Erster Trostbrief an Aegidius Tschudi
Heinrich Glarean
Einführung: Émilien Genoud (deutsche Übersetzung: Clemens Schlip). Version: 10.02.2023.
Entstehungsdatum: 25. April 1550.
Handschriften (Kopien): Zürich, Zentralbibliothek, ms. J 431, fol. 56vo-74vo (Abschrift sämtlicher Briefe), hier: fol. 62vo-63ro; Glarus, Landesbibliothek, ms. N 29, 2vo-24vo (29 Briefe), hier: fol. 5vo-6ro; Glarus, Landesarchiv, «Sammlung verschiedener Urkunden das Tschudi Geschlecht betrefende» (Tschudi-Familien-Akten), Bd. 2, 205-221 (sämtliche Briefe), hier: 210; Glarus, Landesarchiv, «Stammtafel und historischer Bericht von dem uralten adelichen Geschlecht der Tschudi von Glarus […]», Bd. 3-4, passim (Abschrift von 31 Briefen, Erwähnung der sieben übrigen Briefe), hier: Bd. 4, 1070.
Ausgabe: Müller (1933), 51-52, Nr. 17.
Dieser Brief lässt sich in drei Partien gliedern. Im ersten Teil tröstet Glarean Tschudi anlässlich des Todes seiner Gattin, Anna Stucki, eines Ereignisses, auf das er auch im folgenden Brief vom 13. Mai zurückkommt, in dem sein Trost noch ausführlicher ausfällt. Im zweiten Teil berichtet er von Gerüchten hinsichtlich des Augsburger Reichstags, der bald darauf eröffnet werden sollte, und fällt ausserdem harsche Urteile über Deutschland und Kaiser Karl V. Im dritten Teil teilt er Neuigkeiten über seinen eigenen Gesundheitszustand mit.
Der Trost, den Glarean in diesem Brief leistet, ähnelt dem in seinem Brief vom 13. Mai: er nimmt eine kurze laudatio vor (honesta matrona heroicis virtutibus ornata), erinnert daran, dass er die gleiche Prüfung zu erdulden gehabt hatte (qui eundem casum in amittenda uxore sensi) und verleiht seinem Schmerz Ausdruck (Plurimum me dolere ob uxoris tuae mortem). Die consolatio im eigentlichen Sinne basiert auf den gleichen Mitteln wie dort, nämlich philosophischen und christlichen Reflexionen, die dazu aufrufen, die mit der conditio humana auf Erden verbundenen Leiden zu erdulden und Zuflucht in der Religion und in Gott zu finden. Glarean stützt sich dabei besonders auf ein Horazzitat, das er der Ode 1,24 entnimmt, die ihrerseits ein Trostgedicht par excellence darstellt.
Der Augsburger Reichstag fand zwischen dem 26. Juli 1550 und dem 14. Februar 1551 statt. Glareans Informationen über die Eröffnung des Reichstags (sub VIII calendas Iulias) sind nichtsdestoweniger exakt oder beinahe exakt: der Reichstag sollte ursprünglich am 15. Juni 1550 beginnen. Der Schmalkaldische Krieg hatte zwischen 1547 und 1548 eine Konfrontation der kaiserlichen Macht mit einer Allianz aufständischer protestantischer Fürsten mit sich gebracht. Der siegreiche Kaiser hatte danach einen ebenfalls bereits in Augsburg stattfindenden Reichstag anberaumt, der zwischen 1547 und 1548 abgehalten wurde. Dort war das Augsburger Interim verkündet worden, das, wie sein Name schon verrät, in zeitlich begrenzten Massnahmen bestand, die den katholischen Kultus im ganzen Reich wiederherstellten, wobei in Erwartung des Abschlusses des Trienter Konzils und der danach erhofften Rückkehr der Protestanten zum katholischen Bekenntnis dem Protestantismus einige Zugeständnisse gemacht worden waren. Der Reichstag von 1550/51 verfolgte im Wesentlichen das Ziel, die Massnahmen des Interims zur Anwendung zu bringen und die Angelegenheit der aufständischen Fürsten zu regeln.
Bibliographie
Müller, E. F. J., Glarean und Aegidius Tschudi. Ihre menschlichen und gelehrten Beziehungen. Mit 38 Briefen Glarean’s aus den Jahren 1533 bis 1561, Freiburg i. Ü., Hess, 1933.