Ein Gedicht des Philosophen und Dichters Joachim Vadian, in dem er ein ebenso amüsantes wie nutzbringendes Streitgespräch mit dem Tod führt, den er einen Allesfresser nennt
Traduction (Allemand)
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Gyaros, eine unwirtliche Kykladeninsel in der Ägäis, die in der römischen Kaiserzeit als Verbannungsort diente.
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Ein Ausruf, wie er für Sprache der lateinischen Komödie typisch ist.
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Es gibt in der antiken Mythologie insgesamt drei Parzen, die über das Leben jedes Menschen gebieten: Klotho spinnt den Lebensfaden, Lachesis bemisst seine Länge, Atropos schneidet ihn am Ende durch.
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Phöbus Apoll, den Gott der Dichtung und der Musen.
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Wörtlich übersetzt spricht Vadian vom «Chor der Pympliaden»; gemeint sind hier die Musen, die für die verschiedenen literarischen Gattungen zuständig sind. Pimpla war ein kleiner Ort in der makedonischen Provinz Pieria, bei dem es einen gleichnamigen Berg und eine gleichnamige Quelle gab, die den Musen heilig waren.
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Minerva (griechisch Athene) ist die Göttin der Weisheit.
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Pegasos, laut der griechischen Mythologie Sohn des Meeresgottes Poseidon und der Gorgo Medusa, ist ein geflügeltes Pferd; durch seinen Hufschlag entstand auf dem Helikon-Gebirge in Böotien eine Quelle, die Apoll und den Musen heilig war und aus der zu trinken dichterische Inspiration verlieh.
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Der Mond. Phöbe ist ein Beiname der Artemis/Diana in ihrer Funktion als Mondgöttin.
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Das klimakterische Jahr kehrt alle sieben Jahre wieder; zu diesem Zeitpunkt ist das menschliche Leben besonders gefährlich. Arbogast ist mit 28 Jahren verstorben (also in seinem vierten klimakterischen Jahr). Trümpy übersetzt anders: «Hatte nicht sein hinfällig Leben / Ein Jahrsiebent erfüllt, als zu dem Sterben er kam?». Zum klimakterischen Jahr s. M. Engammare, Soixante-trois. La peur de la grande année climactérique à la Renaissance, Genf, Droz, 2013.
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Die «Unabwendbare», eine der drei Parzen.
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Phöbus Apoll ist u. a. der Gott der Dichter.
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Das Elysium war in der Vorstellung des Altertums der Aufenthaltsort der seligen Geister.
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Vadian verwendet hier im Lateinischen den bibel- bzw. kirchenlateinischen Ausdruck Gehenna, ein Lehnwort aus dem Hebräischen, was eine deutliche Abweichung von dem (pagan-)antiken Dekor ist, das diesen Dialog sonst auszeichnet («Jupiter», «Parzen» etc.), ohne freilich inhaltlich mit den Lehren des Christentums zu kollidieren. Alternativ hätte Vadian von Tartarus sprechen können, was kein eindeutig christlicher Begriff gewesen wäre. Vermutlich waren es weniger inhaltliche Erwägungen, sondern metrische Zwänge, die ihn zur Verwendung von Gehenna führten. Wieder zeigt sich, dass Vadian kein grosser Dichter war; denn ein solcher gebietet der Sprache souverän, statt sich von ihr bezwingen zu lassen.
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D. h. der vor ihm stehende Tod, der als Attribut eine Sichel mit sich führt, wie auch der in der Einführung erwähnte Titelholzschnitt zu diesem Gedicht zeigt.
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Wörtlich übersetzt: «paphischer Vogel» (in Paphos auf Zypern befand sich in der Antike ein berühmter Tempel der Aphrodite; die ganze Insel war der Göttin ebenso heilig wie die Tauben, die angeblich ihren Wagen zogen).
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Hermolaus Barbarus (Ermolao Barbaro; 1453/54-1493) stammte aus dem venezianischen Patriziat. Der Humanist und Jurist wirkte in verschiedenen Funktionen (u. a. als Gesandter) für seine Heimatstadt, blieb aber nach Unstimmigkeiten mit dem venezianischen Senat (ausgehend von seiner Ernennung zum Patriarchen von Aquileia durch Papst Innozenz VIII. während seiner römischen Gesandtschaftszeit, die den compliance-Regeln für venezianische Gesandte widersprach) in Rom, wo er auch starb. Er machte sich als Gelehrter besonders um die Werke des Aristoteles und des Plinius d. Ä. verdient. S. zu ihm etwa E. Bigi, «Barbaro, Ermolao», Dizionario Biografico degli Italiani 6 (1964), Onlineversion, https://www.treccani.it/enciclopedia/ermolao-barbaro_(Dizionario-Biografico)/.
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Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494) war ein Florentiner Humanist, der eine neue «Platonische Akademie» ins Leben rief. Er verband die traditionelle aristotelisch-scholastische Philosophie mit humanistischen Interessen und setzte sich auch intensiv mit jüdischen (Kabbala) und islamischen Traditionen auseinander (er verfügte über Arabisch- und Hebräischkenntnisse). Seine Persönlichkeit und sein Denken machten auf seine Mitlebenden und die Nachwelt grossen Eindruck. Er gehört zu den zentralen Gestalten der italienischen Renaissance. S. zu ihm etwa C. Dröge, «Giovanni Pico della Mirandola», Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 7, (1994), 579-582.
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Der Humanist und Poet Conrad Celtis (1459-1508) aus Wipfeld bei Schweinfurt, den man den «deutschen Erzhumanisten» genannt hat, hatte auf Einladung Kaiser Maximilians I. ab 1507 bis zu seinem Tod als Professor für Beredsamkeit und Dichtkunst an der Universität Wien gewirkt. S. zu ihm etwa H. Rupprich, «Celtis, Konrad», Neue Deutsche Biographie 3 (1957), 181-183, Onlineversion, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118519891.html#ndbcontent; J. Robert, «Celtis, Konrad», Deutscher Humanismus 1480-1520 – Verfasserlexikon 1 (2009), 375-427.
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Thomas Wolff (1475-1509) war ein in Erfurt und Italien ausgebildeter Elsässer Humanist, Theologe und Jurist, der sich besonders als Inschriftensammler verdient machte und briefliche und persönliche Beziehungen zu zahlreichen Humanisten unterhielt. S. zu ihm etwa G. Knod, «Wolff, Thomas», Allgemeine Deutsche Biographie 44 (1898), 52-54, Onlineversion, https://www.deutsche-biographie.de/pnd13007294X.html#adbcontent
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Das heisst seine Kritiker.
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Der aus Spiesheim bei Schweinfurt gebürtige Johannes Cuspinianus (Spießhaymer; 1473-1529) war Humanist und Arzt und machte in Wien Karriere; nach Celtis’ Tod war Cuspinianus, der auch als Historiograph und Handschriftensammler brillierte, die Führergestalt der dortigen Humanisten; in kaiserlichem Auftrag war er auch diplomatisch tätig. S. zu ihm etwa H. A. v. Kleehoven, «Cuspinianus, Johannes», Neue Deutsche Biographie 3 (1957), 450-452, Onlineversion, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11867756X.html#ndbcontent; W. Stelzer, «Cuspinianus, Johannes», Deutscher Humanismus 1480-1520 – Verfasserlexikon 1 (2009), 519-537.
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Der Italiener Johannes Rictius Vellinus (Giovanni Ricuzzi Vellini; gestorben 1546) aus Camerino, ein Franziskanerminorit, lehrte zuerst Philosophie an der Universität Padua und kam vor der Jahrhundertwende nach Wien, wo er 1499 und danach noch mehrfach Dekan der Theologischen Fakultät war. Zum Wiener Humanistenkreis unterhielt der selbst humanistische Interessierte in der Regel freundliche Beziehungen. S. zu ihm etwa J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahrhundert ihres Bestehens, Bd. 2, Wien, Wilhelm Braumüller, 1877, 172-184.
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Der in Ingolstadt ausgebildete Johannes Stabius aus Hueb bei Steyer in Oberösterreich (1460-1522), der die Priesterweihe empfangen hatte, war ein Anhänger des Conrad Celtis. 1502 folgte er diesem nach Wien, wo er selbst zum poeta laureatus gekrönt und nach vermutlicher mathematischer Lehrtätigkeit in den Dienst Kaiser Maximilians I. trat, der ihn zum Hofhistoriographen machte; ausserdem machte er sich um die mathematische Kartographie verdient. S. zu ihm etwa K. Röttel, «Stabius, Johannes», Neue Deutsche Biographie 24 (2010), 777-778, Onlineversion, https://www.deutsche-biographie.de/pnd121675777.html#ndbcontent; H. Grössing, «Stabius, Johannes», Deutscher Humanismus 1480-1520 – Verfasserlexikon 2 (2013), 948-957.
24
Thomas Resch aus Krems in Niederösterreich (auch Velocianus genannt; gestorben 1520) ist bereits in den letzten Jahrzehnten des 15. Jh. als Magister an der Artistenfakultät nachweisbar, der er mehrfach als Dekan vorstand; nach Abschluss eines theologischen Studiums war er auch wiederholt Rektor der Universität. Er edierte Lehrbücher sowie Werke des Conrad Celtis. S. zu ihm etwa J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahrhundert ihres Bestehens, Bd. 2, Wien, Wilhelm Braumüller, 1877, 410-414.
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Georg Collimitius (deutsch: Tannstetter; 1482-1535) aus Rain am Lech (im bayerischen Schwaben) studierte in Ingolstadt und lehrte ab 1502 in Wien, wo er auch zum Dr. med. promovierte und 1512/13 Rektor, ferner einmal Dekan der Artistenfakultät und mehrfach Dekan der Medizinischen Fakultät war, ferner auch Leibarzt mehrerer Habsburger Regenten. Mit seinen Werken profilierte er sich als humanistischer Naturwissenschaftler. S. zu ihm etwa H. Grimm, «Collimitius, Georgius», Neue Deutsche Biographie 3 (1957), 322-323, Onlineversion, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119412039.html#ndbcontent; F.-G. Stuhlhofer, «Tanstetter, Georg», Deutscher Humanismus 1480-1520 – Verfasserlexikon 2 (2013), 1037-1052.
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Petreius Aperbacchus (Peter Eberbach; ca. 1480-1531) aus Heidelberg studierte ab 1497 in Erfurt und begab sich 1505 nach Strassburg. Ab 1510 lebte der Jurist mit anderen Humanisten, darunter Vadian, einige Zeit lang in Hausgemeinschaft; es handelt sich um den Zeitpunkt, in dem das hier vorliegende Gedicht Vadians entstand. 1514/1515 war er in Rom; 1531 starb er in Heidelberg. Er galt als brillanter Vertreter des Humanismus, ohne jemals umfangreichere Werke vorzulegen. S. zu ihm etwa H. Grimm, «Aperbacchus, Petreius», Neue Deutsche Biographie 1 (1953), 324, Onlineversion, https://www.deutsche-biographie.de/pnd131533215.html#ndbcontent.
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Johann Mayr aus Nördlingen in Bayern (Marius Rhaetus; gestorben nach 1518) kam am Anfang des 16. Jh. nach Wien, wo er Anschluss an die humanistischen Kreise gewann. Neben den humanistischen Fächern beschäftigte ihn auch die Mathematik. Er edierte zusammen mit Vadian einige von Ciceros Briefen. Spätestens 1518 verliess er Wien; sein weiterer Lebensweg ist unklar. S. zu ihm etwa J. Aschbach, Geschichte der Wiener Universität im ersten Jahrhundert ihres Bestehens, Bd. 2, Wien, Wilhelm Braumüller, 1877, 335-336.
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Es handelt sich hier wohl um den aus Stuttgart gebürtigen Wiener Arzt Simon Lazius (verstorben 1532), der mehrfach Dekan der Medizinischen Fakultät war. S. zu ihm etwa https://geschichte.univie.ac.at/de/personen/simon-lazius (letzter Zugriff am 5. Oktober 2023). Sein wesentlich besser bekannter Sohn war der humanistisch geprägten Wolfgang Lazius (1514-1565). S. zu diesem etwa M. Kratochwill, «Lazius, Wolfgang», Neue Deutsche Biographie 14 (1985), 14-15, Onlineversion, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118726870.html#ndbcontent; S. Donecker/P. Svatek, «Lazius, Wolfgang», Frühe Neuzeit in Deutschland 1520-1620 – Verfasserlexikon 4 (2015), 70-77.
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Wer hier gemeint ist, liess sich nicht feststellen.
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Vielleicht meint Vadian hier den aus Koblenz stammenden deutschen Humanisten Ulrich Fabricius (1489-1526); Hofrat des Trierer Erzbischofs und sehr glücklich im Auffinden von Handschriften. S. zu diesem T. Muther, «Fabricius, Ulrich», Allgemeine Deutsche Biographie 6 (1877), 524-525, Onlineversion, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100345417.html#adbcontent. Allerdings gehen aus dem Artikel ungeachtet der vielen dort aufgezählten Reisen und Bekanntschaften des Ulrich Fabricius keine Kontakte zu Wien und seiner Universität hervor, was diese Identifikation wiederum fraglich macht. Sie wird auch dadurch erschwert, dass wir nicht wissen, wer der «Zepusianus» ist, mit dem dieser «Fabricius» zusammen in einem Vers genannt wird.
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Der Sinn dieser Stelle ist nicht ganz klar. Vermutlich meint Vadian, dass viele zu sehr darauf vertrauen, dass sie noch nicht zum Sterben bestimmt sind, und sich daher vor dem Tod (bzw. gefährlichen Situationen, die zum Tod führen können) zu wenig in Acht nehmen.