Kommentar des Myconius zu Wilhelm Tell
Traduction (Allemand)
Traduction: Clemens Schlip (französischer Originaltext der Anmerkungen von David Amherdt)
Eine Abschweifung zu Wilhelm. Es scheint wichtig, an dieser Stelle etwas über die Gewaltherrschaft dessen zu wissen, der einst über Uri und Schwyz herrschte. Denn er hatte sich bis zu einem solchen Grad von Wahnsinn verstiegen, dass er bei Uri einen Hut auf der öffentlichen Strasse aufstellte und befahl, ihn so zu verehren als wenn er selbst leibhaftig dastünde. Jener Wilhelm missachtete diesen Befehl einige Male, weil er vollkommen ungerecht war; deshalb wird er ergriffen und dem Tyrannen vorgeführt. In der Befragung schreibt er den Grund für seine Unbesonnenheit seiner Unklugheit zu und bittet um Verzeihung. Der Tyrann achtet nicht auf diese Antwort, schweigt, lässt die Kinder Wilhelms herbeibringen und zwingt diesen, vom Haupte des Sohnes, der ihm unter diesen am liebsten ist, einen Apfel mit einem Pfeil wegzuschiessen, unter dem Vorwand, dass er seine Bogenkunst kennenlernen möchte, von der er wahrgenommen habe, dass sie so oft mit wunderbaren Lobsprüchen bedacht werde.
Schon ist diese Sache glücklich erledigt, da erregt ein Geschoss, das Wilhelm hinten in sein Obergewand gesteckt hat, dem Tyrann in seinem Inneren Verdacht. Den wahren Grund brachte er nicht eher aus ihm heraus, als bis er ihm das Leben zugesichert hatte. Da sagt jener, er habe dieses Geschoss aufbewahrt, um den Tyrannen zu töten, falls er sein Söhnlein getroffen habe. Der Tyrann befiehlt voll Empörung sofort, ihn in Fessel zu legen, in ein Schiff zu werfen und nach Schwyz wegzubringen, und dort für immer gefangenzuhalten. Und schon waren sie mitten auf dem See (er heisst See von Luzern). Da aber entsteht plötzlich ein ungeheurer Sturm, so dass alle an ihrer Rettung verzweifelten und mit einer Stimme ihrem Herren zuriefen, dass er Wilhelm losbinden solle, damit er sie rette. Deshalb wird er auf den Befehl jenes Mannes hin losgebunden und greift nach dem Steuerruder; man glaubte, das Schiff sei in seichtem Wasser. Nicht viel später aber fasst er Hoffnung auf Rettung, da er nicht weit entfernt einen Felsen beim Ufer aus dem Wasser ragen sieht. Deshalb ermuntert er die Knechte des Tyrannen, sie sollten rudern; das sei nämlich notwendig. Sie gehorchen, man stösst gegen den Felsen; Wilhelm ergreift sein Söhnlein, Bogen und Pfeile (das alles war mit ihm zusammen auf das Schiff geworfen worden), begibt sich mit einem plötzlichen Sprung auf den Felsen und stösst mit seinen Füssen das Schiff so kräftig wie er kann auf die hohe See hinaus.
Er eilt in raschem Lauf durch Schwyz zu einem Weg, den man «Hohle Gasse» nennt, und der sich vom Gau Küssnacht bis zum Arthsee erstreckt, den man auch Zugersee nennt. Dort bereitet er einen Hinterhalt vor. In der Zwischenzeit kommt der Tyrann im Hafen an. Er musste dort vorübergehen, wo Wilhelm sich verbarg. Nachdem er also zum Ort des Hinterhalts gekommen ist, durchbohrt ihn jener mit einem abgeschickten Pfeil, kehrt hierauf zu den seinen zurück und erzählt die ganze Sache, wie sie sich ereignet hat. Nicht lange danach wurde von einer sehr kleinen Schar das erste Bündnis geschlossen.
Der Autor erklärt hier den Vokativ Guilielme in V. 8 des Gedichtes von Glarean.