De Geographia und De arithmetica: Widmungsbriefe und Vorrede

Heinrich Glarean

Einführung: Kevin Bovier (deutsche Übersetzung: Clemens Schlip). Version: 29.11.2023.


Entstehungsdatum: Die Abfassung von De Arithmetica muss zwischen 1517 und 1522 begonnen haben (als Glarean sich in Paris aufhielt); die von De Geographia schon um 1513.

Erste Ausgaben: De Geographia liber unus, Basel, Faber, 1527, hier: fol. 1vo-2vo; De VI Arithmeticae practicae speciebus epitome, Freiburg i. Br., Faber, 1539, hier: 3-6 et 7-8.

 

Diese zwei Werke sind in unterschiedlichen Perioden von Glareans Leben erschienen, das erste zur Geographie, als er noch in Basel war, das zweite über die Arithmetik, alls er sich schon in Freiburg i. Br. angesiedelt hatte. Das letztere Werk wurde aber in jedem Fall schon zu einem früheren Zeitpunkt in Angriff genommen, weil Glarean uns im Vorwort enthüllt, dass er schon in Paris (wo er sich von 1517 bis 1522 aufhielt) dieses Arithmetik-Handbuch in Angriff genommen hat. Das Interesse Glareans an der Geographie reicht bis in seine Studienzeit zurück; an ihn wandte sich Ulrich Zwingli 1510, um ein Exemplar der Geographie des Ptolemaios zu erhalten, weil er wusste, dass der Glarner sich sehr für dieses Werk interessierte. Der Glarner hatte gleicherweise De Sphaera von Sacrobosco (Paris, Mittelhus, 1493) und die Cosmographiae introductio von Matthias Ringmann (Saint-Dié, Lud, 1507) gelesen und mit Anmerkungen versehen.

Sowohl in De Geographia als auch in der Epitome zur Arithmetik scheint das erzieherische Ziel des Autors durch, wie man an den hier präsentierten Vorreden sehen kann. Diese Werke haben ausserdem gemeinsam, dass sie Stoffe präsentieren, die in den Arbeiten der Humanisten generell noch wenig vertreten sind; dies zeigt die Vielseitigkeit von Glareans Interessen und seine Absicht, das literarische und naturwissenschaftliche Wissen für die Jugend zugänglich zu machen. Der Humanist aus Glarus betont in seinen Vorworten die Bedeutung der Geographie und der Arithmetik für die die Erziehung und stützt sich dabei auf die Autorität der antiken Schriftsteller. Er präsentiert seine beiden Werke ausserdem als Handbücher mit Einführungscharakter, welche die Lektüre der Autoren der Antike und die Beschäftigung mit sehr komplexen Themen erleichtern.

Die Materien dieser beiden Werke haben für Glarean mehr miteinander zu tun als man denken könnte, wie man in De Geographia erkennen kann. Der schweizerische Humanist kombiniert dort deskriptive und mathematische Geographie; er behandelt die Geometrie und das harmonische Zahlenverhältnis, indem er die antiken Theorien (wie die des Aristoteles und Euklid) miteinander konfrontiert. Im übrigen sind alle Themen, die Glarean in seinen Werken anspricht, miteinander auf die oder andere Weise verbunden; das trifft auch auf Musik und Arithmetik zu. De Arithmetica ist eng verbunden mit dem propädeutischen Unterricht, den Glarean in Freiburg in theologischen, juristischen oder medizinischen Kursen erteilte. Ausserdem besass Glarean einen Ruf als mathematische Autorität.

Von allem anderen abgesehen durchzieht das Werk Glareans eine pädagogische Zielsetzung. Wie in vielen seiner Werke verfehlt er nicht, seine Autorität als Lehrer zu stützen, indem er die Bücher derer herabsetzt, die diese Themen vor ihm behandelt haben und behauptet, dass sie schlecht geschrieben sind oder unverständliche Erklärungen enthalten. Dafür lobt er in beiden Fällen seinen Lehrer Erasmus, der ihn in dieser pädagogischen Sichtweise bestärkt hat.

Ein weiterer wichtiger Aspekt wird in der Praefatiuncula («kurzes Vorwort») von De Arithmetica deutlich: Laut Glarean ist es essentiell, die lateinische Sprache zu beherrschen, um sich mit den mathematischen Wissenschaften zu beschäftigen. Der Humanist erklärt, dass es ohne diese Fähigkeit unmöglich ist, die Autoren zu verstehen und sich adäquat auszudrücken und dass ein schlechter Sprachgebrauch in fataler Weise Irrtümer im Mathematikunterricht nach sich zieht. Der Lehrer muss daher die Nomenklatur seiner Disziplin beherrschen und sie seinen Schülern vermitteln, bevor es an das Mathematikstudium im eigentlichen Sinne geht.

 

Bibliographie

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