Eine kurze Trauerrede zu Ehren des vortreffllichen Vladislav, Königs von Ungarn, die am 15. Juni 1516 gehalten wurde
Übersetzung (Deutsch)
Dies ist jenes des Himmels würdige Geschlecht, dies die königliche Nachkommenschaft, in der Ladislaus (=Vladislav) wie ein Gestirn hervorstrahlte, dessen Tugend die Urteile anderer über ihn Anerkennung zollten, indem er durch den allgemeinen Konsens des pannonischen Adels von seinem väterlichen Stammsitz zur Verwaltung eines so grossen Reiches berufen wurde, und während viele Blutsnachfolge zu Königen macht, hat Ladislaus nicht so sehr der Adel seiner Vorfahren als seine herausragende Tugend zum König von Pannonien gemacht. Obwohl er dadurch genug und übergenug Ruhm erlangt hatte, hat er bis zum letzten Tage seines Lebens das ungemein weit sich ausdehnende und höchst mächtige Königreich mit einer solchen Klugheit, Bescheidenheit, Grossmut und Gerechtigkeit gelenkt, dass er mit Leichtigkeit alle Fürsten, die seit Menschengedenken an der Spitze des siegreichen Ungarn gestanden haben, übertraf. Milde war er gegen die, die ihre Schuld bekannten, streng gegen Rebellen und Starrköpfe, freigiebig gegen die Verdienstvollen, übermässig heftig gegen Faulpelze und Feiglinge, wohlwollend gegen Pflichteifrige, sehr milde gegen die, die ihn ansprachen, ein verlässlicher Feind prahlerischen Hochmuts, an dessen Ohren keine Jasagerei zu ertönen wagte; trügerischen Schmeicheleien befahl er, ihm weit fernzubleiben; schliesslich forderte er überall nichts als das Wahre und Billige und durch dies alles trat er als überaus heftiger Vorkämpfer unserer Religion auf, was vor allem seine sehr vielen herrlichen Siege über den Türken belegen.
[…]
Aus allen diesen Gründen geschah es, dass der Schmerz, den gerade die Besten angesichts des Todes eines so grossen Fürsten nicht von sich weisen konnten, die Gemüter der denkenden Menschen in bescheidenerem Masse befiel. Da nämlich wir und das Unsrige dem Tode geschuldet werden, wie ein berühmter Dichter gesungen hat, ertragen wir ein mit Grabschriften geschmücktes Hinscheiden um so geduldiger, je grösser der Ruhm ist, der ihm folgt. Denn es kann keineswegs geschehen, dass wir mit gleichem Schritt Freunde und Feinde, Reiche und Arme dem Tode überlassen. Deshalb, hochberühmte und Deinem geliebten Vater in frömmster Weise ergebene Königin Anna, höre endlich auf zu weinen und dein jungfräuliches Brüstchen mit einem so unablässigen Schmerz auszumergeln. Freilich, dein Vater ist tot, aber einmal musste er ja sterben, und vielmehr konnte er ja nur durch den Tod zum Empfang der Belohnung herantreten, die sein Leben verdiente. Ich spreche vom ewigen Leben, dass er nun in der Versammlung der himmlischen Geister ganz und gar frei von jeder Sorge und Beunruhigung geniesst. Du besitzt also, hochberühmte Königin, gar nicht so sehr Gründe zum Weinen. Was willst du dich weiter betrüben? Vermisst du deinen Vater? Siehe, Sigismund kann dein Vater sein. Er, der überaus siegreiche König von Sarmatien, der dich nicht wie eine Nichte brüderlicherseits, sondern wie eine Tochter seines eigenen Blutes auf äusserst glühende Weise liebt.