrube, in die der dortige Landammann, Peter Buol, ein hervorragender Mann, in den Vorjahren investierte und aus der er nicht geringen Reichtum zog. In jener Grube gab es einen Berggeist bzw. Bergdämon, der meistens an Freitagen sehr geschäftig gewesen zu sein scheint und, wenn die Bergleute das Ausgegrabene in Gefässe füllten, die Metalle nach seinem Gutdünken von einem Gefäss in das andere schüttete. Der Landammann ertrug das auf eine seiner nicht unwürdige Art: sooft er in die Grube hinabsteigen oder aus ihr emporsteigen wollte, schützte er sich mit einem Kreuzzeichen, und so geschah ihm niemals ein Harm. Es geschah aber, dass ein Bergmann, als jener Geist ihm eines Tages besonders lästigfiel, das schlecht ertrug, ihn beschimpfte und ihn zum Teufel wünschte, wozu er auch noch harte Verwünschungen hinzufügte. Jener Geist packte das Haupt des Arbeiters und verbog ihn so, dass sein Gesicht auf die Rückenseite gedreht wurde, er starb aber dennoch nicht; sondern er lebte noch lange nachher mit seinem herumgedrehten Hals und war vielen durch engen Umgang bekannt, die auch jetzt noch am Leben sind; schliesslich starb er innerhalb weniger Jahre.