Aus dem Widmungsbrief über Martial. Dritter Dialog
Traduction (Allemand)
Traduction: Clemens Schlip (französischer Originaltext der Anmerkungen von David Amherdt)
Aus dem Widmungsbrief
Die hochberühmten Männer Felix Fry, Propst von Zürich, und Heinrich Bullinger, Kaspar Megander, Erasmus Fabritius, Rudolph Gwalther, Verkündiger des Gotteswortes, und die übrigen Professoren der göttlichen und menschlichen Weisheit in den drei Sprachen, Patrone und Lehrer, die man achten muss – sie alle grüsst Konrad Gessner in ausserordentlicher Weise.
Nachdem ich als einst als Jugendlicher, ihr achtbaren Patrone, Grundkenntnisse in der griechischen und lateinischen Sprache durch Euer Wohltun erlangt hatte (wie es mir jedenfalls schien), habe ich sofort begonnen, mich mit der Dichtung zu beschäftigen. Als ich mich allzu gierig darauf verlegte, bin ich zufällig auf die Epigramme Martials gestossen und habe mich an ihrer Lektüre öfter ergötzt als angemessen war. Deshalb ist es so gekommen, dass ich freilich in der Dichtung und der Kenntnis des lateinischen Ausdrucks einigen Fortschritte machte, jedoch anstatt eine bessere Kenntnis der Sachinformationen und Gedanken zu erhalten, mit denen man ein kindliches Gemüt hätte unterrichten sollen, meinen Geist verunreinigte, weil ich die vielen verschiedenartigen Arten von Lastern kennenlernte, an denen das Zeitalter dieses Dichters litt. Denn bei unerlaubten Dingen stellt schon das Nachdenken darüber einen Grossteil der Vergehen dar.
Hierauf, als ich allmählich schon älter war und durch die Lektüre der Heiligen Schrift wie durch ein Gegengift unterrichteter geworden war, fasste ich einige Abneigung und Hass gegen jenen Dichter. Ich konnte mich dennoch nicht ganz mässigen, manchmal ein Buch von ihm in die Hände zu nehmen, um meinem Geist zuliebe einige ehrbarere Texte zu lesen; aber auch so boten sich mir, obwohl ich es nicht wollte, allerorten obszöne Passagen dar. Weil ich also klar einsah, was mir geschadet hatte, konnte ich nicht guten Gewissens es unterlassen, andere zu ermahnen und öffentlich gegen den von mir erlittenen Schaden zu protestieren, damit sich künftighin andere hüten, zumal die Jugendlichen, damit sie nicht vielleicht durch einen noch grösseren Schaden besudelt werden als einst ich. Denn auch bei den Menschen im tiefsten Altertum machten vor der Erfindung der Heilkunst die von irgendeiner Krankheit Infizierten mit Tafeln, die sie an den Tempel stifteten, bekannt, was ihnen zuträglich, und ebenso, was ihnen abträglich gewesen war, bis schliesslich aus den vielen gesammelten Erfahrungen die kunstreiche Methode sich herausbildete. Ebenso habe ich es nun für meine Pflicht gehalten, zur Heilung der Seelen öffentlich zu machen, was ich einst für einen Schaden erlitten habe. Im Übrigen habe ich neulich, mit reiflicherer Überlegung, ein Heilmittel gegen das Böse in diesem Dichter erdacht. Obwohl nämlich hinfort sowohl mein Alter als auch mein Beruf mich von diesen Studien weg zu ernsteren Angelegenheiten rufen, habe ich dennoch für den Nutzen der Öffentlichkeit eifrig die damit verbundene Arbeit auf mich genommen. Ich habe nämlich weggeschnitten und verworfen, was darin als allzu schändliches Thema steckte, was nicht ehrbar, hässlich, obszön, frevelhaft, monströs ist oder auf irgendeine Weise den Gemütern noch ungebildeter Leser einen Anlass geben könnte, etwas Unschickliches zu denken. Deshalb habe ich an manchen Stellen ganze Epigramme entfernt – entweder weil sie überhaupt nichts Heilsames oder Heiliges, wie man sagt, enthielten, oder wegen ein oder zwei Versen und ebenso vielen Ausdrücken mit bösem Sinn –, an anderen Stellen habe ich nur einen Teil weggeschnitten, damit kein gesunder Körper sich von daher ein Übel zuzöge, wenn das Übrigbleibenden nichtsdestoweniger seinen vollständigen Sinn behielt. Und ich habe nicht einmal die Stellen verschont, die auch nur leicht lasziv scheinen konnten, um auf die Knaben aufs Genaueste acht zu haben. Und ich habe nicht wenig Arbeit und Zeit auf diese Aufgabe verwendet. Ich musste alles lesen und sehr viele unverständliche Stellen sorgfältig ausdeuten, damit mir nicht unbemerkt eine allzu schändliche Passage entginge.
[…] Wenn aber der erste Philosoph der Akademie diesen Dichter vorher gelesen hätte, hätte er ihn zweifelsohne vor allen anderen so weit wie möglich aus seinem Staate verbannt: nicht mit weissen Wollbinden bekränzt, nicht mit einem mit kostbarer Salbe benetzten Haupt, wie einst den Homer, sondern mit Gabeln und Steinen hätte er ihn vertrieben. Sobald er ihn aber wiedergeboren und gereinigt gesehen hätte, wie er nun ist, hätte er ihn wohl unter Aussetzung einer Belohnung zurückrufen wollen, weil er mit ehrbaren Scherzen und angenehmen, makellosen Gedichten, die zierreich und gefeilt sind, die Gemüter zugleich erheitern und belehren kann, und die Leser von schlechteren Beschäftigungen, von denen müssige Leute sich gefangen nehmen lassen, abhalten kann. Aber die Methoden dieses meines Vorgehens werden ausführlicher in den Dialogen erklärt, die ich speziell dazu verfasst habe und anstelle eines Anhangs zum Martial hinzugefügt habe. [...]
Dritter Dialog
[…]
Rhadamanthys
Unter den Sprichwörtern ist dieser Spruch gefeiert worden: Der Polyp hat in seinem Kopf Böses, aber auch Gutes. Man überträgt das nicht ohne Recht auf Martial. Denn wie ich sehe liest man sehr unterschiedliche Epigramme von ihm: Vieles ist edel gemischt, Vieles aber betrüblich. Deshalb kommt es, dass ich ihn weder ganz freisprechen kann, da er viel Übles an sich hat, und ihn wiederum auch nicht völlig verurteilen kann, weil er nicht Weniges schön und angemessen gesagt hat, und er der lateinischen Sprache viel Eleganz und Ausdrucksreichtum verschafft. Dennoch, wenn ich gemäss dem höchsten Recht gegen ihn vorgehen wollte, wäre es gerechter, er ginge wegen seiner üblen Eigenschaften zugrunde, als dass man ihn um das Verdienst seiner guten Eigenschaften willen rettete. Wenn man aber, wie der Apostel der Heiden sagt, nichts Böses tun darf, damit daraus etwas Gutes entsteht, so darf man auch keine gottlosen Gedichte lesen, um die lateinische Sprache kennenzulernen und wegen einiger guter Sentenzen, die in sie hineingemischt sind. Aber weil man, was an Lasterhaftem darin steckt, von den gesunden Teilen trennen kann, fälle ich folgendes Urteil, das aus einem billigen Urteil entsteht; ich will und befehle, dass es auf dem gesamten Gebiet meines Reiches gültig ist und dauerhaft gilt.
Mitio
Zunächst soll man Valerius Martialis kastrieren, hierauf mit dem Schwerte gliederweise zerschneiden, so dass seine Glieder gar nicht mehr zusammenhängen; dann mögen von einem erfahrenen Arzt die Teile, die von irgendeiner Seuche infiziert waren, mit Feuer verbrannt werden, und die restlichen Teile aufs Neue gliederweise zu einem neuen Körper zusammengefügt und zusammengeleimt werden, so wie man berichtet, dass Asklepios einst die von Pferden auseinandergerissenen Glieder des Hippolytos von Athen mithilfe seiner ärztlichen Kunst wieder in den früheren Zustand der Vollständigkeit zurückversetzt hat. Wenn aber jemand diesem meinem Urteil verwegen widerspricht, dann will ich, dass auch er der Strafe der Kastration unterworfen werden soll.
Teleboas
Das ist getan, zieht euch zurück; geht alle sofort weg.