Pilgerfahrt ins Heilige Land und nach Ägypten
Jost von Meggen
Einführung: Clemens Schlip (traduction française: David Amherdt/Kevin Bovier). Version: 18.09.2023.
Entstehungszeitraum: Jost von Meggen unternahm seine Pilgerfahrt von Frühjahr 1542 bis Frühjahr 1543 und arbeitete danach bis etwa 1546 an seinem Manuskript, das er von Heinrich Bullinger und Andreas Masius Korrektur lesen liess; laut dem Herausgeber von 1580 wurde die Druckausgabe von «hochgelehrten Männern» durchgesehen.
Handschrift (Autograph mit Korrekturen des Andreas Masius): Zentral- und Hochschulbibliothek, Luzern, MS Pp 21 4°.
Edition: Iodoci a Meggen patricii Lucerini peregrinatio Hierosolymitana, [herausgegeben von Jost Segesser von Brunegg], Dillingen, Ioannes Mayer, 1580.
Im Jahr 1542 unternahm der Luzerner Patrizier Jost von Meggen (1509-1559), der von Oswald Myconius in Luzern und von Heinrich Glarean in Basel humanistisch gebildet worden war (1524-1527/28) und danach auch noch in Orléans studiert hatte (1528/29), eine Pilgerfahrt nach Jerusalem. Der spätere Hauptmann der Schweizergarde in Rom (ab 1548) wusste aus seiner eigenen Familiengeschichte, dass eine derartige Reise nicht ohne Risiko war: Sein Onkel Hans von Meggen hatte auf seiner Pilgerfahrt 1497 mit Piraten zu kämpfen gehabt und war den dabei erlittenen Verletzungen erlegen. Er lag auf Kreta begraben; Jost von Meggen besuchte sein Grab in der Franziskanerkirche von Candia (Heraklion) und liess Messen für ihn lesen. Jost von Meggen muss die Arbeit am Manuskript seines Reiseberichts gegen 1546 abgeschlossen haben, denn in diesem Jahr bat er Gelehrte darum, es Korrektur lesen; bemerkenswert ist, dass der Luzerner Katholik gemäss eigenem Zeugnis auch die Hilfe des Zürcher Reformators und Theologen Heinrich Bullingers in Anspruch nahm. Jost von Meggens Tod im Jahr 1559 trug wohl dazu bei, die Drucklegung zu verzögern. 1563 interessierte sich der katholische Glarner Gelehrte Aegidius Tschudi (1505-1572) für das Manuskript; er überarbeitete und ergänzte seinerseits damals gerade den Pilgerbericht seines verstorbenen Bruders Ludwig Tschudi (1495-1530), der letztlich in einer sich durch viele gelehrte Exkurse auszeichnenden Ausgabe (die sicher nicht von Ludwig, sondern von Ägidius stammen) erst 1606 im Druck erscheinen sollte. Als Herausgeber der posthum in Dillingen nahe Augsburg erschienenen Peregrinatio Jost von Meggens fungierte 1580 sein Pflegesohn Jost Segesser von Brunegg (1534-1592). Dieser widmete die Ausgabe seinem Schwiegervater, dem Luzerner Patrizier Heinrich Fleckenstein (gest. 1589); er erwähnt im Widmungsbrief (p. 3-4), dass der Text von «hochgelehrten Männern» (p. 3: doctissimis viris) durchgesehen worden sei, ohne auf ihre Identität näher einzugehen. Vor dem eigentlichen Reisebericht folgt in dieser Edition noch eine kurze Biographie Jost von Meggens (p. 5-8), die man trotz fehlender Verfasserangabe auch Jost Segesser von Brunegg wird zuschreiben wollen. In einem Hinweis an den Leser weist der Drucker Johannes Meyer am Ende des Bandes auf den schlechten Zustand des Manuskripts hin, das ihm zur Verfügung gestanden hatte, und bittet um Entschuldigung für etwelche Fehler.
Jost von Meggen, ein nicht ganz ungebildeter Mann, bediente mit seiner Peregrinatio Hierosolymitana ein literarisches Genre, das zu seiner Zeit bereits über ein gewisses Alter und feststehende Traditionen verfügte. Dieser historischen und literarischen Hintergründe sollen im Folgen streiflichtartig erhellt werden, wobei immer wieder auch der konkrete Reisebericht des Luzerner Patriziers in den Blick genommen werden soll. Als Vergleichstexte, in denen sich Jost von Meggens Ausführungen gelegentlich spiegeln lassen, haben wir dabei aus dem Meer möglicher Texte vor allem zwei ausgewählt: den vielleicht berühmtesten aller Heilig-Land-Pilgerberichte, das äusserst umfangreiche und unvergleichlich detaillierte Evagatorium des Ulmer Dominikaners (und gebürtigen Zürchers) Felix Fabri (Pilgerfahrt ins Heilige Land und zum Sinaikloster 1483/84) und den Pilgerbericht des Urner Patriziers Josue von Beroldingen (Pilgerfahrt ins Heilige Land 1518). Felix Fabri reiste 1480 und 1483-1484 ins Heilige Land, beim zweiten Mal auch nach Ägypten und auf den Sinai; über beide Reisen verfasste er Berichte, von denen besonders der über die zweite, das Evagatorium in zwölf Büchern, aufgrund seiner genauen Beobachtungen von besonderem Wert ist (Fabri selbst erstellte eine für Dominikanerinnen bestimmte deutsche Auswahlfassung dieses Berichts, deren Lektüre ihnen gleichsam eine geistlich-meditative Pilgerfahrt ermöglichen sollte, und die ab 1556 mehrfach auch gedruckt wurde). Josue von Beroldingen verfasste über seine erste Pilgerfahrt einen Bericht auf Deutsch, der erst vor einigen Jahren vom damaligen Stiftsbibliothekar des Klosters Einsiedeln wiederentdeckt, ediert und übersetzt wurde.
Die Heilig-Land-Wallfahrt entstand aus dem Bedürfnis von Christen heraus, mit eigenen Augen die Orte zu sehen, an denen ihr Heiland gelebt und gewirkt hatte und wo er für sie gekreuzigt worden, gestorben und in den Himmel aufgefahren war. Den ersten christlichen Jahrhunderten war dieser Wunsch nach persönlicher Spurensuche an den historischen Schauplätzen der Evangelien noch weitgehend fremd, er entwickelte sich erst nach der konstantinischen Wende im Zuge der Konstitution der Reichskirche, die mit grossen Kirchbauten an den heiligen Stätten einherging. Das Interesse Helenas, der Mutter Kaiser Konstantins, an den heiligen Stätten, ihre Pilgerfahrt dorthin und die damit verbundene Auffindung von Reliquien (am wichtigsten die des Heiligen Kreuzes) sind von Legenden umrankt. Der Pilgerbericht der Egeria (Aetheria), die vor/um 400 das Heilige Land besuchte, ist nicht nur aus frömmigkeits- und kulturgeschichtlichen Gründen wichtig, sondern auch, weil er eine wichtige sprachhistorische Quelle für das Vulgärlatein ist. Auch nach der Eroberung Palästinas durch die muslimischen Araber im 7. Jahrhundert kamen weiter Pilger aus dem lateinischen Westen dorthin. Die Errichtung der Kreuzfahrerstaaten nach dem Ersten Kreuzzug brachten dem Wallfahrtswesen einen grossen Aufschwung. Aus der heilsgeschichtlichen Bedeutung Jerusalems resultierte es, dass man im Mittelalter Jerusalem (ausgehend von jüdischen Vorstellungen) als das geographische Zentrum der Welt (Nabel der Welt) betrachtete. Ausserdem erwartete man (ausgehend von Joel 4,2), dass das Jüngste Gericht am Ende der Zeiten vom Tal Josaphat (Kidrontal) zwischen dem Tempelberg und dem Ölberg stattfinden werde. Seit dem definitiven Ende des Königreichs Jerusalem im Jahr 1291 mit dem Fall von Akkon (Jerusalem selbst war bereits 1244 endgültig verloren gegangen, nachdem Friedrich II. zuvor die 1187 von Saladin eroberte Stadt 1229 durch friedliche Verhandlungen gegen den Willen des Papstes noch für einige Jahre zurückgewonnen hatte) musste sich die Christenheit dauerhaft damit abfinden, dass das Heilige Land sich (abermals) unter der Herrschaft eines andersgläubigen Regenten befand. Unter diesen Umständen untersagte Rom zunächst die Pilgerfahrten zu den biblischen Stätten, da die katholischen Pilger durch ihre Ausgaben vor Ort und die von ihnen zu leistenden Abgaben nicht zur Finanzierung des religiösen Gegners beitragen sollten. Es zeigte sich allerdings rasch, dass das Bedürfnis nach Pilgerfahrten sich nicht unterdrücken liess, so dass bereits Anfang des 14, Jahrhunderts Pilgerfahrten wieder erlaubt wurden (auch das Verbot des Handels mit Muslimen erwies sich als nicht durchsetzbar). In der Folgezeit bildete sich ein mehr oder weniger festes Schema für die Jerusalempilgerreisen aus. Besondere Bedeutung kam dabei den Franziskanern zu, die sich seit dem 14. Jahrhundert mit Erlaubnis des Sultans und in päpstlichem Auftrag (1342: Bullen Gratiam agimus und Nuper charissimae von Clemens VI.) als Vertreter der lateinischen Kirche um die heiligen Stätten und die Betreuung der lateinischen Pilger kümmerten; ab 1335 residierten sie auf dem Sionsberg in Jerusalem, bis sie im 16. Jahrhundert von dort vertrieben wurden und sich schliesslich stattdessen in das Salvatorkloster begaben, wo sie heute noch sind. Auf das Engagement der Franziskaner geht es wohl auch zurück, dass viele heilige Stätten nun auch mit grosszügigen (und schliesslich auch päpstlich bestätigten) Ablässen verbunden waren, die einen zusätzlichen Anreiz boten, die lange Reise auf sich zu nehmen. Für die von ihnen erbrachten Dienstleistungen – die Jost von Meggen sehr lobt (etwa in Text 2 unserer Präsentation) – erbaten die Franziskaner von den Pilgern Spenden.
Die genaue Zahl der Pilger festzustellen, wird durch die Quellenlage erschwert; es dürften aber im 14. und 15. Jahrhundert (und auch zumindest in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts) jährlich mehrere hundert gewesen sein. Laut Jost von Meggen kamen alleine mit seinem Schiff 1542 insgesamt 67 Pilger in Jaffa an. Die Reformation führte zu einer Krise der Jerusalempilgerfahrt, weil sie die Verdienstlichkeit solcher äusserlichen Glaubensakte wie Wallfahrten in Abrede stellte, was zu einer abnehmenden Teilnehmerfrequenz (zumindest aus den von der Reformation tangierten Gebieten) führte. Diese Ablehnung von Wallfahrten galt für Luther und Calvin ebenso wie für Zwingli. Luther schrieb 1521 in seiner Schrift Vom Missbrauch der Messe über die Heilig-Grab-Pilgerfahrt (ins Neuhochdeutsche übersetzt): «Nach dem Grab, in dem der Herr gelegen hat und das nun die Sarazenen innehaben, fragt Gott gleichviel wie nach den Kühen der Schweiz» – nämlich gar nicht (warum Luther die Kühe der Schweiz nicht leiden konnte, bleibt sein Geheimnis). Einige Jahre später allerdings äusserte er sich milder über derartige Reisen: Dem Jerusalempilger Hans von Sternberg schrieb er 1530 in einem Widmungsbrief zu einer Neuauflage seiner Auslegung des 117. Psalms, er habe nichts gegen diese Wallfahrt, er würde sie eigentlich gerne selbst machen, müsse sich aber stattdessen leider mit Erzählungen darüber begnügen. Der Zürcher Reformator Heinrich Bullinger las gerne Reiseberichte aus dem Heiligen Land; und wie oben bereits erwähnt wurde, war er offenbar bereit, das Manuskript Jost von Meggens Korrektur zu lesen. Es ist daher jüngst zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es unrichtig ist, den Protestanten ab dem 16. Jahrhunderts pauschal eine grundsätzliche Abneigung gegen Reisen ins Heilige Land zu unterstellen (sie blieben etwa stolz auf die entsprechenden Wallfahrten ihrer Vorfahren). Die vereinzelt noch in Jerusalem eintreffenden protestantischen Pilger fielen dadurch auf, dass sie den Empfang des Abendmahls unter einer Gestalt nach römisch-katholischer Sitte verweigerten.
Ihre Reise nach Jerusalem führte für die meisten Pilger – auch für Jost von Meggen – durch Venedig, wo es seit dem 14. Jahrhundert spezialisierte und staatlich lizenzierte Reeder für diese Art von Personentransport gab (dass sie auf ihren Fahrten darüber hinaus auch Waren mitführten, war eine stete Quelle für Misshelligkeiten zwischen Schiffherren und Fahrgästen). Der patronus des Schiffes begleitete die Pilger auch im Heiligen Land, und diese kehrten mit dem gleichen patronus nach Venedig zurück, wenn sie es nicht vorzogen, einen Abstecher nach Ägypten (wie Jost von Meggen) oder in andere Regionen zu machen. Wenn Jost von Meggen den Reiseweg von Luzern bis Venedig nur recht kurz abhandelt, entspricht das dem üblichen Vorgehen solcher Reiseberichte. Eine Besonderheit seines Berichts ist, dass er von Venedig aus zunächst noch einen Abstecher zum Marienwallfahrtsort von Loreto machte, da man in Venedig noch auf die Ankunft weiterer Pilger für die Überfahrt wartete.
Anders als zu Beginn der Jerusalempilgerfahrten in der Spätantike waren weibliche Pilger im Mittelalter und der Neuzeit eine Ausnahme (Jost von Meggen erwähnt sie nur kurz); dazu trugen sicher die für Frauen wenig geeigneten Rahmenbedingungen bei. Neben den damals unvermeidlichen Härten einer längeren Schifffahrt (drangvolle Enge, aus heutiger Sicht katastrophale hygienische Verhältnisse) drohten besonders bei der Rückfahrt im Frühherbst Stürme, und natürlich stets Überfälle durch Piraten; gegen letztere war es hilfreich, wenn das Schiff der Pilger den Eindruck von Wehrhaftigkeit vermittelte. Neben dem besonders an Bord virulenten Hygieneproblem sorgten auch das ungewohnte Klima, unvertraute Nahrung und an Land grassierende Krankheiten dazu bei, dass viele Pilger nicht überlebten: Es sei hier als prominentes Schweizer Beispiel nur an den Freiburger Patrizier Peter Falck erinnert, der sich 1519 auf der Rückreise in Zypern die Pest einfing und seine letzte Ruhestätte infolgedessen auf Rhodos fand; auch Jost von Meggen erwähnt Todesfälle während der Fahrt (so zum Beispiel in Text 1 unserer Präsentation). An Bord solcher Schiffe sorgte der patronus auch für Disziplin; Jost von Meggen schildert, wie auf seiner Rückfahrt vom Heiligen Land nach Zypern ein Mundschenk wegen Gotteslästerung ausgepeitscht werden sollte, und nur die Fürsprache des zufällig an Bord anwesenden Guardians des Jerusalemer Sionsklosters ihn davor bewahrte. Nach in der Regel vier bis acht Wochen gelangten die in Venedig gestarteten Schiffe (nach diversen Zwischenstationen, etwa auf Korfu, Kreta, Rhodos und Zypern, die den Pilgern Gelegenheiten zu Landgängen und auch schon zum Besuch von wichtigen Reliquien gaben) in Jaffa an; im Falle Jost von Meggens dauerte die Schifffahrt von Venedig nach Jerusalem knapp zwei Monate (21. Juni bis 21. August 1542). In Jaffa musste man zunächst die Behörden und den Guardian des Sionskosters über die Ankunft informieren, um schliesslich die Erlaubnis zur Weiterreise zu erhalten; es war üblich, dass örtliche Beamte an Bord kamen und sich (auch mit Alkohol) bewirten liessen; wir präsentieren Jost von Meggens diesbezügliche Ausführungen zu seiner Ankunft in Jaffa (Text 1). Der Aufenthalt im Heiligen Land wurde dann in höchstens zwei bis drei Wochen unter der Aufsicht der Jerusalemer Franziskaner durchgeführt. Jeder Pilger bedurfte dafür einer vom Papst bzw. von diesen damit beauftragten Prälaten ausgestellten Erlaubnis; fehlte diese, so verfiel er der Exkommunikation. Allerdings konnte man sich davon nach Ankunft im Heiligen Land vor Ort von den Franziskanern sogleich wieder absolvieren lassen. Oftmals wurde Pilgern unterstellt, dass ihre religiöse Motivation von Abenteuerlust und anderen Zielen (etwa vermehrtes soziales Prestige) überlagert werde; wie von Jost Meggen erwähnt, thematisierte der Guardian des Jerusalemer Sionsklosters in seiner Ansprache an die Pilgergruppe bei deren Ankunft in Jerusalem (Text 2) diese Tatsache: Es gebe Pilger, die die Reise nur aus weltlicher curiositas heraus unternähmen (wobei er rhetorisch klug hinzufügte, hinsichtlich der vor ihm Stehenden habe er einen solchen Verdacht nicht); ausserdem gab er ihnen bei dieser Gelegenheit eine Reihe wichtiger praktischer Informationen. Auch die Franziskaner konnten nicht verhindern, dass die Pilger nicht selten unangenehme Erlebnisse mit den Behörden und der muslimischen Bevölkerung hatten; Jost von Meggen schildert, wie die Einheimischen schon im Hafen von Jaffa Pilger beklauten, zu Boden stiessen und ohrfeigten (letzteres sei auch ihm widerfahren). Manche Pilger betrachteten es auch als Herabwürdigung, dass sie auf Eseln und Maultieren reiten mussten (Pferde scheinen allerdings keineswegs grundsätzlich ausgeschlossen gewesen zu sein); Städte und Ortschaften durften sie tagsüber nur zu Fuss betreten. Dafür entrichteten sie oft hohe Gebühren, wie überhaupt der Aufenthalt im Heiligen Land eine kostspielige Angelegenheit war; die Einheimischen liessen sich Waren und Dienstleistungen teuer bezahlen, ausserdem wurden immer wieder Gebühren und Trinkgelder erforderlich, gegen deren oft willkürliche Einforderung sich die Pilger nicht gut zu Wehr setzen konnten. Besonders für Pilger mit ritterlichem Hintergrund war es eine ungewohnte und unangenehme Erfahrung, Zurücksetzungen und Beleidigungen ungestraft hinnehmen zu müssen.
Die Pilgerfahrt nach Jerusalem konnte ein kostspieliges Unterfangen sein: Der Innerschweizer Hans Schürpff schätzte den finanziellen Aufwand (inklusive seines Verdienstausfalls während der langen Reise) auf den Gegenwert eines Hauses. Der Historiker Arnold Esch hat errechnet, dass der durchschnittliche Preis einer Schiffsreise ins Heilige Land und zurück in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit 35 venezianischen Dukaten dem Jahreslohn eines Basler Söldners und dem Drittel des Jahresgehalts eines Basler Juraprofessors entsprach; hinzu kamen aber noch die Kosten der Reise nach Venedig, der mitunter wochenlange Aufenthalt dort, Aufwendungen in den diversen Häfen und die erheblichen Ausgaben, mit denen man in Palästina selbst zu rechnen hatte. Wer nicht über genügend Geldmittel verfügte, musste damit rechnen, seine Reise abbrechen zu müssen, wenn nicht grosszügige Mitpilger für ihn einsprangen, wie das zwei armen Pilgern auf dem Schiff Felix Fabris im Jahre 1483 zuteilwurde, die ihr Reeder schon in Rhodos eigentlich von Bord werfen wollte; nur die Grosszügigkeit von Fabris wohlhabenden Reisegenossen ermöglichte den beiden die Weiterfahrt. Unter den Pilgern überwog daher insgesamt eine Klientel aus Geistlichen (die ihre Fahrten teilweise von reichen Mäzenen finanziert bekamen, wie Felix Fabri), Rittern und Mitgliedern des städtischen Patriziats (in diese Kategorie gehört auch Jost von Meggen). In diesen Bevölkerungsgruppen war die Schreib- und Lesefähigkeit vergleichsweise stark ausgeprägt, was sicher ein Grund dafür ist, dass so viele von ihnen zur Feder griffen, um ihre Reise für die Mit- und Nachwelt festzuhalten; an eine spätere Drucklegung haben sie dabei übrigens keineswegs immer gedacht. Reizvoll ist es, wenn man mehrere Berichte aus ein und derselben Pilgergruppe miteinander vergleichen kann und etwas über die mitunter erstaunlichen Unterschiede ihrer individuellen Wahrnehmung erfährt; Geistliche, Ritter und Kaufleute registrierten entsprechend ihrer Vorprägung unterschiedliche Dinge, dazu kamen natürlich noch Unterschiede im persönlichen Temperament. Ab dem Ende des Mittelalters geben die Autoren tendenziell ihren individuellen Eindrücken und Empfindungen immer mehr Raum.
Die Heilig-Land-Wallfahrt, wie sie sich im Zusammenspiel von Franziskanern, venezianischen Reedern und muslimischen Behörden herausbildete, schränkte die individuelle Mobilität des einzelnen Pilgers stark ein; ein Vergleich mit heutigen Formen betreuter Pauschal- und Gruppenreisen geht nicht fehl. Straff organisierte einheimische Dolmetscher (Dragomane) spielten eine wichtige Rolle dabei, die Pilger zugleich zu kontrollieren und sie bei praktischen Problemen zu unterstützen. Auch dass die Pilger schon in Europa aufgrund der nautischen Zeitfenster für eine Fahrt ins Heilige Land zwangsläufig oft zu ähnlichen Zeiten an die gleichen Orte kamen (Venedig!) führte zu einer gewissen Gleichförmigkeit ihrer äusseren Erlebnisse und Eindrücke. Daran liegt es, dass die Pilgerberichte sich in vielen Einzelheiten ähneln. So schauten sich viele Pilger während ihres unvermeidlichen Aufenthalts in Venedig das Grosse Arsenal (Schiffswerft, Zeughaus, Flottenbasis) der Serenissima an, von dessen Ausdehnung sie nicht selten geradezu überwältigt waren. Üblich war es auch, in den Reisebericht den jeweiligen Vertrag einzufügen, den man in Venedig mit dem Schiffspatron abgeschlossen hatte; nicht überraschend ähneln sich auch diese Verträge in vielen Einzelheiten. Da Jost von Meggen bei dieser Gelegenheit auch alle Unterschriften wiedergibt, erfährt man, dass er sich einer Gruppe von 16 Flamen und Franzosen anschloss. Die Pilger hatten aufgrund der üblichen Abfahrtstermine (und nach Massgabe der Länge ihres Aufenthalts) auch die Möglichkeit, das Fest der Vermählung des Dogen mit dem Meer am Tage Christi Himmelfahrt (Festa della Sensa) oder die venezianischen Fronleichnamsfeiern mit eigenen Augen zu sehen (beide beschreibt auch Jost von Meggen). Die Kirchen der Lagunenstadt boten ihnen ausserdem schon die Möglichkeit zum Besuch zahlreicher Reliquien.
Ähnlichkeiten zwischen den verschiedenen Pilgerberichten ergeben sich auch daraus, dass viele Autoren ihre persönlichen Eindrücke durch Informationen und Schilderungen ergänzten, die sie den Werken früherer Pilger, gängigen Pilgerhandbüchern, Ablassbüchern oder anderen gelehrten Schriften entnahmen. Gerade die Beschreibung der heiligen Stätten in Palästina selbst fällt oft sehr stereotyp aus, weil die Pilger hier besonders extensiv auf Buchwissen zurückgriffen, um ein möglichst komplettes Bild zu zeichnen (wodurch sie wohl auch signalisieren wollten, dass sie das spirituelle Optimum aus ihrer Reise gezogen hatten); interessanter wird es wiederum, wenn die Autoren auf die Rahmenereignisse eingehen, die ihren Besuch dieser Orte begleiteten (z. B. das Hinreiten und was sie dabei erlebten). Als Beispiel für eine solche sichtlich mit gelehrten Lektüre- und Wissensfrüchte angereicherte Ortsbeschreibung wählen wir in unserer Präsentation aus dem Bericht Jost von Meggens seine Beschreibung der Geburtskirche in Bethlehem aus (Text 3). Auch seinem kleinen Exkurs über Aussehen und Eigenschaften des Kamels, den er in seinen Ägyptenbericht eingeschaltet hat (Text 6), merkt man deutlich an, dass er hier unbestreitbare eigene Anschauung durch Buchwissen ergänzt hat.
Die Heilig-Land-Pilgerfahrt brachte die Pilger in unmittelbaren Kontakt mit den orthodoxen und orientalischen Christen, die sie in ihren Berichten natürlich auch erwähnten, wobei sie wiederum angelesenes Hintergrundwissen integrieren; die ihnen zuvor meist unbekannten griechischen Gottesdienste konnte sie übrigens auch schon in Venedig und selbstverständlich auf Zwischenstationen wie Zypern besuchen. Die in den Pilgerberichten immer wiederkehrenden Berichte über Stürme, Schiffsunglücke, Piraten und Raubüberfälle zeigen, dass solche Widrigkeiten zum Pilgeralltag gehörten, wobei natürlich nachträgliche literarische Übertreibungen und Stilisierungen nie auszuschliessen sind. Wir präsentieren aus Jost von Meggens Peregrinatio als entsprechende Beispiele eine eindrückliche Sturmschilderung (Text 4) sowie den dramatischen Bericht über einen Raubüberfall (durch Nomaden?), den er und seine Mitreisenden in der ägyptischen Wüste erlebten (Text 7). In letzterem weiss er freilich nicht nur die Rohheit der Räuber hervorzuheben, sondern auch die Geistesgegenwart eines Mitpilgers, der den Grossteil seines Geldes listig dem Zugriff der Räuber zu entziehen wusste. Man darf im Übrigen festhalten, dass Naturereignisse und Raubüberfälle den Pilgern nicht erst in Palästina und Ägypten, sondern schon auf dem Weg von der Schweiz nach Venedig und zurück drohen konnten.
Wie andere Pilger mit entsprechendem gesellschaftlichen Hintergrund (wie die bereits erwähnten Felix Fabri, Peter Falck und Josue von Beroldingen) hat sich auch Jost von Meggen am Heiligen Grab in Jerusalem zum Ritter schlagen lassen und darüber berichtet; auf p. 136-146 der Peregrinatio hat er den rituellen Ablauf der Zeremonie eingefügt (es ist unübersehbar, dass er hier nicht aus dem Gedächtnis zitiert, sondern eine schriftliche Quelle konsultiert hat). Diese Sitte ist erstmals 1335 belegt; hatten zunächst (bis Ende des 15. Jahrhunderts) Pilger aus dem Ritterstand die Zeremonie vorgenommen, so wurde sie im Laufe der Zeit zur Domäne der Franziskaner; auch Jost von Meggen berichtet an der bereits genannten Stelle von ihrem Vollzug durch den Guardian des Sionsklosters. Tendenziell war diese Würde eine Sache für adelige Pilger, aber auf diese Vorbedingung wurde nicht immer stringent Wert gelegt, was mitunter auch bürgerlichen Mitgliedern der Stadteliten die Möglichkeit bot, zu Rittern zu werden; Jost von Meggens Familie gehörte im Übrigen seit etwa 1500 bereits dem Adel an. In der Heimat fand man als Ritter vom Heiligen Grab sozialen Anschluss an den Kreis derjenigen, die sich diese (schon aus praktischen Gründen auch weiterhin nicht jedem zugängliche) Würde auch zu verschaffen gewusst hatten. Der Ritterschlag verpflichtete zu einer standesgemässen adeligen Lebensweise (das implizierte etwa Verzicht auf Handarbeiten und Handel) und zur Bereitschaft, gegen die Ungläubigen zu kämpfen. Diese Bedingungen, besonders die mit finanziellen Implikationen, hielten manche davon ab, den Ritterschlag zu empfangen, auch wenn er ihnen angeboten wurde; so etwa 1519 Niklaus von Meggen (1497-1564), einen Halbbruder des Jost. Gegen Beginn des 16. Jahrhunderts hatte sich das Jerusalemerkreuz als Ordensinsignie eingebürgert, die manche Grabesritter als Emblem übernahmen.
Jost von Meggen und seine Mitreisenden wagten sich von Jerusalem aus sogar zum Jordan, wo sie in dem Wasser badeten, in dem Johannes der Täufer Jesus getauft hatte; diese Gegend galt als notorisch unsicher und war bei den muslimischen wie den christlichen Reisebegleitern unbeliebt, weshalb viele Pilger nicht an den Fluss gelangten. Jost von Meggen badete sich im Jordanwasser und schwamm zum anderen Ufer hinüber und zurück; aus dem Reisebericht Felix Fabris wissen wir, dass den Pilgern manchmal davon abgeraten wurde (was dessen Mitreisende aber auch nicht beeindruckte).
Nur eine verhältnismässig kleine Zahl von Pilgern kehrte nach Abschluss ihrer Heilig-Land-Wallfahrt nicht direkt nach Venedig zurück, sondern setzte ihre Reise nach Ägypten fort. Jost von Meggen tat dies mittels einer Schifffahrt von Jaffa (Abfahrt 9. September 1542) über Zypern nach Alexandrien (Ankunft 18. Oktober), wobei bis Zypern auch der Guardian der Jerusalemer Franziskaner an Bord war, der sich beim Sultan in Konstantinopel über die zunehmende Belästigung der Pilger und die Probleme der Franziskaner im Heiligen Land beschwerten wollte. Wir präsentieren mehrere Stellen aus dem Bericht Jost von Meggens über seine Ägyptenreise (Texte 5-8). Von Alexandrien aus setzte Jost von Meggen mit nur noch fünf Begleitern am 22. Oktober die Reise, teilweise auch auf dem Nil, nach Kairo fort (Ankunft am 28. Oktober), da andere Passagiere nicht mehr genug Geld hatten, die Weiterreise für zu gefährlich hielten oder krank waren. Anders als im Heiligen Land konnten die europäischen Pilger in Ägypten ihre Reise nicht auf derart ausgefeilte organisatorische Strukturen zurückgreifen, wie sie die Franziskaner im Heiligen Land garantierten. Von Alexandrien nach Kairo liessen sich Jost von Meggen und seine Gefährten durch einen Janitscharen führen; sie hatten ausserdem einen Übersetzer (Dragoman) angeheuert. In Kairo beherbergte sie ihr Übersetzer (Dragoman), ein Grieche namens Vinzenz, in seinem Haus und sie erkundigten sich bei griechischen Mönchen nach der nächsten Karawane zum Sinai und wurden mit den Arabern, die dafür zuständig waren, handelseinig. Dass die Abreise der Karawane sich bis zum 8. November verzögerte, nutzten die Europäer für eine ausführliche Stadtbesichtigung; Jost von Meggen spiegelt diese Pause in seinem Reisebericht, indem er seiner Leserschaft die Stadt schildert und ethnographisches und zoologisches Hintergrundwissen liefert (wir präsentieren daraus mit Text 5 einen Exkurs über islamische Sitten und mit Text 6 zoologische Informationen zum Kamel). Ein sehr wichtiges Ziel einer Pilgerreise nach Ägypten war das zwischen 548 und 555 unter Kaiser Justinian gegründete Katharinenkloster auf dem Sinai, wo man nicht nur die Reliquien der heiligen Katharina von Alexandrien verehren, sondern auch die Stätte aufsuchen konnte, wo Gott dem Moses im Dornbusch erschienen war, sowie die Berge, auf denen der Herr dem Moses die Gesetzestafeln überreicht hatte (Mosesberg; Djebel Musa), und wo Engel den Leib der Alexandriner Märtyrerin abgelegt hatten (Katharinenberg; Djebel Katrina); die letztgenannten Berge stellten eine besondere körperliche Herausforderung dar, der sich nicht alle Sinaipilger mehr stellen mochten (Jost von Meggen allerdings schon). Kurz vor der Ankunft am Katharinenkloster am 19. November ereignet sich der oben bereits einmal erwähnte Raubüberfall (Text 7). Dass es sich bei dem Heiligtum um eine griechisch-orthodoxe Einrichtung handelte, störte den Katholiken Jost von Meggen nicht erkennbar, wenngleich er mit feiner Ironie schildert, die Mönche hätten die Versorgung der Pilger gegen Ende seines Aufenthalts spürbar eingeschränkt, nachdem sie erkannt hatten, dass von ihnen keine gewaltigen Spenden zu erwarten waren. Wer das Sinaikloster besucht hatte, durfte das Rad der heiligen Katharina zu seinem Emblem machen; ein einfacherer Weg dazu war ersatzweise der Besuch der Katharinen-Kirche in Famagusta auf Zypern (ihrem angeblichen ersten Gefängnis im Schloss ihres Vaters), der mit dem Privileg verbunden war, zumindest das halbe Rad in sein Wappen aufzunehmen.
Ein Reisender im Nahen Osten wie Jost von Meggen gewann eigene Eindrücke vom Alltag und Leben in einem islamisch beherrschten Gebiet. Für die meisten Pilger dürfte ihre Pilgerreise nach Jerusalem das einzige Mal in ihrem Leben gewesen sein, dass sie unmittelbaren Kontakt mit Muslimen hatten. Das war keine Begegnung auf Augenhöhe, und die Pilger mussten im Heiligen Land wie in Ägypten sich oft einiges an Willkür und Schikanen vonseiten einheimischer Muslime gefallen lassen, die nicht dazu beitrugen, ihre in der Regel schon vorhandenen negativen Vorannahmen über die fremde Religion zu verbessern. Nur gelegentlich entstanden vertrauensvolle Beziehungen zwischen den christlichen Gästen und ihren einheimischen muslimischen Führern: Felix Fabri freut sich bei seiner zweiten Pilgerfahrt, als er wieder die Dienste eines Maultiertreibers in Anspruch nehmen kann, mit dem er bereits beim ersten Mal gute Erfahrungen gemacht hatte. Ganz anders ist das Verhältnis, in dem Jost von Meggen und seine Reisegefährten zu ihren Führern zum Katharinenkloster standen; sie trauetn ihnen ohne Weiteres zu, dass sie mit den die Gruppe attackierenden Räubern unter einer Decke stecken (Text 7; und dieser Verdacht muss wohlgemerkt gar nicht falsch gewesen sein). In seine Beschreibung der Stadt Kairo – eine Grossstadt, die viele europäische Pilger sehr beeindruckte – hat Jost von Meggen einen kleinen Exkurs über Sitten und Gebräuche der Muslime eingefügt (Text 6), der neben einigen richtigen Beschreibungen (Art der muslimischen Freitagsheiligung; Abneigung gegen den Buchdruck) auch grobe Missverständnisse enthält. In der Regel fehlende Arabischkenntnisse trugen dazu bei, dass unter den europäischen Pilgern teilweise abstruse Vorstellungen über die islamischen Sitten verbreitet waren: Die auch von Jost von Meggens geteilte hanebüchene Vorstellung, der Muezzin rufe nachts die Muslime zur fleissigen Fortpflanzung auf, ist in dieser Hinsicht geradezu ein Klassiker. Dass man die Landessprache nicht beherrschte (und in der Regel auch keine Anstalten machte, sie zu erlernen), erhöhte natürlich auch die Abhängigkeit Jost von Meggens und anderer Pilger von einheimischen Führern und Übersetzern (Dragomanen). Eine wissenschaftlich besser fundierte Auseinandersetzung mit dem Islam und seinen Inhalten findet man auf diesem Portal an anderer Stelle (Koranübersetzung des Theodor Bibliander).
Am 6. Dezember verliess Jost von Meggen mit noch fünf Begleitern (darunter der griechische Dragoman; der tödlich erkrankte sechste Gefährte blieb zurück) das Katharinenkloster, wobei sie sich zwei Türken anschlossen, die eine Wallfahrt zu der kleinen Moschee auf dem Klostergelände unternommen hatten. Einige weitere Zwischenstationen (darunter einen längeren Zwischenhalt in at-Tur während des Ramadans) übergehen wir hier. Nach einer Schifffahrt von Kairo aus gelangte man nach Rosette. Die Reise von Rosette nach Alexandrien (30.-31. Januar 1543), die letzte Etappe seines Ägyptenaufenthalts, ist auch der letzte Ausschnitt, den wir hier präsentieren (Text 8). Er zeigt noch einmal gut einige der zahlreichen Unwägbarkeiten, mit denen ein mitteleuropäischer christlicher Pilger im Orient zu kämpfen hatte: übergriffige Zollbeamte, die seine (auch sprachliche) Hilflosigkeit ausnutzen, störrische Reittiere (er schildert das nicht ohne Humor), ungewohntes Klima, Krankheit und die absolute Abhängigkeit der Segelschifffahrt von natürlichen Rahmenbedingungen (günstigem Wind). Gerade an solchen Stellen, in denen Jost von Meggen literarisch seine mutig ertragenen Erfahrungen von Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit inszeniert (wie auch schon in der Sturmschilderung in Text 4 und dem Raubüberfall in Text 7) wird er auch auf die emotionale Anteilnahme moderner Leser rechnen dürfen. Zugleich wird in diesem letzten Abschnitt aber auch deutlich, dass es auch hilfreiche Einheimische gab, wie die Türken, die den zeitweise alleine reisenden Jost von Meggen einluden, sie zu begleiten, und dass der Pilger auf die Hilfe seiner christlichen Mitreisenden rechnen konnte, als es darum ging, eine rasche Abreise zu organisieren, um seine geschwächte Gesundheit nicht weiter dem ägyptischen Klima aussetzen zu müssen. Wie in Text 8 geschildert, bestieg Jost von Meggen in Alexandrien am 31. Januar ein Schiff nach Sizilien, wo er es am 18. März 1543 (Palmsonntag) in Crotone verliess; er verzichtete dort auf weitere maritime Abenteuer und setzte seine Heimreise weitgehend zu Land fort; das ermöglichte ihm noch den Besuch von Städten wie Salerno, Neapel, Rom und Bologna (dort, in einer Stadt des Kirchenstaats, sah er Papst Paul III. mit dem grösseren Teil des Kardinalskollegiums). Den restlichen Reiseweg, aus Italien hinaus, über die Alpen heim nach Luzern, handelt er am Ende seiner Peregrinatio sogar noch kürzer ab als auf der Hinreise; sein genaues Ankunftsdatum in Luzern nennt er nicht.
Mag der Pilgerbericht des Jost von Meggen sich an Detailreichtum und Vollständigkeit der Beobachtung auch nicht mit dem monumentalen Werk des Felix Fabri messen können – den man nicht umsonst als den Proust dieser Gattung bezeichnet hat – so kann man auch ihm das Verdienst zusprechen, in seiner Peregrinatio zu einer guten Mischung aus frommer Selbstinszenierung als guter Katholik und mutiger Pilger, ethnographischer, historischer und topographischer Belehrung und spannenden, die Leserschaft zum Mitfiebern animierenden Episoden gefunden zu haben. Dass er dafür im Unterschied zu Fabri nicht zwölf Bücher, sondern nur ein Buch mit insgesamt 24 Kapiteln benötigte, wird mancher heutige Leser ihm dankbar als Stärke anrechnen. Die acht Ausschnitte, die wir hier (mit umfangreicher Kommentierung in der deutschen und französischen Übersetzung) aus diesem vergleichsweise wenig bekannten Werk präsentieren, sollen dabei helfen, ihm zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.
Bibliographie
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