Die Rosenkreuzer gibt es wirklich
Raphael Egli
Einführung: Clemens Schlip (traduction française: Kevin Bovier). Version: 07.02.2025.
Entstehungszeitraum: Die Schrift präsentiert sich als ein am 22. September 1614 verfasster Brief. Sie wurde unzweifelhaft inspiriert durch die 1614 erschienene Fama Fraternitatis, die die Rosenkreuzerdebatte auslöste (s. dazu weiter unten in der Einleitung). Ihre Kürze legt ebenfalls nahe, dass sie nur kurz vor ihrer Veröffentlichung im Laufe des Jahres 1614 geschrieben wurde.
Edition: [Raphael Egli], Assertio Fraternitatis R. C. quam Roseae Crucis vocant, a quodam Fraternitatis eius Socio carmine expressa, Frankfurt a. M., Johannes Bringer, 1614.
Mit einem kurzen Zusatz von Johannes Bureus publiziert als Ara Foederis Therapici F. X. R. Assertioni Fraternitatis RC quam Roseae Crucis vocant, consecrata…, o. O., 1616, von Johannes Bureus, und 1618 ins Deutsche übersetzt (s. nächste Kategorie).
Deutsche Übersetzungen: Assertio oder Bestetigung der Fraternitet R.C., welche man des Rosen-Creutzes nennet. Item: Schnelle Botschafft an die philosophische Fraternitet vom Rosen-Creutz […], Danzig, Andreas Hünefeld, 1617; ferner zu erwähnen deutsche Übersetzung der Ara Foederis Therapici: Ara Foederis Therapici der Assertion Fraternitatis R. C. consecrirt anno Chr. 1617, «Newenstadt, Johann Knuber» [= Halle (Saale), Joachim Krusicke], 1618.
Weitere Übersetzungen: Im Internet kursieren mindestens eine englische Übersetzung der Assertio sowie mindestens eine englische Übersetzung der Ara Foederis Therapici; halbwegs normalen wissenschaftlichen und publizistischen Standards entspricht anders als diese eine Übersetzung der Ara Foederis Therapici ins Niederländische (Het miskende altaar der geneeskundigen van de Broederschap van het Rozekruis, Muschter, Groningen, 2015).
Metrum: elegische Distichen.
Raphael Egli
Raphael Egli wurde am 28. Dezember 1559 in Frauenfeld als Sohn des reformierten Pastors Tobias Egli geboren, der bald darauf zum Stadtpfarrer von Chur wurde. Raphael besuchte Schulen in Davos, Russikon, Chur und Chiavenna und studierte anschliessend Theologie in Zürich, Genf und Basel. Ab 1583 war er im Auftrag der Bündner Synode Gründer und Vorsteher der von den Drei Bünden betriebenen Schule in Sondrio im Veltlin für die Kinder der dortigen Bündner Kommissäre (das Veltlin von 1512 bis 1797 Untertanenland des Freistaats der Drei Bünde). In Zusammenhang mit solchen pädagogischen Bestrebungen steht wohl auch eine kurze Schrift über die Ordnung der von den Drei Bünden betriebenen Schule in Sondrio von 1584 (die übrigens laut dieser Ordnung eine gemischt-konfessionellen Einrichtung war). Das Schulprojekt scheiterte 1585 an dem Widerstand, das ihm ein aus Sizilien stammender Mönch entgegensetzte. Egli gründete hierauf eine Lateinschule in Winterthur. Ins pädagogische Fach schlägt auch 1585 erschiene Schrift Recte argumentandi ratio ad communem loquendi consuetudinem et clarissimam naturae lucem novo modo accommodata (Zürich, Christopher Froschauer). 1588 kam der seit 1583 verheiratete Egli nach Zürich, wo er zunächst Alumneninspektor des Fraumünsters wurde; 1592 machte man ihn zum Diakon und zum Professor für Neues Testament am Grossmünster, und 1596 wurde er ebendort Archidiakon. Von seinen theologischen Schriften erwähnen wir hier nur eine relativ umfangreiche Anthologie mit Texten von Théodore de Beze und Martin Luther über die Prädestinationslehre. Auf weitere (kleinere) theologische und gelehrte Arbeiten sowie Gelegenheitsgedichte gehen wir hier nicht näher ein. Egli ist massgeblich die Einführung des Kirchengesangs in der Kirche von Zürich zu verdanken (nicht zuletzt durch seinen Beitrag zu einer Disputation von 1594 und seine Schrift Bericht vom Kirchengesang), nachdem seit der zwinglianischen Reformation in ihr das musikalische Leben mehrere Jahrzehnte erstorben gewesen war. Vermutlich war Egli Redaktor des Zürcher Gesangbuchs von 1598.
Egli entwickelte ab einem uns unbekannten, aber vermutlich recht frühen Zeitpunkt eine stetig zunehmende Neigung zu alchemistischen Studien und beteiligte sich an von den Brüdern Hans Heinrich und Hans Ludwig Heinzel von Degerstein auf Schluss Elgg organisierten Versuchen der Goldherstellung, die viel Geld verschlangen und neben ernsthaft Interessierten wie Egli auch Betrüger und Scharlatane anlockten. Diese intensive alchemistische Betätigung brachte ihn zunehmend in Verruf, da sie schon rein zeitlich mit seinen Verpflichtungen in Zürich kollidierten, und führten schliesslich zu seinem finanziellen Ruin, da er die Aktivitäten auf Schloss Elgg mit Darlehen und Bürgschaften unterstützt hatte, die mit voller Wucht auf ihn zurückfielen, als die beiden Schlossherren sich dem bevorstehenden Konkurs 1597 durch Flucht entzogen. 1605 zwangen seine desolate Lage und der ihm drohende Schuldturm ihn schliesslich, seinerseits Zürich fluchtartig zu verlassen und sich nach Kassel zum hessischen Landgrafen Moritz des Gelehrten (1572-1632) zu begeben, der sich nicht nur (unter Überbeanspruchung der finanziellen Ressourcen seines Landes) für Künste und Wissenschaften (und hier insbesondere Alchemie und Astrologie) aufgeschlossen zeigte, sondern auch die bisher lutherische Landgrafschaft öffentlich in das calvinistisch-reformierte Lager führte. Egli widmete seinem Förderer schon 1605 die alchemistische Schrift Disquisitio de Helia artium (Leipzig, Johannes Rosa, 1605). Moritz machte ihn zum Theologieprofessor in Marburg und unterstützte grosszügig auch Eglis alchemistischen Bemühungen, wofür er ihm dafür sogar ein eigenes Laboratorium zur Verfügung stellte. Ebenfalls in Marburg erhielt Egli 1607 den theologischen Doktorgrad und fungierte ab 1614 ebendort auch als Schlossprediger. Er trug massgeblich dazu bei, dass in Hessen das reformierte Bekenntnis die Oberhand über das Luthertum gewann. Noch in Zürich hatte Egli den italienischen Philosophen Giordano Bruno bei dessen kurzen Aufenthalt dort im Jahr 1591 kennengelernt; 1595 und 1609 gab er die Summa Terminorum des Italieners heraus. Dass er die Ausgabe von 1595 (Johannes Wolff, Zürich) dem in Diensten des unlängst zum Katholizismus konvertierten Heinrichs IV. tätigen Friedrich von Salis widmete, geschah vielleicht in der Hoffnung, auf diesem Umweg eine Intervention des Königs beim Papst zugunsten des inhaftierten Bruno zu erreichen. Die Widmung findet sich allerdings auch noch in der Edition von 1609 (Marburg, Rudolf Huttwelcker), also mehrere Jahre nach Brunos Hinrichtung in Rom.
Von Eglis eigenen Schriften noch besonders erwähnenswert und charakteristisch für sein Denken ist die Schrift Prophetia Halieutica nova et admiranda, ad Danielis et sacrae apocalypseos calculum chronographicum, divina ope nunc primum in lucem productum, revocata (Zürich, 1598), die auch auf Deutsch erschien. In dieser Schrift geht es um Heringe, die im Jahr 1589 vor Norwegen und 1596 vor Pommern gefangen worden waren und auf deren Haut man geheimnisvolle Zahlzeichen und Hieroglyphen zu erkennen vermeinte. Egli interpretiert diese «Zeichen» als zeitliche Präzisierungen der endzeitlichen Prophezeihungen im Buche Daniel und in der Offenbarung des Johannes; so liest er aus einer der vermeintlichen Zeichenfolgen heraus, dass Satan bzw. das Biest der Apokalypse im Jahr 1710 auf die Menschheit losgelassen werden wird. Egli verstarb am 20. August 1622 in Marburg.
Assertio Fraternitatis
Die hier präsentierte Schrift Assertio Fraternitatis R. C. quam Roseae Crucis vocant… erschien anonym. Sie wird im Allgemeinen Egli zugeschrieben. Wenngleich seine Autorschaft sich nicht zweifelsfrei wird beweisen lassen, enthält die Schrift auch nichts, was gegen Egli als Autor spricht, und sie passt vorzüglich zu dessen sonstigem Leben und Wirken. In jedem Fall gewährt sie einen Einblick in einen wichtigen Aspekt des Geisteslebens in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts: das Rosenkreuzertum und die daran anknüpfenden Debatten.
1614 erschien in Kassel bei Wilhelm Wessel ohne Verfasserangabe ein Sammelband mit drei Schriften: Allgemeine und General Reformation der gantzen weiten Welt (deutsche Übersetzung einer Satire des im Vorjahr verstorbenen Italieners Trajano Boccalini, in der die Idee ins Lächerliche gezogen wird, die Welt lasse sich alleine durch die menschliche Vernunft zum Besseren wenden); die Fama Fraternitatis R. C. (trotz des lateinischen Titels weitestgehend auf Deutsch verfasst) und eine Kurtze Responsion des Tiroler Gelehrten Adam Haslmayer (1562-1630). Die Fama Fraternitatis R. C. musste noch im gleichen Jahr ebendort nachgedruckt werden, erschien in weiteren Ausgaben in den Folgejahren in verschiedenen Orten Europas und wurde mehrfach und in diverse Sprachen übersetzt. Der Inhalt der Fama Fraternitatis R. C. lässt sich kurz folgendermassen zusammenfassen: Der Gründer der Rosenkreuzer war ein Deutscher, ein Mann adeliger Abstammung, dessen Name in der Fama konsequent mit C. R. abgekürzt und nicht ausgeschrieben wird (im Lichte der nachfolgenden Publikationen darf man ihn jedoch als Christian Rosenkreutz ansprechen). Nach seiner Erziehung in einem Kloster unternahm er mit 16 Jahren eine Pilgerfahrt nach Jerusalem. Statt nach Jerusalem, begab er sich allerdings von Damaskus aus nach Damcar im Jemen, wo seine Kenntnisse in Astrologie, Physik und Mathematik verbesserte, dann nach Ägypten, schliesslich nach Fez, wo er die Magia naturalis (natürliche Magie) studierte. Nach seiner Rückkehr nach Europa erlebte er die Halsstarrigkeit spanischer Gelehrter, die seine neuen Erkenntnisse nicht akzeptieren mochten. Er ging nach Deutschland, wo er wissenschaftlich arbeitete und schliesslich das Kloster des Heiligen Geistes als Sitz einer von ihm geschaffenen Bruderschaft gründete. 120 Jahre nach seinem Ort entdeckte dort ein Rosenkreuzer der dritten Generation das mittlerweile in Vergessenheit geratene Grabgewölbe des Gründers, das in der Schrift genau geschildert wird und verschiedene Botschaften bereithält. Am Ende geben die fiktiven Verfasser der Fama ihrer Hoffnung Ausdruck, mit den europäischen Gelehrten in vertieften mündlichen und schriftlichen Kontakt zu kommen. Sie betonen aber, dass ihre Bruderschaft für die gottlose Welt im Ganzen immer unsichtbar bleiben wird. Worum es beim Rosenkreuzertum inhaltlich konkret geht, das erfährt man in dieser Schrift nur auf unsystematische Weise: Kritisiert werden der Papst und der Islam, Aristoteles und Galen, das bedeutet religiöse und wissenschaftliche Denkweisen, die als Verfälschung der Wahrheit und überholt angesehen werden; positive Bezugspunkte sind dagegen die Kabbala und Paracelsus.
Die Fama kündigte die Publikation einer «lateinischen Confessio» an, die erklären sollte, warum sich die Bruderschaft entschlossen hatte, an die Öffentlichkeit zu gehen und es Interessierten zu ermöglichen, ihrer Geheimnisse teilhaftig zu werden. 1615 erschien dann tatsächlich (wiederum in Kassel bei Wessel) die Confessio Fraternitatis R. C., Ad Eruditos Europae, die eine Reihe von Argumenten angibt. Diese Schrift wurde ebenfalls vielfach nachgedruckt und übersetzt. Sie bestätigt unter anderem die papstfeindliche Ausrichtung des Rosenkreuzertums und präzisierte die Angaben zu Christian Rosenkreutz, dessen Namen Christian in dieser Schrift ausgeschrieben wird. Dieser sei 1378 geboren worden und 1484 im Alter von 106 Jahren verstorben. Die Wiederentdeckung seines Grabes 120 Jahre nach seinem Tod fiel also auf das Jahr 1604, fand also genau zehn Jahre vor dem Erscheinen der Fama statt.
1616 folgte die Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz anno 1459 (Strassburg, Lazarus Zetzner), der Form nach ein autobiographischer Roman mit Christian Rosenkreutz (der hier allerdings in manchen Details ganz anders dargestellt wird als in der Fama) als zentraler Hauptperson, der auf himmlische Inspiration hin eine Art esoterische Initiationsreise unternimmt. Als Autor der zentralen Rosenkreuzerpublikationen Fama, Confessio und Chymische Hochzeit wird allgemein der deutsche lutherische Theologe Johann Valentin Andreae (1586-1654) angesehen, der für seinen Einsatz für ein zugleich verinnerlichtes und sich in praktischer Wirksamkeit manifestierenden Christentum bekannt geworden ist und später in seinen utopischen Werken Rei publicae Christianopolitanae descriptio (Strassburg, Lazarus Zetzner, 1619) und in Christenburg, Das ist: Ein schön geistlich Gedicht (Freiburg 1626) ideale evangelische Musterstaaten entwarf (inspiriert auch vom reformierten Genfer Modell, das er 1611 bei einem Besuch vor Ort zu bewundern gelernt hatte). Auch der von ihm erfundene Christian und Rosenkreutz und seine Bruderschaft verkörpern in gewisser Weise wohl die Rückkehr zu idealen christlichen Lebensverhältnissen, frei von Zwang und Aberglaube (bzw. was Andreae dafür ansah). Die Idee eines Rosenkreuzes leitete er ab von seinem eigenen Familienwappen, das seit 1553 ein rotes Andreaskreuz mit vier roten Rosen zeigt. Die alles Weitere auslösende Veröffentlichung der Fama Fraternitatis R. C. im Jahr 1614 war im Übrigen wohl nicht seine Entscheidung, sondern ging auf die Herausgeber zurück.
Die Assertio Fraternitatis R. C. gehört zu den zahlreichen Publikationen, die auf die 1614 erschienene Fama Fraternitas R. C. und deren vermeintliche Selbstenthüllung einer bis dahin im Verborgenen wirkenden Rosenkreuzbruderschaft reagierten; sie taten es entweder zustimmend oder ablehnend. Johann Valentin Andreae hatte mit seiner Mystifikation eine wahre Flut von Publikationen ausgelöst, die zum grössten Teil von protestantischen Autoren in Gang gehalten wurde und erst in den frühen 1620er Jahren wieder abebben sollte (die späteren, ohne die Texte aus der Zeit zwischen 1614 und ca. 1620-1623 nicht möglichen Rosenkreuzerdebatten ab dem 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart interessieren uns hier nicht). Unter diesen Veröffentlichungen fanden sich viele Sendschreiben, deren anonyme Verfasser öffentlich um Aufnahme in die Fraternität baten, von deren Existenz sie sich durch die Fama Fraternitatis R. C. hatten überzeugen lassen. Das zeigt, dass die Idee einer solchen verschworenen Gemeinschaft, die auf eine umfassende Reform des Geisteslebens zielte und besonders auch einen neuen Blick auf das von ihr der Bibel ebenbürtig betrachtete «Buch der Natur» anstrebte (ein Naturbild, das von dem traditionellen aristotelischen und galenischen Modell ebenso abzugrenzen ist wie von dem zur selben Zeit entstehenden empirisch-mechanistischen Weltbild), tatsächlich einem verbreiteten inneren Bedürfnis entsprach. Grundlegend ist für dieses Rosenkreuzertum der Wunsch nach einer umfassenden Erneuerung der europäischen Geisteswelt, ein Wunsch, der auch dadurch verstärkt wurde, dass viele Intellektuelle im protestantischen Bereich den Eindruck hatten, es sei nach den reformatorischen Aufbrüchen zu einer gewissen geistigen Verhärtung gekommen (Andreae, der viel unter Kritik vonseiten der lutherischen Orthodoxie zu leiden hatte, war definitiv dieser Ansicht).
Die Assertio Fraternitatis R. C. bestätigt vordergründig die Existenz der Bruderschaft der Rosenkreuzer und schildert deren Organisation und modus vivendi und modus operandi, setzt also die von Andreae geschaffene Fiktion fort. Der Anspruch der Assertio, ein Beweisdokument zu sein, wird besonders dadurch unterstrichen, dass es sich bei ihr der Form nach um eine in elegischen Distichen verfasste Versepistel handelt, deren sich hinter dem Kürzel «B. M. I.» verbergender Verfasser vorgeblich selbst ein Mitglied der Rosenkreuzer ist; der werkinternen Fiktion nach befindet er sich gerade auf einer ihm vorgeschriebenen Reise und wird von Regen in Hagenau aufgehalten, was ihm Gelegenheit gibt, die Assertio zu verfassen. Inhaltlich wiederholt sie grundsätzlich einiges, was aus der Fama schon bekannt war, erklärt aber genauer, wie die Brüder vom Rosenkreuz ihre wissenschaftlichen Studien organisieren. Ob Egli als wahrscheinlicher Verfasser der Assertio moralisch angemessen und intellektuell redlich gehandelt hat, darüber wird man sicher streiten können. Er war sich als Autor notwendigerweise bewusst, an einer Fiktion mitzuwirken; das Publikum dagegen liess sich von Schriften wie der Fama Fraternitatis und der Assertio Fraternitatis zum Teil täuschen. Im Fall der Assertio Fraternitatis widerfuhr das etwa dem schwedische Runenforscher und Mystiker Johannes Bureus (von Beruf seit 1609 Nationalarchivar), der an die Existenz der Rosenkreuzer glaubte. Er veröffentlichte 1616 an unbekanntem Ort eine Ara Foederis Therapici F. X. R. Assertioni Fraternitatis RC quam Roseaea Crucis vocant, consecrata…, die zum grössten Teil aus dem Text Eglis besteht, dem Bureus wenige eigene Zeilen und ein einen Altar zeigendes Frontispiz vorangestellt hat; der Text der Assertio wurde ihm wohl von einem für uns anonym bleibenden «T. E.» vermittelt. Die Ara Foederis wurde 1618 auch in deutscher Sprache aufgelegt (Ara Foederis therapici der Assertion Fraternitatis R. C. consecrirt anno Chr. 1617, Newenstadt, Johann Knuber [= Halle, Joachim Krusicke], 1618). Dieser Ausgabe entnimmt man die Auskunft, dass die Assertio von einem «I. S. B. N.» ins Deutsche übersetzt worden war (es gibt die Vermutungen, hinter diesen Buchstaben verberge sich Julius Sperber oder Johann Staricius).
Man darf Eglis Gefallen am Rosenkreuzergedanken sicher auch mit seinem weiter oben angesprochenen Eintreten für Giordano Bruno in Verbindung bringen; hatte doch schon dieser «viel von einer kommenden allgemeinen Reformation der Welt gesprochen.» Auch die Vorstellung einer Bruderschaft dürfte Egli angesprochen haben, hatte er doch in seiner Zürcher Zeit, im Jahr 1591, lange vor den Rosenkreuzerschriften, vor den Zürcher Hochschulangehörigen eine Rede über die in Psalm 133 verherrlichte Brüderlichkeit gehalten.
Nicht nur in Schriften wie der Assertio Fraternitatis behaupteten Einzelne ihre Mitgliedschaft in der geheimnisvollen Bruderschaft, sondern es zogen auch Männer durchs Land, die sich der Öffentlichkeit persönlich als Rosenkreuzer vorstellten. Sie taten es nicht selten in betrügerischer Absicht, um Leichtgläubigen zu imponieren und materiellen Vorteil aus der alchemistischen und wunderheilerischen Aura zu ziehen, die ihnen das Rosenkreuz verschaffte. Insofern diese Aura sich den gedruckten Rosenkreuzerschriften, der Fama und ihren Nachfolgerinnen wie der Assertio verdankte, sind auch diese Betrüger ein Teil von deren Rezeptionsgeschichte – so wenig sich Andreae und Egli über derartige Trittbrettfahrer gefreut haben dürften.
Raphael Egli hat mit seiner Assertio an der Schaffung eines Mythos mitgewirkt, der seinerzeit für grosse Verwirrung sorgte, schliesslich ein Eigenleben entwickelte und neben seiner direkten Einwirkung auf Organisationen wie die britische Royal Society und die Freimaurerei seit dem 18. Jahrhundert tatsächlich zur Gründung diverser rosenkreuzerischer Gemeinschaften mit mehr oder weniger esoterischem und/oder geheimbündlerischem Charakter geführt hat, die teilweise auch in der Gegenwart noch existieren. Dies kann jedoch ebenso wenig Gegenstand dieser Einführung sein wie die facettenreiche Rezeption des Rosenkreuzergedankens in Kunst und Literatur.
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Andreae (2010), 161: «Es soll auch unser Gebäw, da es auch hundert tausendt Menschen hetten von nahem gesehen, der gottlosen Welt in Ewigkeit ohnberühret, ohnzerstöret, unbesichtigt und wohl gar verborgen bleiben SUB UMBRA ALARUM TUARUM JEHOVA.»