Wie man edle junge Leute erziehen soll

Traduction (Allemand)

Das Geleitwort Ceporins

Jakob Ceporin wünscht den redlichen jungen Männern Heil.

Ich hoffe, die christlichen Jugendlichen werden dieses kleine Werk, das man ihnen zum Geschenk macht, hoch schätzen, mag es auch noch so klein sein, weil es Zwingli, einen grossen Mann in Christus, zum Autor hat.

Weil er sich ganz und gar damit beschäftigt, das wir alle tatsächlich werden, was wir dem Namen nach sind – nämlich Christen – strebt er derart besonders danach, die unschuldige und noch nicht durch schlimmes weltliches Streben verdorbene Jugend zu Christus zu ziehen.

Daher nehmt diese kleine Gabe, wie sie auch beschaffen ist, mit frommen Sinne an, redliche Jugendliche, und dankt Christus, dem einen Urheber, dadurch, dass ihr das, was ihr in diesem Buch mit Euren Augen auf christliche Weise lest, auch in Eurem Lebenswandel und in einem sittlichen Betragen zum Ausdruck bringt, das Christi würdig ist.

Lebt wohl!

 

Aus der Vorrede Zwinglis an Gerold Maier

[...]

Die ersten Anweisungen geben an, wie man den zarten Geist eines edelgeborenen Menschen mit den Dingen vertraut machen soll, die Gott betreffen,

die zweiten, wie man ihn mit den Dingen vertraut machen soll, die ihn betreffen,

die dritten, wie man ihn mit den Dingen vertraut machen soll, die sich auf andere beziehen.

Ich habe mir nicht vorgenommen, hier von den Windeln an zu beginnen, und auch nicht vom Basisuntericht an: sondern von dem Alter an, in dem er schon beginnt, Verstand zu haben und ohne Korken zu schwimmen; in diese Alter befindest Du Dich nun gerade auch selbst.

Du mögest diese Anweisungen, wie ich hoffe, sorgfältig lesen und Dich ihnen gemäss umgestalten, um auch anderen als lebendes Beispiel zu dienen.

[...]

 

Die Aphorismen des ersten Teils der Anweisungen

Vor allem: da es nicht in den menschlichen Kräften liegt, das Herz irgendeines Mannes zum Glauben an den einen Gott zu ziehen, selbst wenn man Perikles an Überredungsgabe überträfe, sondern dies nur in den Kräften des himmlischen Vaters liegt, der uns an sich zieht, und dennoch gemäss dem Wort des Apostels «der Glaube vom Hören kommt», wenn es denn nur ein Hören des Wortes Christi ist: nicht, beim Herkules, dass die Verkündigung des Wortes selbst so viel vermag, wenn nicht uns ermanhnt, indem er in unserem Inneren singt. Deshalb muss der Glauben mit reinsten Worten eingeträufelt werden, die sehr an den Mund Gottes gewohnt sind. Man muss zugleich Gebete an ihn hinzufügen, der alleine Gläubige schafft, damit er durch seinen Anhauch den erleuchtet, den wir mit dem Worte belehren.

Und es wird der Anordnung Christi vielleicht nicht widersprechen, wenn wir auch durch das Sichtbare zur Erkenntnis Gottes führen wollen; wenn wir zum Beispiel die ganze Masse der Welt uns vor Augen rufen, und indem wir auf die Einzelheiten mit dem Finger weisen, darlegen, dass sie dem Wandel unterliegen, dass aber der unveränderlich und unbewegt sein muss, der alle Dinge, obwohl sie so verschiedenartig sind, durch eine so starke und wunderbare Eintracht miteinander verbunden hat.

Und dass man wiederum den, der mit solcher Sorgfalt alles angeordnet hat, freilich nicht verdächtigen darf, dass er sich nicht um sein Werk kümmern wird, da man es doch unter den Sterblichen als Fehler anrechnet, wenn einer sich zu wenig sorgfältig um sein Hauswesen kümmert.

Daraus wird jener unser junger Mann lernen, dass Gottes Vorsehung sich um alle Dinge sorgt, alles anordnet, alles bewahrt. Denn von zwei Spatzen, die man um ein As gekauft hat, stürzte der eine für uns nicht eben auf die Erde herab, ohne dass sie es beschlossen hatte, die auch die Haare auf unserem Haupte gezählt hat, und durch diese Sorgfalt durchaus nicht wertlos wird.

Daraus wird klar, dass sie nicht nur bestimmt, was die Seele bedarf, sondern auch, was der Körper bedarf: weil wir sehen, dass die Raben von ihr so freigiebig aufgenommen werden, die Lilien aber so herrlich bekleidet werden.

[...]

Auf diesem Wege wird er das Geheimnis des Evangeliums erfassen, wird vor allem vom Status des ersten Menschen erfahren, nämlich, dass dieser durch den Tod gestorben ist, nachdem er Gottes Gebot übertreten hatte, so dass er durch seine Freveltat seine ganze Nachkommenschaft befleckt hat. Tote nämlich können keine Lebenden erzeugen; und wir sehen auch niemals, dass ein Äthiopier bei den Briten geboren wird: aus dieser Einsicht wird dieser unser junge Mann auch seine Krankheit erkennen.

Daraus wird er auch erkennen, wenn er es weiss ist, dass wir alles aufgrund von Affekten tun, dass diese Gott aber ganz fremd sind. Daraus folgt unzweifelhaft, dass sie auch uns ganz fremd sein müssen, wenn wir mit Gott zusammen wohnen wollen. Wie nämlich ein jeder ganz unschuldige Mensch keinen Umgang mit höchst lasterhaften Menschen hat und umgekehrt ein höchst ungerechter Mensch einen Gerechten nicht ertragen kann (wie nämlich die Neronen befehlen, dass man Senecas zur Hinrichtung abführt, so bedeckt umgekehrt die Ennien derselbe Grabhügel wie die Scipionen), so wird auch mit Gott kein anderer zusammenwohnen, als wer makellos wandelt und heilig ist, wie auch er [Gott] heilig ist, und wer Herzensreinheit besitzt: «Selig sind» nämlich «die, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott sehen.»

Auf welche Weise werden wir eine so grosse Unschuld erwerben, die wir doch von allen Seiten her durch höchst unreine Affekte in die Enge getrieben werden? Hier sind wir zwischen Hammer und Amboss gestellt, weil Gott eine solche Unschuld von uns fordert, und doch wir als Lasterhafte nichts anders als Laster geben könnten, und so sind wir gezwungen (mögen wir wollen oder nicht) uns Gott zu ergeben und uns seiner Gnade anzuvertrauen. Hier geht das Licht des Evangeliums auf.

Uns, die in diesen engen Bedrängnissen eingeschlossen sind, holt Christus heraus, der uns ganz anders als irgendein «Jupiter, der Retter» befreit hat, indem er vor allem unser Gewissen, das der Verzweiflung sehr nah war, aufrichtete und es bald sehr glücklich machte, weil er es durch eine sehr gewisse Hoffnung mit sich verbunden hat.

[...]

 

Die Aphorismen des zweiten Teils der Anweisungen

Nachdem aber der Geist, dem eine Ausrichtung auf feste Tugend gegeben werden muss, durch den Glauben in der rechten Weise geformt ist, ist die nächste Aufgabe, dass er sich innerlich in seiner Gänze schön schmückt und ordnet; denn wenn er bei sich alles in rechter Weise eingerichtet hat, kann er anderen in rechter Weise raten.

Er kann aber den Geist nicht besser einrichten, als wenn er das Wort Gottes bei Tag und bei Nacht in seinen Händen hält. Das aber wird er in bequemer Weise tun, wenn er die Sprachen, Hebräisch und Griechisch, tüchtig beherrscht, weil er ohne die eine das Alte Testament, ohne die andere das Neue Testament, nur schwer richtig verstehen kann.

Weil wir es aber auf uns genommen haben, die zu belehren, die schon das erste Basiswissen ausgeschöpft haben, und das Lateinische überall bei allen in Geltung gestanden hat, glauben wir überhaupt nicht, dass man es im Stich lassen soll; denn auch wenn es weniger zum Verständnis der Heiligen Schrift beiträgt als Griechisch oder Hebräisch, wird es dennoch für den praktischen Gebrauch im Leben keinen geringen Nutzen mit sich bringen. Aus Gewohnheit resultiert manchmal auch, dass wir gezwungen sind, auch bei den Lateinern das Geschäft Christi zu betreiben. Die Sprachen zu Erwerbszwecken zu missbrauchen, das muss einem Christenmenschen ganz fremd sein: Auch die Sprachen sind eine Gabe des göttlichen Geistes.

Die nächste Sprache, um die wir uns kümmern wollen, wird das Griechische sein, wegen des Neuen Testaments, wie man es genannt hat; denn um zu sagen, was ich denke (wobei ich niemandem zu nahe treten will); ich sehe, dass die Lehre Christi schon von Anfang an von den lateinischen Menschen weniger würdig behandelt worden ist als von den Griechen. Unser junger Mann muss also zu den Quellen geschickt werden.

Obwohl er bei beiden Sprachen darauf achten muss, ein von Glauben und Unschuld geschütztes Herz zu haben. Es gibt nämlich nicht zu wenige, sondern viele Dinge, die man zu seinem Schaden lerne würde, Mutwilligkeit, Herrsch- und Kriegsbegierde, Verschmitztheit, eitle Philosophie und Ähnliches, an denen allen dennoch ein vorgewarnter Geist nach dem Vorbilde des Odysseus vorüberziehen kann, weil er sich nämlich schon bei ihrem ersten Ruf dazu ermahnt hat. Das hörst Du, um Dich davor zu hüten, nicht, um es zu verstehen.

Dem Hebräischen weisen wir den letzten Platz zu, weil, wie schon kurz zuvor gesagt, das Lateinische bei allen fest verwurzelt ist und das Griechische sich in sehr günstiger Weise daran anschliesst; anderenfalls hätten wir verdientermassen dem Hebräischen den ersten Platz zugewiesen, weil ohne Kenntnis seiner rhetorischen Figuren auch bei den Griechen der an vielen Stellen ins Schwitzen kommt, der den echten Sinn der Schrift herausbekommen will. Bis zur Übersättigung über die Nützlichkeit der Sprachen zu sprechen, gehört nicht zu diesem Thema.

Mit diesen Waffen wird bei dieser himmlischen Weisheit, der man keine menschliche Weisheit vergleichen, geschweige denn zu recht gleichstellen kann, einbrechen, wer mit einem demütigen und durstigen Sinn an sie herantritt.

Wenn er dort eingebrochen ist, wird er alle rechten Lebensformen finden, nämlich Christus, das vollkommenste Beispiel für jede Tugend: Wenn er ihn aufgrund seiner Aussprüche und Taten ganz erkannt hat, wird er ihn so umfassen, dass er bei jeder Handlung oder bei jedem Beschluss einen Teil seiner Tugend zum Ausdruck zu bringen versucht, soweit das der menschlichen Schwachheit erlaubt ist.

[...]

Ausländische oder neuartige Kleidermodelle, die täglich zum Vorschein kommen, sind ein sehr sicheres Zeichen für eine höchst unbeständige oder, wenn das zu stark ausgedrückt ist, für einen weibische oder verzärtelte Geisteshaltung. Zu Christus passen sie nicht; denn in der Zwischenzeit lassen sie zu, dass die Armen an Frost und Hunger zugrundegehen. Daher muss man sich des Kleiderluxus ebenso enthalten wie jeder Art des Bösen.

Wenn der junge Mann beginnt, sich zu verlieben, muss er den Rekrutendienst seines Geistes leisten. Und während andere mit Kraft und Waffengewalt im Getümmel die Kraft ihrer Arme erproben, wird unser junger Mann seine ganze Kraft darauf verwenden, sich vor dem Liebeswahnsinn zu schützen, und wenn er sieht, dass er durchaus lieben muss, soll er sich hüten, nicht zugrunde zu gehen, sondern sich eine solche Frau als Liebesobjekt zu erwählen, bei der er darauf vertraut, dass er ihren Charakter in einer dauerhaften Ehe ertragen kann, und sein Zusammentreffen mit ihr bis zur Hochzeit so unbefleckt schützen, dass er ausser ihr aus der ganzen Schar der Jungfrauen keine kennt.

[...]

Die mathematischen Disziplinen, zu denen man auch die Musik rechnet, sollen meiner Meinung nach nicht leichtsinnig, wenn auch oberflächlich berührt werden; wenn man sie kennt, sind sie nämlich sehr nützlich, wenn man sie aber missachtet, bringt das keinen geringen Nachteil mit sich, so dass, wer in ihnen alt wird, keinen anderen Nutzen davontragen wird als die, die beim Spazierengehen wiederholt den Ort wechseln, um nicht an Musse zugrundezugehen.

[...]

 

Die Aphorismen des letzten Teils der Anweisungen

Als erstes wird der freigeborene Sinn so bei sich überlege: Christus hat sich für uns preisgegeben, ist unser geworden; so musst auch Du dich für alle preisgeben und nicht meinen, dass Du Dir gehörst, sondern dass Du den anderen gehörst: Wir sind nämlich nicht geboren worden, um für uns zu leben, sondern um allen alles zu werden.

Von seiner zarten Jugend an wird er nur an Gerechtigkeit, Glaube und Standhaftigkeit denken, durch die er dem christlichen Staat, dem Vaterland, durch die er allen einzeln nützlich sein wird. Träge Gemüter sind es, die nur darauf schauen, dass ihnen ein ruhiges Leben zuteilwird, und sie sind Gott nicht so ähnlich wie die, die auch mit einem Risiko für sich bemüht sind, allen nützlich zu sein.

[...]

Von den Zusammenkünften, wo man gemeinschaftlich oder öffentlich zusammenkommt, wie der Hochzeit von Verwandten und den jährlich wiederkehrenden Spielen und Festen, halte ich ihn nicht eifrig ab, weil ich sehe, dass Christus einst nicht der undankbarste Teilnehmer einer Hochzeit gewesen ist. Es wird von uns nämlich mehr gebilligt, wenn, was überhaupt geschehen ist, in der Öffentlichkeit geschieht, als wenn es in Winkeln und Kneipen geschieht; eine Menge von Zeugen schreckt manche nämlich nachdrücklicher ab als die eigene Gesinnung, und ganz und gar wird man den beklagen müssen, der sich nicht schämt, sich in der Öffentlichkeit schamhaft aufzuführen.

Er wird sich immer bemühen, aus den öffentlichen Zusammenkünften einen Nutzen davonzutragen, damit er nicht, wie Sokrates sich beklagte, immer als ein Schlechterer nachhause zurückkehrt. Er wird beobachten, wenn einer sich in der Öffentlichkeit anständig aufführt, und wird ihn nachahmen: wenn aber im Gegenteil sich jemand schamlos aufführt, wird er ihn verachten.

[...]

Spiele mit Gleichaltrigen gestatten wir zur angemessenen Zeit, aber nur gelehrte und zur körperlichen Ertüchtigung dienliche. Gelehrte Spiele sind der Zahlenwettkampf, welchen die Arithmetik lehrt, oder auch der Stellungskampf [=das Schachspiel], welchen das Ausrücken und Zögern der Spielfiguren oder auch das Halten einer Stellung und Hinterhalte lehren. Dieses Spiel lehrt nämlich vor allen, nichts unbedacht zu unternehmen; man muss dabei dennoch inzwischen Mass halten: es hat nämlich Leute gegeben, die unter Hintanstellung ernster Angelegenheiten nur noch daran hingen. Wir erlauben nur, dass man sich in Mussestunden nebenbei damit beschäftigt. Würfel und Kartenspiele sollen laut uns zum Geier gehen.

Den Körper trainieren werden Läufe, Springen, Diskuswerfen, Ringen, Fechten (das man aber sparsamer anwenden muss; denn oft ist er ernst ausgegangen), Spiele, die bei fast allen Völkern in Gebrauch stehen, aber bei unseren Vorfahren, ich spreche von den Helvetiern, sehr gebräuchlich waren und sehr nützlich im Hinblick auf mannigfaltige Ereignisse sind.

[...]

Unser ganzer Umgang und unser Reden seien so beschaffen, dass sie denen nützen, mit denen wir zusammenleben.

[...]

Einen Christenmenschen zeichnet es aus, nicht grossartig über Dogmen zu sprechen, sondern mit Gott zusammen immer Schwieriges und Grosses zu vollbringen. Fahre also fort, bester junger Mann, Dein Geschlecht, Deine Gestalt, Dein Erbe, diese grossartigen Dinge, die Dir zuteilgeworden sind, mit diesen wahren Zierden noch herrlicher zu machen: ich habe noch zu wenig gesagt; halte nur diese Dinge für Zierden, erkenne, dass jene der Fortuna unterworfen sind, tue dies unter der Führung des besten und grössten Gottes, der Dich heil bewahren möge. Amen.