Monachopornomachia

Simon Lemnius

Einführung: Clemens Schlip (traduction française: David Amherdt/Kevin Bovier). Version: 10.02.2023.


Entstehungszeitraum: terminus post quem ist in jedem Fall der Juni 1538 (Flucht aus Wittenberg), terminus ante quem der April 1539 (Erscheinungstermin; vgl. unten in der Einführung); vermutlich hatte Lemnius mit der Arbeit an dem Werk nicht lange vor seiner ersten Ankündigung in seiner Apologia (März 1539; vgl. unten in der Einführung) begonnen.

Ersterscheinung: Lutii Pisaei Iuvenalis Monachopornomachia. Datum ex Achaia Olympiae nona, ohne realistische Orts- und Jahresangabe [1539], hier: A2ro-A2vo; B1vo-B2ro; B5ro-B5vo; B7vo; C4ro-C5ro.

Ausgaben: Neues Journal zur Litteratur und Kunstgeschichte [...] Zweyter Theil, hg. von Christoph Gottlieb von Murr, Leipzig, Schäferische Buchhandlung, 1799, 82-132; Simon Lemnius, Latratus poetici. Monachopornomachia. Threni Ioannis Eckii, Cosmopoli [=Brüssel], 1866; Les noces de Luther ou la Monachopornomachie de Simon Lemnius [...] traduit du Latin pour la première fois avec le texte en regard, Paris, Isidore Liseux, 1893; Monachopornomachia – Der Mönchshurenkrieg. Threni/Klaggesang. Von der Sardoa, hg. und übs. von G. Vorberg, München, Georg Müller, 1919 (nur deutsche Übersetzung); L. Mundt, Lemnius und Luther. Studien und Texte zur Geschichte und Nachwirkung ihres Konflikts (1538/39), Bd. 2: Texte, Bern u.a., Peter Lang, 1983, 257-315 (mit deutscher Übersetzung), hier: 258-259; 274-275; 280-283; 288-289; 304-307.

Metrum: elegische Distichen.

 

Hintergründe und Inhalt

Die Monachopornomachia (der «Mönchshurenkrieg») ist zumindest ihrem Namen nach über die Jahrhunderte hinweg wahrscheinlich das bekannteste Werk des Simon Lemnius gewesen. Sie verdankt ihre Entstehung der publizistischen Auseinandersetzung des Lemnius mit Luther, der 1538 in Wittenberg rabiat gegen die erste Auflage der Epigramme des jungen Dichters vorgegangen war und ihn dadurch zur Flucht aus der Stadt gezwungen hatte. Wir stellen diese Abläufe an anderer Stelle genauer dar. Im April 1539 veröffentlichte Lemnius unter dem Pseudonym Lutius Pisaeus Iuvenalis die Monachopornomachia. Zuvor hatte er bereits in seiner im März erschienenen Apologia angekündigt, dass er einen harten satirischen Schlag gegen seine Wittenberger Widersacher vorbereitete:

Cumque mihi alioqui mens sit generosa, maximos motus concipio planeque dolore in iram converso totus in ultionem exagitor ac spicula venena tincta mihi praeparo. Et si qua tela Lycambeo sanguine antea minus cruentata fuerunt, nunc tandem Archilochum et eius generum commovebo, nunc sagittas sanguine spargam.

Auch wenn ich sonst sehr grosszügig bin, bin ich sehr erregt, und mein Schmerz hat sich ganz in Zorn verwandelt. Ich werde dadurch zur Rache getrieben und bereite Pfeile vor, die ich mit Gift getränkt habe. Und wenn zuvor meine Geschosse noch recht wenig von Lykambes-Blut rotgefärbt waren, werde ich nun schliesslich doch Archilochos und seinen Schwiegersohn aufjagen und meine Pfeile mit Blut tränken.

Der Titel lässt sich als Anspielung auf das pseudohomerische Epyllion Batrachomyomachia («Froschmäusekrieg») verstehen, allerdings legt Lemnius seinerseits kein Kleinepos vor, sondern einen Text, den man am ehesten wohl als Komödie bezeichnen kann, auch wenn Lemnius selbst keinerlei Gattungszuweisung vornimmt. Das Stück enthält keinerlei Hinweise (etwa Akteinteilung, Abgangsfloskeln oder den üblichen Appell zum Applaus am Ende), die nahelegen, dass es für eine szenische Realisierung vorgesehen war. Es handelt sich also um ein Lesedrama. Auch der grob obszöne Inhalt legt nahe, dass Lemnius selbst nicht ernsthaft an eine Aufführung gedacht haben dürfte. In jüngerer Zeit allerdings ist die Monachopornomachia zumindest einmal tatsächlich auf die Bühne gebracht worden. Das Stück steht verrät den Einfluss der Tradition der satirischen Hetärengespräche des kaiserzeitlichen Schriftstellers Lukian (120-180/200), der auch mittelbar über Erasmus von Rotterdam (z. B. Colloquia familiaria) starken Einfluss auf die Dialogliteratur des Humanismus hatte; Lemnius gibt seinen Dialogpartien jedoch eine extrem pornographische Ausrichtung. Zahlreiche Anleihen hat Lemnius bei dem kaiserzeitlichen Epigrammatiker Martial (40-103/104) genommen (vgl. dazu den Apparatus fontium unserer Edition). Dieser bot sich aufgrund seiner zahlreichen sexuell gefärbten Gedichte dafür an. Es ist sicher kein Zufall, dass Lemnius sich in seiner Monachopornomachia besonders an diesem Vorbild orientiert und dementsprechend als Metrum auch das (für dramatische Texte unübliche, für Epigramme dagegen reguläre) elegische Distichon anwendet: hatte doch die ganze Auseinandersetzung mit Luthers Vorgehen gegen die Epigramme des Lemnius begonnen, die sich natürlich ebenfalls sehr stark an dem grossen Vorbild Martials orientieren.

Dem Inhalt nach ist die Monachopornomachia ein satirischer Angriff auf Martin Luther, den ehemaligen Augustinermönch, und seine 1525 in Wittenberg mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora geschlossenen Ehe. Dies wird ergänzt durch eine satirische Darstellung der Ehen der Luther-Mitstreiter Justus Jonas und Georg Spalatin, denen Lemnius eine Mitschuld an seiner ungerechten Behandlung in Wittenberg zuschrieb. Die Lutherkritik greift noch andere Aspekte auf: Lemnius wirft Luther zum Beispiel Rechtsbeugungen vor oder attackiert dessen Haltung im Bauernkrieg (siehe die Widmung Ad Lutherum; V. 1-24). Der politische Aspekt ist jedoch in Lemniusʼ Polemik nur schwach ausgeprägt. Noch auffälliger ist, dass Luthers religiöse Lehren für Lemnius offensichtlich keine Rolle spielten. Schon sein mehrjähriger Studienaufenthalt in Wittenberg (1534-1538) macht deutlich, dass er persönlich an der reformierten Lehre offenbar keinen Anstoss nah. Umgekehrt ist kein Übertritt seinerseits zu dieser Lehre belegt, und schon die Widmung seiner Epigramme an Luthers Widersacher Kardinal Albrecht zeigt, dass er kein überzeugter Protestant war. Diese religiös indifferente Haltung verdient Beachtung; sie unterscheidet Lemnius signifikant von den vielen auf diesem Portal präsentierten schweizerischen Humanisten, die in Personalunion zugleich reformierte Theologen waren (und sie unterscheidet ihn auch von einem überzeugten Katholiken wie Glarean). Der Auslöser für das Verfassen der Monachopornomachia war keine authentische religiöse oder politische Überzeugung des Lemnius, sondern seine persönliche Empörung und Kränkung über die Behandlung, die ihm in Wittenberg nach Erscheinen der ersten Auflage seiner Epigramme zuteil geworden war.

Die Eheschliessung zwischen dem ehemaligen Augustinermönch Luthers mit einer gewesenen Nonne am 13. Juni 1525 hatte in den Reihen der Katholiken empörte Reaktionen ausgelöst. Noch im selben Jahr liess Hieronymus Emser (1487-1527) einen nach dem Vorbild mittelalterlicher Sequenzen gestalteten satirischen Hymnus auf diese Eheschliessung und eine in Hexametern gehaltene Verwünschung dieser Verbindung erscheinen; wörtliche Anklänge bei Lemnius lassen vermuten, dass er den Hymnus kannte. Weitere publizistische Angriffe von katholischer Seite folgten. Beachtung verdient davon die deutschsprachige fünfaktige Komödie Ein heimlich Gespräch von der Tragedia Johannis Hussen des Johannes Cochlaeus (1479-1552) von 1538. Im vierten und fünften Akt treten dort auch die Ehefrauen wichtiger Wittenberger Reformatoren auf. Die Darstellung der Ehen Luthers, Spalatins und des Jonas bei Cochlaeus hat Lemnius ganz eindeutig gekannt und sich davon beim Verfassen seiner eigenen Satire beeinflussen lassen. Dies wird schon in der Äusserlichkeit deutlich, dass er für Spalatins und Jonasʼ Ehefrauen die von Cochlaeus eingeführten fiktiven Vornamen Jutta und Elsa übernimmt (in Wahrheit hiessen auch diese jeweils Katharina).

 

Aufbau der Monachopornomachia

Das insgesamt 949 Verse umfassende Werk lässt sich in folgender Weise gliedern (wir orientieren uns dabei vor allem auch an den Zwischenüberschriften im Text, sofern solche vorhanden sind):

1-24 (Ad Lutherum): Widmung an Luther, der als Aufrührer und Unzüchtiger charakterisiert wird.

25-81 (ein Vorspiel): Venus, die Liebesgötter (Cupidines) und ein Chor babylonischer und zyprischer Mädchen begehren Einlass in Luthers Haus, was ihnen der Pförtner gerne gewährt. Luther selbst erlaubt ihnen, Spiele und Gesänge aufzuführen. Die Mädchen stimmen einen Gesang an, in dem sie Luthers Aufrührertum und seine sexuelle Zügellosigkeit preisen. Cupido fordert den «Gott der verbotenen Hochzeit» (Hymenaeus Inconcessus) auf, Mönch und Nonne zu vereinen; der fordert seinerseits Luther auf, mit seinem Bericht zu beginnen.

82-311 (De nuptiis Lutheri et Cattae Monachae): Auf einen Klagemonolog Luthers über sein Liebesleid (82-93) folgt ein Dialog zwischen ihm und seinen Freunden (94-231), in denen er ihnen seine (verbotene) Liebe zu Katharina von Bora gesteht; seine entsetzten Freunde raten ihm stattdessen zu einer gewinnbringenden Ehe mit einer jungen Wittenbergerin. Luther ist einverstanden. Doch da meldet Justus Jonas die Ankunft zweier Wagen mit Nonnen (232-237). Und schon meldet sich die eben eingetroffene Katta (=Katharina von Bora) zu Wort und zwingt Luther gegen seinen Willen und das Zureden des Jonas und der anderen Freunde, mit ihr den frevelhaften Ehebund zu schliessen (238-291). Jonas bestätigt Luthers Entschluss und ruft die anderen auf, aus Solidarität zu Luther jeweils auch eine der eben angekommenen Nonnen zu ehelichen (292-311).

312-331 (Hymeneus Lutheri et Cattae Monachae): Ein «Hochzeitsgesang», der die Frevelhaftigkeit dieser Eheschliessung betont.

332-351 (Ad Lectorem und Ad Matronas und Cupido ad Monachas): Zwei eingeschaltete Ansprachen des Autors; er warnt den Leser, dass ihn diese Lektüre aufgeilen wird; die verheirateten Frauen ruft er auf, die Lektüre zu vermeiden. Danach fordert Cupido die Nonnen auf, mit dem Schauspiel zu beginnen.

352-803 (Hauptteil): Es folgt der Hauptteil des Werkes, seinerseits gegliedert in 21 Szenen, in denen die Personen des Stücks (die Ehepaare Luther, Spalatin, Jonas und einige weitere Personen) in unterschiedlicher Besetzung auftreten (die Namen der jeweils auftretenden Personen dienen als Zwischenüberschriften und Gliederungselemente). Bis V. 740 folgen die Szenen weitgehend zusammenhanglos aufeinander. Durchgehende Motive in diesen Gesprächen sind die mangelnde sexuelle Leistungsfähigkeit der Ehemänner sowie Gelegenheiten zum Ehebruch; daneben je einmal auch die Rangordnung unter den Reformatorengattinnen und Luthers Habgier. In einer Szene (440-475: Catta et Amator) preist Katharina ihren Liebhaber und beschenkt ihn auf seine Forderung hin mit Geld, in einer anderen (560-569: Catta et Lutherus) scheitert ein Versuch Luthers zum ehelichen Beischlaf an seiner Impotenz. In einer besonders grotesken Szene (768-785: Elsa et Catta) klagt Katharina, dass ihr gut bestückter Liebhaber (Valentin von Bibra) ihre Vagina ausgeweitet hat und Luther dadurch auf den Ehebruch aufmerksam geworden ist. Diese Beziehung zu Bibra ist das Thema mehrerer aufeinanderfolgenden Szenen (740-805); in der letzten Szene kommt es zu einem Aufeinandertreffen zwischen dem erbosten Ehemann Luther und dem Liebhaber (786-805: Castor et Lutherus).

806-917 (Schoneius et Corvus): In der letzten Szene geht es um die Schönitz-Affäre: Luthers Eintreten für die Sache des hingerichteten Hans Schönitz wird hier darauf zurückgeführt, dass dessen Bruder und der Hallenser Ratsherr Halle Luthers Frau Katharina bestechen (und aller Wahrscheinlichkeit nach ist der mit den Genannten in die Angelegenheit verwickelte Rabe auch einer ihrer zahlreichen Liebhaber). Eigentlich handelt es sich um insgesamt vier Szenen, die jedoch nicht mehr durch Zwischenüberschriften unterschieden werden und nahtlos ineinander übergehen.

918-949 (Babylonidum Chorus): Das Gefolge der Venus verabschiedet sich von Luther und lässt es dabei natürlich nicht an Obszönitäten fehlen.

V. 25-81 und V. 918-949 lassen sich als «Rahmenhandlung» verstehen, in die der Rest des Stücks als «Theater auf dem Theater» eingebettet ist. Im Hauptteil des Werkes (352-803) wird die Handlung fast ausschliesslich durch die masslose Sexualität der Reformatorengattinnen bestimmt, die aufgrund der Impotenz ihrer Männer ihre Bedürfnisse mit potenten Liebhabern befriedigen müssen. Die dargestellte sexuelle Gier der Frauen ist dabei ebenso wenig realistisch dargestellt wie das sexuelle Leistungsvermögen ihrer Gespielen (s. dazu die von uns präsentierten Szenen Catta et Amator und Elsa et Catta). Über weite Strecke gestaltet Lemnius in diesem Werk eine bizarre pornographische Parallelwelt, in der sich gleichsam alles um cunnus (Pussy) und mentula (Schwanz) dreht. Bei der in den von uns ausgewählten Szenen Elsa et Catta und Castor et Lutherus entfalteten Vorstellung von einer durch ein übergrosses Glied ausgeweiteten Vagina in den von uns ausgewählten Szenen Elsa et Catta und Castor et Lutherus kippt die dem Werk inhärente Pornographie endgültig ins Groteske über.

Wir präsentieren auf diesem Portal die Widmung Ad Lutherum (1-24), den Hymeneus Lutheri et Cattae Monachae (312-331) sowie die Szenen Catta et Amator (440-475: die oben erwähnte Begegnung zwischen Katharina und ihrem Liebhaber), Catta et Lutherus (560-569: Luthers oben erwähntes eheliches Versagen), Elsa et Catta (768-785: Katharina klagt über ihre durch Valentin von Bibra ausgeweitete Vagina) und Castor et Lutherus (786-805: Luthers Diskussion mit dem Liebhaber seiner Frau, Valentin von Bibra). Diese Auswahl konzentriert sich also auf die von Lemnius vorgenommene Verspottung Luthers und seiner Ehe, die im Zentrum des Werks steht; die satirische Darstellung der beiden anderen Reformatorenehen (Spalatin und Jonas) bleibt dabei unberücksichtigt.

Das Werk trägt die Spuren seiner hastigen Entstehung an sich. Diese drückt sich in gewissen logische Unschärfen aus: So etwa, wenn dieselbe Katharina von Bora, der in V. 202-207 von Luthers Freunden tausend Liebhaber zugeschrieben werden (sie vergleichen sie mit bekannten Hetären der Antike), in V. 273 erklärt, erst durch Luther entjungfert worden zu sein, und in V. 507 sagt, sie müsse das Lieben als Ehefrau erst lernen. Dass Lemniusʼ Monachopornomachia zwar dem Namen und aufgrund des ihrer Entstehung zugrundeliegenden Konflikts nach durchaus Bekanntheit erlangt, aber insgesamt nur wenig Verbreitung gefunden hat (sie ist definitiv nicht zum Klassiker der erotischen oder pornographischen Literatur avanciert), dürfte auch an ihrer mangelnden künstlerischen und gedanklichen Vollendung liegen.

 

Parodistischer Charakter

Die Monachopornomachia weist über weite Strecken einen parodistischen Charakter auf. So leistet das von uns präsentierte Widmungsgedicht Ad Lutherum durch seine Aufzählung schlimmer Eigenschaften und böser Taten des Reformators das Gegenteil von dem, was man sonst von einem solchen Text erwartet. Auch der hier ebenfalls ausgewählte Hymenaeus Lutheri et Cattae monachae, in dem die eheliche Verbindung der beiden als etwas Fluchwürdiges verdammt wird, ist in diesem Sinne die Parodie eines normalen Hochzeitsliedes; und schon sein Titel, in dem explizit auf Katharinas Nonnentum hingewiesen wird (monachae), lässt diese Ehe als etwas Widersinniges erscheinen (denn normalerweise heiraten Nonnen nicht). Überhaupt präsentiert die Monachopornomachia eine «verkehrte Welt», in der die normalen Regeln der menschlichen Gesellschaft ausser Kraft gesetzt sind.

 

Sprache

Dem obszönen bzw. pornographischen Inhalt entsprechend entspricht der häufige und stellenweise extrem gehäufte Gebrauch eines einschlägigen Wortschatzes, wobei Lemnius jedoch sehr wenig variiert: er beschränkt sich weitgehend auf die Begriffe cunnus, vulva (=Pussy oder Möse), penis und das gleichbedeutende mentula sowie das Verb futuere (ficken).

 

Ein notwendiger Exkurs: Die Threni Ioannis Eckii – (k)ein Werk des Simon Lemnius?

Im August 1538 verstarb die Konkubine des Ingolstädter Theologen Johannes Eck, der als intellektuell scharfsinniger Gegner der Reformation bekannt war (u. a. setzte er sich auf der Disputation von Baden erfolgreich gegen Johannes Oekolampad und Berchthold Haller durch). Kurz darauf erschien eine 258 Verse umfassende anonyme Schmähschrift gegen ihn und seine verstorbene Geliebte Margaretha (die Threni Ioannis Eckii). Darin wird Ecks Trauer über den Tod seines Hürchens (scortillum) geschildert. Eck tritt auch selbst auf und stimmt eine Wehklage an; der die Handlung kurz unterbrechende Kommentator (dieses literarische Mittel erinnert an den Verfremdungseffekt des modernen epischen Theaters) und die nun in der Unterwelt weilende Margaretha selbst sprechen zu Eck. Margaretha stellt ihm eine Wiedervereinigung im Jenseits in Aussicht und fordert ihn auf, sich in der Zwischenzeit mit einer anderen Hure zu trösten. Sie nennt ihm auch zwei andere prominente Vertreter des katholischen Lagers – den Leipziger Theologen Cochlaeus und den Wiener Bischof Faber –, die ihn mit geeigneten Frauen versorgen könnten. Simon Lemnius galt (neben z. B. Eobanus Hessus) immer wieder als möglicher Verfasser dieses Werkes, eine Ansicht, die schliesslich besonders wirkmächtig von Paul Merker vertreten wurde. Dabei spielte natürlich eine Rolle, dass man dem Autor der Monachopornomachia gerne auch ein zweites, in der Machart zumindest verwandtes, Werk zutraute. Die in erster Linie sprachlichen und inhaltlichen Argumente Merkers für eine Autorschaft des Lemnius konnten jedoch von Lothar Mundt schlagend wiederlegt werden. Zudem hat Mundt zurecht herausgestellt, dass Lemnius, der im Zeitraum 1538/39 nur von der katholischen Partei Hilfe gegen das wider ihn von protestantischer Seite betriebene Mobbing erhoffen konnte, keinen Anlass hatte, einen der prominentesten Vorkämpfer der katholischen Sache zu schmähen und sich dadurch nun auch noch auf dieser Seite Feinde zu schaffen. Die Threni Ioannis Eckii sind also sicher nicht von Lemnius. Dies muss betont werden, da die falsche Zuschreibung bis heute nachwirkt.

 

Bibliographie

Merker, P., Simon Lemnius. Ein Humanistenleben, Strassburg, Trübner, 1908. [teilweise überholt]

Mundt, L., Lemnius und Luther. Studien und Texte zur Geschichte und Nachwirkung ihres Konflikts (1538/39), Bd. 1: Studien, Bern u.a., Peter Lang, 1983 [=Mundt (1983a)].

Mundt, L., Lemnius und Luther. Studien und Texte zur Geschichte und Nachwirkung ihres Konflikts (1538/39), Bd. 2: Texte, Bern u.a., Peter Lang, 1983 [=Mundt (1983b)].