Die Rosenkreuzer gibt es wirklich
Traduction (Allemand)
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Mit der Fama ist natürlich die kurz zuvor erschienene Fama Fraternitatis gemeint (vgl. dazu die Einführung), die den Hype um die Rosenkreuzer auslöste. In diesen Versen wird deutlich, wie rasch sich die Debatte über das Rosenkreuzertum ausgebreitet hatte.
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Damit soll wohl ausgedrückt werden, dass nur freie Menschen – in Abgrenzung zu Unfreien wie Leibeigenen – willkommen sind. Damit wird zugleich signalisiert, dass die Rosenkreuzer keine sozialrevolutionären Absichten verfolgen, wie es der Fall wäre, wenn sie geflohene Leibeigene aufnähmen.
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Gemäss der Fama Fraternitatis war der Gründer der Rosenkreuzer der Deutsche Christian Rosenkreuz, ein Mann adeliger Abstammung, der nach seiner Erziehung in einem Kloster mit 16 Jahren eine Pilgerfahrt nach Jerusalem unternahm. Statt nach Jerusalem, begab er sich allerdings von Damaskus aus nach Damcar im Jemen, wo seine Kenntnisse in Astrologie, Physik und Mathematik verbesserte, dann nach Ägypten, schliesslich nach Fez, wo er die Magia naturalis studierte. Nach seiner Rückkehr nach Europa erlebte er die Halsstarrigkeit spanischer Gelehrter, die seine neuen Erkenntnisse nicht akzeptieren mochten. Er ging nach Deutschland, wo er wissenschaftlich arbeitete und schliesslich das Kloster des Heiligen Geistes als Sitz einer von ihm geschaffenen Bruderschaft gründete. S. Andreae (2010), 140-146.
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Die Brüder tragen also in ihrem Kloster eine Art Ordensgewand.
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Die Rosenkreuzerschriften von 1614 und in den folgenden Jahren zeichnet eine antipäpstliche und antijesuitische Grundtendenz aus.
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Die Ortsbeschreibung ist hinreichend allgemein, um potentiell auf viele Gegenden in Deutschland zuzutreffen. Das Geheimnis bleibt gewahrt.
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Die Krankenpflege als besondere Aufgabe der Rosenkreuzer geht laut Fama Fraternitatis auf Weisungen ihres Gründers Christian Rosenkreuz zurück; Andreae (2010), 148.
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Gerade bei einem Text wie dem vorliegenden ist die Möglichkeit, dass sich hinter der Nennung genau dieses Ortes eine tiefere Botschaft verbirgt; unsere diesbezüglichen Überlegungen blieben jedoch ergebnislos.
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Dass sie nicht näher beschrieben werden, gewährt der Phantasie des Lesers freien Spielraum.
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Auf welchen, den Rosenkreuzern gegenüber feindselig eingestellten, Autor hier konkret angespielt wird, liess sich nicht feststellen.
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Das «Bäuche» bezieht sich wohl auf die entsprechende Beschimpfung der Hirten in Hesiod, Theogonie, 26; die «unnütze Belastung der Erde» ist ein Homerzitat (Ilias 18, 104: ἐτώσιον ἆχθος ἀρούρης; der dortige Kontext ist hier belanglos).
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Laut der Fama Fraternitatis steht im Grabgewölbe des Christian Rosenkreuz ein Rundaltar mit u. a. der Inschrift Jesus mihi omnia: Andreae (2010), 153.
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Man muss sich vor Augen halten, was hier geschieht: Der Verfasser beklagt im Namen der Rosenkreuzer, dass es Autoren gibt, die fälschlich den Eindruck erweckten, sie seien Rosenkreuzer und im Namen der Bruderschaft veröffentlichen. Da es die Rosenkreuzer indes gar nicht gibt, und er dies wohl weiss, macht er letztlich selbst nichts anderes.
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Wie schon in der Einleitung erwähnt, gab es tatsächlich herumziehende Betrüger, die im Umgang mit Leichtgläubigen materielle Vorteile aus der Aura von Alchemie und Wunderheilertum zogen, die sie dank ihrer vermeintlichen Mitgliedschaft in der geheimnisvollen Bruderschaft umgab.
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Wir konnten bislang nicht feststellen, auf welche Fälle sich der Verfasser hier bezieht. Sie müssen jedoch zeitnah vor der Entstehung des Gedichts stattgefunden haben und damals zumindest in bestimmten Kreisen hinreichend bekannt gewesen sein, sonst würde der Autor sie hier nicht erwähnt haben. Vermutlich darf man die Verbreitung dieser Neuigkeiten durch Einblattdrucke voraussetzen, wie sie für die Frühe Neuzeit typisch sind.
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Gemeint ist vermutlich Christian Rosenkreuz, dessen Namen in den damaligen Rosenkreuzerschriften oft nur abgekürzt wiedergegeben (z. B. Fr. C. R.) und nicht ausgeschrieben wird. Andreae wollte damit vermeiden, dass der Bezug zu seinem Familienwappen (Andreaskreuz mit vier Rosen) deutlich wurde.
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Deutlich wird hier die antijesuitische Tendenz des Rosenkreuzergedankens.
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Diese Behauptung eines unübersehbar grossen Netzwerkes kann dem Leser entweder Bewunderung einflössen oder ihn abschrecken.
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Wofür dieses Kürzel hier stehen soll, ist uns unklar. Hinter dem «I» könnte sich theoretisch Iconius verbergen, von Egli gerne als Beiname genutzt.
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1616 wird diese Fiktion offenbar nur unter Veränderung der Jahreszahl wieder aufgegriffen in der Ara Foederis therapici; s. die Angaben zu letzterer bei Peuckert (1971), 135, der sie ohne überzeugende Gründe als erstes Werk des pseudonymen Irenäus Agnostus betrachtet. Peuckert spricht offensichtlich von der von uns in unserer Einleitung besprochenen Ara Foederis Therapici F. X. R. Assertioni Fraternitatis RC quam Roseae Crucis vocant, consecrata…, o. O., 1616, die dem schwedischen Runenforscher und Mystiker Johannes Bureus zuzuschreiben ist; s. dazu Åkermann (1998), 40 und 52 (auch letztere Stelle legt eine Datierung der Ara auf den 22. September 1616 nahe); Åkermann (2002), 313-314. Die Ara Foederis war uns nicht zugänglich.