Zwei Briefe von Jacob Zwinger an seinen Vater Theodor Zwinger den Älteren
Jakob Zwinger
Einführung: William Barton. Version: 03.02.2025
Vorbemerkung: Diese Forschung wurde gänzlich durch den Wissenschaftsfonds FWF finanziert [‘LAGOOS’ Y 1519-G], Grant DOI 10.55776/Y1519, www.lagoos.org. Zum Zweck des freien Zugangs hat der Autor eine «Creative Commons Attribution CC BY»-Lizenz vergeben.
Entstehungszeit: Herbst 1582. Die beiden Briefe geben den Tag und den Monat ihrer Abfassung gemäss dem attischen Kalender an, in dem «Pyanepsion» ungefähr mit Ende Oktober und Anfang November zusammenfällt. Obwohl nicht klar ist, wie Zwinger diesen Kalender verwendet hat (ob er die attischen Monate mit seinem zeitgenössischen Kalender gleichgesetzt hat oder ob er das angegebene Datum nach dem ursprünglichen Mondmonatssystem berechnet hat) gibt die Universitätsbibliothek Basel in ihrem Katalog den 4. und 19. Oktober als Datum für die Briefe an.
Handschriften: Universitätsbibliothek Basel, Frey-Gryn Mscr I 11:Bl.419 (1. Brief); Universitätsbibliothek Basel, Frey-Gryn Mscr I 11:Bl.420 (2. Brief).
Jakob Zwinger, geboren am 15. August 1569 in Basel, ist heute vielleicht am besten bekannt als Sohn des berühmten Arztes und humanistischen Gelehrten Theodor Zwinger d. Ä. (1533-1588) und als Vater von Theodor Zwinger d. J. (1597-1654), einem bekannten Prediger und Theologen. Trotz seines frühen Todes, kurz nach seinem 41. Geburtstag, waren Jakobs eigene Leistungen als Hellenist und Arzt nicht gering.
Nach seiner Schulausbildung ging Jakob nach Italien, um von 1586 bis 1588 ein Medizinstudium an der Universität Padua zu absolvieren. Hier kam er in Kontakt mit bedeutenden italienischen Intellektuellen der damaligen Zeit wie Jacopo Zabarella und Alessandro Piccolomini. Nach einer Studienreise durch Italien und Deutschland kehrte er 1593 nach Basel zurück, wo er 1594 zum Doktor der Medizin promoviert wurde.
Im Jahr 1595 wurde Jakob als Professor für Griechisch an der Universität Basel berufen. Im folgenden Jahr heiratete er 1596 Judith Brand (1579-1610), Tochter des Basler Politikers und Diplomaten Bernhard Brand (1525-1594). Aus dieser Ehe ging unter anderem Theodor Zwinger d. J. hervor.
Neben seiner Lehrtätigkeit in Griechisch und seinem Dienst als Rektor an der Universität Basel (1606-1607) verfolgte Jakob seine humanistischen Interessen weiter und beteiligte sich an der fortlaufenden Bearbeitung und Herausgabe der Werke seines Vaters, so zum Beispiel an der erweiterten Ausgabe des Theatrum vitae humanae im Jahr 1604. Darüber hinaus verband Jakob in seinem Principiorum chymicorum examen (1606) seine Kenntnisse der griechischen Literatur mit seinen medizinischen Kenntnissen.
Unter der vorwiegend lateinischen Korrespondenz Jakob Zwingers, die in der Bibliothek der Universität Basel aufbewahrt wird, findet der Leser nicht weniger als 32 Briefe in Altgriechisch. Drei davon wurden von Jakob selbst verfasst. Der Rest des Korpus griechischer Briefe stammt von einer Anzahl reformierter Intellektueller – vielleicht am auffälligsten ist darunter der englische Theologe und Hebraist Hugh Broughton, dessen Konflikt mit Theodor Beza gut erforscht ist – sowie von einem gewissen Emanuelos Achilleos, einem griechischen Priester aus Thessaloniki. Die Verwendung des Altgriechischen neben dem Lateinischen als Verkehrssprache unter Humanisten, insbesondere solchen aus dem protestantischen Milieu, ist heute in der Wissenschaft eine anerkannte Tatsache.
Die beiden hier veröffentlichten griechischen Briefe sind in jeweils einer autographen Handschrift erhalten, mit der Adresse des Empfängers (seines Vaters) auf der Vorderseite, was darauf hindeutet, dass es sich um die ursprünglich abgeschickten Briefe handelt. Die Briefe stammen von dem dreizehnjährigen Jakob, der seinem Vater aus Eimeldingen schreibt, einer Stadt, die etwa zehn Kilometer von Basel entfernt im heutigen Baden-Württemberg liegt. Aus dem zweiten Brief geht hervor, dass Jakob sich im Rahmen seines Studiums in Eimeldingen aufhielt. Möglicherweise wollte er mit den zwei auf Altgriechisch verfassten Briefen seinen Eltern und dem Rest seiner Familie seine frühentwickelte Lernfähigkeit demonstrieren. Die Briefe sind also von Interesse für unser Wissen über den Sprachlernfortschritt eines zukünftigen Professors für Griechisch an der angesehenen Universität Basel im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, ausserdem bieten sie einen bemerkenswerten Einblick in eine innige Vater-Sohn-Beziehung jener Zeit.
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