Gedichte über Zürich, Zug und Luzern

Jodocus Molitor

Einführung: David Amherdt (deutsche Übersetzung: Clemens Schlip). Version: 10.02.2023.


Entstehungszeitraum: zwischen 1533 und 1542, am wahrscheinlichsten am Ende der 1530er.

Handschrift (Autograph): Zürich, ZB, ms D 197d, fol. 7vo.

Teilveröffentlichung: Auszüge in Brändly (1941), 329-33 (ein Auszug aus dem Gedicht über Zug und einer aus dem über Luzern, jeweils mit deutscher Übersetzung).

Metrum: elegische Distichen.

 

Das Geburtsdatum des Jodocus Müller (Molitor), der spätestens seit 1510 in Cham (Kanton Zug) als katholischer Pfarrer wirkte, ist unbekannt. Der humanistisch interessierte Molitor war befreundet mit Heinrich Wölflin (Lupulus), Zwinglis Berner Lehrer, und mit Oswald Myconius, dem er einige heute nicht mehr erhaltene Gedichte widmete. Er unterhielt auch Beziehungen zu Rudolf Collinus (Ambühl), Leo Jud und Ulrich Zwingli, an den er am 16. August 1522 einen Brief schrieb. Nachdem er sich Schritt für Schritt von den Ideen der Reformation hatte überzeugen lassen, verliess er am Ende der 1520er den (katholisch gebliebenen) Ort Zug und begab sich nach Thalwill (Kanton Zürich), wo er als protestantischer Pastor arbeitete; um 1533 ging er nach Zürich, wo er dieser Tätigkeit bis zu seinem Tod am 6. Dezember 1551 weiter nachging.

Der grösste Teil von Molitors poetischer Produktion ist verloren. Sie umfasste ausser den bereits erwähnten Gedichten an Myconius besonders Gedichte an Heinrich Wölflin sowie Carmina elegiaca über die schweizerische Eidgenossenschaft. Ein kleiner Teil dieser Gedichte (21 Folios) ist jedoch in zwei Handschriften (Autographen) erhalten, die in der Zentralbibliothek von Zürich aufbewahrt werden (ms D 197d, fol. 1-16, und ms F 48, fol. 691-695).

Ms F 48 enthält höchstwahrscheinlich Auszüge aus den Carmina elegiaca über die schweizerische Eidgenossenschaft. Ms D 197d enthält Gedichte aus dem Jahr 1517 (diese richten sich besonders an Rudolf Collinus) sowie aus den Jahren von ungefähr 1533 bis 1542, darunter ein Epitaph für Leo Jud, den wir auf diesem Portal an anderer Stelle präsentieren sowie die Texte, die wir hier edieren. Diese Sammlung umfasst zum einen Gedichte, die Molitors Freunden (besonders Rudolf Collinus) gewidmet sind, zum anderen Epigramme mit unterschiedlichem Inhalt, besonders über die Stadt Zürich; in diesen Gedichten beklagt Molitor seinen Exil fern der Heimat und rühmt die Schönheiten und Wohltaten der Reformation.

Wir präsentieren hier eine Serie von drei Gedichten über Zürich, Zug und Luzern, die man als eher obskure Texte bezeichnen muss. Im ersten vergleicht Molitor Zürich mit einem Saphir, einem Kapaunenstein und einem Androdamas und beschreibt die jeweiligen Kräfte dieser Steine, die in einer ein wenig gekünstelten Weise auch der reformierten Stadt zugeschrieben werden. In diesem Gedicht, wie auch in dem über Zug (s. unten), scheint sich Molitor mehr noch als von Plinius d. Ä. und den naturwissenschaftlichen Schriftstellern von Kommentaren über Bibelpassagen inspiriert haben zu lassen, die den Fussboden unter den Füssen des Gottes Israels beschreiben (Ex 24,10) und die kostbaren Steine des himmlischen Jerusalem aufzählen (Off 21,18-21). Unter den von ihm eingesehenen Kommentaren scheint sich der des Dionysios Carthusanius zu befinden (1402-1471); wir sind jedoch im Rahmen unser Untersuchung diesbezüglich zu keiner Gewissheit gelangt.

In dem zweiten Gedicht rühmt er seine schmerzlich vermisste Heimat Zug und vergleicht sie meinem Chalzedon, einem in seinem Zentrum bläulichen und an seinen Rändern weissen Halbedelstein, der somit dem Stadtwappen von Zug ähnelt.

Das dritte Gedicht ist schliesslich der Stadt Luzern gewidmet, deren Wappen Molitor beschreibt; genauer gesagt, widmet es sich einigen Reformierten, die dort offensichtlich Ende der 1530er im Verborgenen lebten.

 

Bibliographie

Brändly, W., «Jodocus Müller (Molitor), Pfarrer in Cham (Kt. Zürich), gest. 1551 in Zürich», Zwingliana 5 (1941), 319-330, besonders 329-330.

Brändly, W., «Die Zuger Humanisten», Innerschweizerisches Jahrbuch für Heimatkunde 8-10 (1944-1946), 206-220, hier: 206-209.