Brief an Joachim Vadian über verschiedene Themen (v. a. schwäbisch-schweizerischer Konflikt und Projekt einer Kosmographie der Schweiz)
Peter Falck
Einführung: Kevin Bovier (deutsche Übersetzung: Clemens Schlip). Version: 10.02.2023.
Entstehungsdatum: 18. Februar 1519.
Handschrift (Autograph): Kantonsbibliothek Vadiana St. Gallen, VadSlg Ms 41a, fol. 137ro-138vo.
Ausgabe: Die Vadianische Briefsammlung der Stadtbibliothek St. Gallen, Bd. 2, 1518-1522, hg. von E. Arbenz, Sankt Gallen, Fehr, 1894, 216-219, Nr. 141.
Peter Falck (ca. 1468-1519) war im Leben der Stadt Freiburg im Üechtland eine Persönlichkeit, an der man nicht vorbeikam, doch sein Profil unterscheidet sich merklich von dem der schweizerischen Humanisten, die wir im Rahmen dieses Projekts vorstellen. In Falck tritt uns nicht der typische Gelehrte jener Epoche entgegen, insofern als er sich den studia humanitatis nicht im Rahmen eines akademischen Studiums gewidmet hatte; nach dem Tode seines Vaters hatte man ihn von der Schule genommen und ins Elsass geschickt, um ihn zum Notar auszubilden. Daran liegt es, dass er kein Werk verfasst hat, auch wenn der hier zu betrachtende Brief zeigt, dass er einen Plan dazu hatte. Dafür war er – parallel zu einer erfüllenden politischen Karriere – ein wichtiger Mäzen der humanistischen Bewegung in der Schweiz (Glarean widmete ihm beispielshalber seine Isagoge in musicen, die 1516 erschien); seine private Bibliothek, die zu einem grossen Teil heute noch in Freiburg aufbewahrt wird, bezeugt im Übrigen seine humanistischen Interessen. Sein unaufhaltbarer Aufstieg im Herzen der Freiburger Gesellschaft brachte ihm das Amt des Bürgermeisters (1511-1514) und Schultheissen (1516-1519) der Stadt Freiburg ein. Er spielte auch bei den militärischen Expeditionen der Eidgenossen nach Schwaben (1499) und Chiasso (1510) eine wichtige Rolle und vor allem bei der nach Pavia (1512), wo er die Freiburger Truppen kommandierte. 1510 vertrat er auf der Tagsatzung seine Stadt und nahm zwischen 1512 und 1514 an den Gesandtschaften der Eidgenossen nach Rom, Venedig und Mailand teil; im Rahmen einer anderen Gesandtschaftsreise, die ihn nach Paris führte, wurde er vom französischen König Franz I. zum Ritter geschlagen (1517). Er war ein frommer Mann und unternahm 1515-1516 seine erste Pilgerfahrt nach Jerusalem, an die er 1519 eine zweite anschloss, die er gemeinsam mit mehreren Eidgenossen unternahm; auf der Rückfahrt von dieser zweiten Pilgerfahrt zog sich Falck die Malaria zu. Er verstarb am 6. Oktober und wurde in der Franziskanerkirche von Rhodos beigesetzt; sein Grab ist heute nicht mehr auffindbar.
Sein ganzes Leben hindurch unterhielt Falck Briefwechsel mit zahlreichen in der Eidgenossenschaft aktiven Intellektuellen, wie Erasmus, Glarean, Vadian, Myconius oder auch Zwingli. Er trug eine bedeutende Bibliothek zusammen, die damals eine der grössten der Schweiz war. Von den 270 erfassten Werken sind die meisten auf Laten verfasst und wurden in Italien erworben. Sie decken eine grosse Zahl von Themen ab, wie etwa Geschichte, Geographie, Lexikographie oder auch die Medizin; es befinden sich darunter auch einige religiöse Werke und, seltener, juristische. Zu jener Zeit war Freiburg gewisse keine Hochburg des schweizerischen Humanismus, doch das bedeutet nicht, dass Falck in seiner Heimatstadt als Intellektueller alleine gewesen wäre. Seine Freunde Hieronymus Candelphius (Gandelfing), Pierre de Cléry und Theoderich von Englisberg teilten seine Interessen und besassen ebenfalls Bibliotheken, auch wenn diese eine bescheidenere Grösse hatten und ihr Bestand weniger bekannt ist als der der Falckschen Bibliothek.
Der Brief, den wir hier präsentieren, ist an Joachim Vadian, den späteren Reformator von Sankt Gallen, adressiert und wurde kurz vor Falcks zweiter Abreise nach Jerusalem verfasst. Er stellt eine sehr wichtige Quelle für Falcks Biographie dar.
Der Inhalt des Briefs lässt sich folgendermassen zusammenfassen:
- Dank an Vadian für seine Briefe und ein Exemplar seines Kommentars zu Pomponius Mela.
- Falcks mangelnde literarische Bildung und ihre Ursachen.
- Glückwünsche an Vadian für die Stellung, die er in Sankt Gallen errungen hat.
- Ein falsches Gerücht, Glarean sei gestorben; die Querele zwischen Schweizern und Schwaben, in die Falck Glarean verwickeln wollte (und Anspielung auf die Affäre der parva logicalia); ein Projekt, das durch Falks Abreise ins Heilige Land gescheitert war; Anspielung auf die Schlacht bei Marignano; Glareans Abreise nach Paris und die Ehren, die er dort empfangen hat.
- Hoffnung auf ein Treffen mit Vadian, um das literarische Projekt zu Verteidigung der Schweizer wiederaufzunehmen; ein Scherz auf Kosten Heinrich Bebels.
- Projekt einer Kosmographie der Schweiz in Zusammenarbeit Vadian, das wegen Falcks zweiter Pilgerfahrt an Ostern verschoben wird.
- Begegnung mit Johannes Dantiscus bei seiner Durchreise durch Freiburg; Entdeckung ihrer gemeinsamen Zuneigung zu Vadian; Brief des Dantiscus an Vadian, den Falck nach der Tagsatzung übermittelt hat.
Wenn es auch stimmt, dass Falck nicht dem Normaltypus des Humanisten entspricht, darf man doch nicht ganz für bare Münze nehmen, was er in seinem Brief über seine mangelnde Bildung sagt: Er ersetzte durch fleissige Lektüre (häufig nach seinen Alltagsgeschäften) das, was er nicht durch einen Lehrer hatte erlernen können. Neben seiner deutschen Muttersprache und dem Lateinischen beherrschte er das im zweisprachigen (damals vorwiegend deutschsprachigen) Freiburg ebenfalls verbreitete Französische und vielleicht auch ein bisschen Griechisch.
Sein deutliches Interesse an der Geographie, das hier in dem kosmographischen Projekt zum Ausdruck kommt, das er Vadian vorschlägt, lässt sich auch schon anlässlich seiner ersten Pilgerfahrt wahrnehmen (1515-1516), bei der er sich die Standorte der besuchten Stätten notierte; darin nahm er sich den Geographen Ptolemaios zum Vorbild, den er in lateinischer Übersetzung besass. In einem weiteren Sinne teilte Falck die Schwärmerei deutscher Gelehrter für Disziplinen wie Geschichte und Geographie. Man muss auch erwähnen, dass die Freiburger die Kosmographie des Pomponius Mela schon kannte, bevor Vadian ihm seinen Kommentar schickte; er besass die Ausgabe dieses Textes, die der italienische Humanist Ermolao Barbaro veranstaltet hatte. Auch Falck war auf diesem Feld aktiv, wie man aus einem Brief des Myconius an Vadian ersehen kann: Als Myconius damit beschäftigt war, einen Kommentar zur Helvetiae Descriptio des Glarean zu verfassen, hatte Falck ihm geschrieben, um ihm zwei Ortsnamen mitzuteilen, die sich in der Vita des heiligen Gallus von Walafrid Strabo finden.
Bibliographie
Adam, R., «Peter Falck (ca. 1468-1519) et ses livres: retour sur une passion», Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 56 (2006), 253-272.
Dahhaoui, Y., Peter Falck: l’humaniste et sa bibliothèque/Peter Falck: der Humanist und seine Bibliothek, Freiburg i. Ü., Pro Fribourg, 2017 (Pro Fribourg 196).
Tremp, Ernst: «Falck, Peter», Historisches Lexikon der Schweiz, Onlineversion vom 12.03.2020, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014986/2020-03-12/.
Wagner, A., «Peter Falcks Bibliothek und humanistische Bildung», Freiburger Geschichtsblätter 28 (1925), 1-213 (besonders 129-213).
Zimmermann, J., «Peter Falk: ein Freiburger Staatsmann und Heerführer», Freiburger Geschichtsblätter 12 (1905), 1-150 (für diesen Brief besonders 117-119).