Über die Entdeckung eines Manuskripts von De re culinaria

Traduction (Allemand)

Aus dem Widmungsbrief Thorers an Graf Georg I. von Württemberg-Mömpelgard (1498-1548)

Alban Thorer grüsst den überaus ruhmvollen und berühmten Helden und Herrn, Herrn Georg, Grafen von Württemberg und von Mömpelgard, den ganz besonders illustren Mann etc. seinen allergnädigsten Herrn.

Als ich vor zwölf Jahren neugierig viele Studien in Montpellier trieb, zumal medizinische, und genaueste Beobachtungen anstellte, herrlichster Graf, habe ich auf einer benachbarten Insel namens Maguelone, die ich mit dem Ehrwürdigsten Vater und Herrn in Christus, Guillaume Pellicier, dem Bischof von Maguelone, einem äusserst gelehrten Mann, besucht hatte, an einem sehr versteckten Ort einen halb zerfetzten Codex gefunden, dessen von Schmutz verdeckter Titel kaum noch die Spuren von Buchstaben zeigte: ZEHN BÜCHER DES CAELIUS APITIUS ÜBER DIE KOCHKUNST. Guter Gott, wie hüpfte mein Herz vor Freude, wie triumphierte ich, da ich meinte, nicht nur das gefunden zu haben, was die Knaben in der Bohne finden, wenn sie ihren Fund laut ausrufen, sondern etwas, das eine Palme verdient, nämlich jenen römischen Koch Apitius, den grössten Gierschlund unter allen Verschwendern, den die berühmtesten Schriftsteller erwähnen, und deshalb habe ich dafür gesorgt, ihn nicht nur Wort für Wort, sondern auch die monströs deformierten Linien der einzelnen Buchstaben sehr eifrig abzuzeichnen, so dass man auch kein Tüpfelchen vermissen konnte. Ich bemerkte sofort, dass er ein Autor aus ferner Vergangenheit und ein Koch ist, der über das Küchenwesen ausgezeichneter als die übrigen in der Küchensprache geschrieben hatte, und einer, der Gerichte zubereitet hatte, die delikater waren als es dem Standard des Zeitalters, als die Menschen noch Eicheln assen, entsprach. Unsere Schlemmer und Leckerbissenhersteller aber kümmern sich um derartige Genüsse nicht, sondern sie haben sozusagen genug von der Eiche, und haben sich daran gewöhnt, leckerhaft zu sein und sich an reichhaltigeren Küchen gütlich zu tun. Es gibt heute nämlich mehr Anhänger des Apitius als jemals zuvor, und umso eifrigere Kämpfer um die Schüsseln, die höchst wagemutig ihre Schlachten ausfechten. Die meisten haben nämlich ihre Freude an Triumphmählern, Pontifikalmählern, Saliarenmählern und Leichenschmäusen. Ich vermute, dass es mehrere Apitier gegeben hat. Ob aber dieser, der unsere, jener berühmte Gierschlundfürst war, dessen köstliche Gastmähler Seneca mit einem stoisch motivierten Hochziehen seiner Augenbrauen tadelt, und der als Verschwender delikatester Mahlzeiten zur Zeit des Kaisers Tiberius seine ganz ungeheuren Reichtümer in seinem überaus raffgierigen Bauch versenkte – oder ob er der war, den Athenaios erwähnt; darüber Vermutungen anzustellen, überlasse ich Gelehrteren als ich es bin.

[...]

Als ich ihn gründlicher anschaute und eilig ein Kapitel nach dem anderen überflog, murmelte ich bei mir geradewegs: Wenn dieser alte Autor, mag er auch wenig elegant sein, in seiner Gänze und von Fehlern rein dastünde, würde ich nicht zweifeln, dass er für alle Sterblichen, aber in erster Linie für die Kandidaten der Medizin – sowohl mit Blick auf den Gesundheitsschutz als auch besonders mit Blick auf die Heilung von Krankheiten – geeignet wäre und vor allem unentbehrlich wäre in Hinblick auf die Lebensführung, die ein sehr wichtiger Teil dieser Kunst ist, und deshalb nennt Plato diese Küchenkunst eine «Schmeichlerin der Medizin»: weil sie sich nicht nur für die schickt, die dem Schlund dienen, sondern auch für die, die die Gesundheit schützen. Ich habe diesen Kodex wegen seines verehrungswürdigen Alters anstelle eines Kochs nach Deutschland gebracht; er war so grossflächig verdorben, dass seine vollständige Wiederherstellung ohne einen stärker verbesserten Kodex einem Menschengeist nicht möglich wäre. Deshalb glaubte ich auch geradewegs, ihn verbergen zu müssen, bis mir ein besseres Exemplar zur Verfügung stünde, von dem ich erfahren hatte, es sei vor etwa fünfzig Jahren in Venedig zum Vorschein gebracht worden. Deshalb wendete ich neun Jahre lang jeden Stein [auf der Suche danach] vergeblich um, als endlich Johannes Honter aus Kronstadt, ein Mann mit einem sehr angenehmen Geist und einzigartiger Gelehrsamkeit, mir jenes venezianische Exemplar aus Siebenbürgen schickte; doch als ich wahrgenommen hatte, dass es noch viel verdorbener war als das Exemplar von Magulone, gab ich alle Hoffnung auf eine Herausgabe auf. Ich möchte nämlich zu schwören wagen, dass die Schreiber der beiden Exemplare auch nicht ein Wörtchen verstanden hatten, so sehr war einfach alles auf die schändlichste Weise verderbt, alle Wörter waren falsch geschrieben, weder griechische noch lateinische Ohren konnten sie erkennen, es gab keine Trennungszeichen und Punkte, oder sie waren alle falsch; das kann Sätze verändern, Zweideutigkeiten schaffen, und eingestandenermassen auch noch den Begabtesten in labyrinthische Umwege verwickeln. Durch diese Monstrositäten abgeschreckt warf ich beide Kodices als verzweifelte Fälle von mir. In der Zwischenzeit beschweren sich einige Wissbegierige (zumal aus dem Bereich der medizinischen Kunst) bei mir, warum ich es so lange verschiebe, ihnen einen so alten Autor (in welcher Qualität auch immer) bekannt zu machen; sie fordern, dass ich ihn nicht länger verbergen, sondern ihn meiner Redlichkeit entsprechend in die Welt schicken soll. Deshalb habe ich ihn nun endlich herausgegeben, damit er nicht durch sein Herumliegen völlig dahinschwinde, nachdem ich die meisten Fehler entfernt hatte – in ziemlich hastiger Arbeit und oft ohne Hilfe eines Exemplars –, so dass er ohne Anstoss und ohne Ekel von allen Wissbegierigen sowohl gelesen als auch zum grössten Teil verstanden werden kann.