Inhaltsangaben (Argumenta) zu biblischen Texten

Rudolf Gwalther

Einführung: Clemens Schlip (traduction française: David Amherdt/Kevin Bovier). Version: 10.02.2023.


Entstehungszeitraum: vor 1543.

Ausgabe: Argumenta omnium, tam Veteris quam Novi Testamenti, capitum. Elegiaco carmine conscripta, Zürich, Froschauer, 1543, hier: fol. A1vo, 1ro, 63vo-64ro, 72ro-vo, 97ro-vo, 131vo.

Metrum: elegisches Distichon.

 

1543 erschien in Zürich eine lateinische Bibelausgabe (Biblia sacrosancta), zu der Gwalther in Form kurzer – meist vier Verse (=zwei elegische Distichen) umfassender – Gedichte tituli beisteuerte; auch zwei Verse umfassende Gedichte (ein Distichon) kommen gelegentlich vor, überschritten wird die Anzahl von vier Versen dagegen nur vereinzelt, und kein Gedicht umfasst mehr als vier Distichen (acht Zeilen). Sie wurden in der Biblia sacrosancta interessanterweise nicht den zusammenzufassenden Kapiteln vorangestellt, sondern gesammelt an das Ende gestellt; auf diese Weise können sie als zusammenhängendes Gesamtwerk gewürdigt werden. Später wurden sie mehrfach von Froschauer als Einzelausgaben oder als Beigabe zum Neuen Testament des Erasmus von Rotterdam herausgegeben (in letzterem Fall wurden sie zweimal sogar tatsächlich aufgeteilt und den einzelnen Kapiteln der Bibel vorangestellt). Auch andere Buchdrucker bedienten sich gelegentlich bei Gwalther, ohne immer dessen Namen und Leistung zu würdigen. Solche kurzen Zusammenfassungen (argumenta) haben seit der Antike Tradition; sie dienten vor allem Merkhilfen. Gwalther schuf für jedes Kapitel der Bibel und für jeden einzelnen Psalm eine solche kurze Inhaltsangabe. Insgesamt umfassen seine Tituli 5278 Verse, die sich im Einzelnen so verteilen: 3398 Verse entfallen auf das Alte Testament, 698 auf alttestamentliche Apokryphen (gemäss dem protestantischen Kanon, wobei Gwalther das Buch der Sprüche auslässt), 1184 auf das Neue Testament. Dass Gwalther auch Bücher berücksichtigt, die (wie die beiden Makkabäerbücher) im protestantischen Bereich gemeinhin nicht als kanonisch angesehen werden, ist bemerkenswert. Gwalther war, subjektiv sicher zu Recht und auch objektiv sicher nicht zu Unrecht, überzeugt, auf diese Weise etwas noch nie Dagewesenes im Raum der Bibeldichtung geschaffen zu haben.Der St. Galler Humanist und Reformator Joachim Vadian äusserte mit Blick auf die erbrachte Arbeitsleistung anerkennend, Gwalther habe eine «Ilias» geschaffen.

 

Bibliographie

Stotz, P., «Bibeldichtung als Bibel-Verdichtung: Rudolf Gwalthers "Argumenta capitum" in der Tradition biblischer Gebrauchspoesie», in: C. Moser/P. Opitz (Hgg.), Bewegung und Beharrung. Aspekte des reformierten Protestantismus. Festschrift für Emidio Campi, Leiden/Boston, Brill, 2009, 259-282.