Panegyrisches Gedicht auf die Kaiser Friedrich III. und Maximilian I.
Joachim Vadian
Einführung: Clemens Schlip (traduction française: David Amherdt/Kevin Bovier). Version: 10.02.2023.
Entstehungszeitraum: im zeitlichen Umfeld der Translation Friedrichs III. in sein Hochgrab im Stephansdom am 14. November und der Krönung Vadians zum poeta laureatus am 12. März 1514 (vgl. unsere untenstehende Einführung).
Edition: In hoc libello, amice lector, iam primum in lucem edita continentur Isocratis de regno gubernando ad Nicoclem liber [...], Wien, Vietor und Singrenius Alantsee, 1514, fol. H 2vo-K4vo (Zählung teilweise selbst erschlossen); hier: H2vo-H3vo, K2ro-K3ro; K3vo-K4vo; auch Strassburg, Johannes Prüs, 1514.
Metrum: daktylischer Hexameter.
Kaiser Friedrich III. (1415-1493) war nach seinem Tod am 19. August 1493 in Linz nach Wien überführt und am 6. und 7. Dezember desselben Jahres im dortigen Stephansdom beigesetzt worden. Das bereits 1467 bei Niclas Gerhaert van Leyden in Auftrag gegebene Hochgrab, an dem nach dessen Tod 1473 auf Basis seiner Pläne weitergearbeitet wurde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollendet. Erst am 14. November 1513 konnte Friedrichs Leichnam in dieses Prunkgrab im Apostelchor der Kirche überführt werden. Zu diesem Anlass verfasste Vadian ein panegyrisches Gedicht auf den umgebetteten Friedrich III. und dessen Nachfolger, den regierenden Kaiser Maximilian I. Es trug ihm am 12. März 1514 die Krönung zum poeta laureatus ein und dürfte überhaupt nur zu diesem Zweck verfasst worden sein. Die Erhebung zum poeta laureatus folgte einem festen Ritual, bei der der Kaiser vom Dichter Eid und Handgang empfing und ihm seinerseits einen Lorbeerkranz, eine Urkunde und einen Kuss schenkte.
Das Gedicht erschien 1514 in einem Wiener Sammeldruck, der ausser Vadians Panegyricus besonders eine lateinische Übersetzung des an den zyprischen König Nikokles adressierten Fürstenspiegels An Nikokles des griechischen Rhetors Isokrates (436-338 v. Chr.) enthielt, die der italienische Humanist Martino Filetico (ca. 1430-1490) angefertigt und seinerzeit (1468) Kaiser Friedrich III. gewidmet hatte; ferner drei weitere Humanistentexte verschiedener Autoren: eines davon ist ein Trauergedicht auf Friedrich III. von Emiliano Giovanni Stefano (hier: Quintus Haemilianus Cimbriacus, 1425-1499) aus Vicenza, den Friedrich III. 1469 zum Dichter gekrönt hatte, das andere eine epistola des Túyer Bischofs und kaiserlichen Rats Aloisio Marliano (†1421) über eine Seereise des kastilischen Königs Philipps I. in sein Königreich; es handelt sich um den Habsburger Philipp den Schönen (1478-1506), Herzog von Burgund, der 1504 durch seine Ehe mit Johanna, der Tochter der verstorbenen Isabella von Kastilien, zum König von Kastilien geworden war. Beim dritten Text handelt es sich um eine an den kaiserlichen Sekretär Jakob Spiegel (1483-1547) gerichtete Selbstrechtfertigung des Humanisten Jakob Wimpfeling (1450-1527) gegen Kritiker. Es lässt sich also festhalten, dass der Panegyricus Vadians mit seiner Darstellung zweier idealer Herrschergestalten und seiner damit verbundenen habsburgfreundlichen Richtung sich inhaltlich recht gut in das Ambiente dieses mit zeitlich und gattungsmässig sehr heterogenen Bandes fügt. Der Sammeldruck erschien im gleichen Jahr in einer minimal erweiterten Form auch in Strassburg.
Das in einer äusserst geschraubten Sprache verfassten und teilweise schwer verständliche Gedicht umfasst 608 Verse, von denen hier insgesamt 159 präsentiert werden. Vadian stellt seinem Text einen Widmungsbrief an den Wiener Bischof Georg von Slatkonia (1456-1522) voran, in dem er unter anderem anspricht, dass dieser unmittelbar nach seiner Bischofsweihe die Zeremonie der zweiten Beisetzung Friedrichs vorgenommen hatte.
Im Folgenden eine inhaltliche Gliederung des gesamten Gedichts:
1-21: der Dichter erklärt, dass er auf den traditionellen Musenanruf verzichtet; stattdessen ruft er Maximilian an, damit dieser seine Verse inspiriert.
22-84: Lobpreis Kaiser Friedrichs III., darin besonders bemerkenswert 29-32 (Friedrich habe einen schicksalshaften Namen getragen, der zu seinem friedenstiftenden Wirken passte); 33-38: Friedrichs Jerusalemwallfahrt; 39-44a: sein Romzug und seine Kaiserkrönung; 44b-65: verschiedene Aspekte seines wohltätiges Herrschaftswirkens; 66-84: positiver Vergleich Friedrichs mit Mark Anton und Caesar.
85-144: Exkurs über die Macht und die Bedeutung der virtus (Tugend/Tapferkeit), die Mutter grosser Heldentaten (mit zahlreichen Beispielen aus der antiken Geschichte und der Mythologie).
145-158: Lobpreis von Friedrichs Frömmigkeit und seiner Friedensherrschaft.
159-202: Exkurs über die Türkenbedrohung; darin 165-170: nicht mehr ausgeführte Pläne Friedrichs gegen die Türken; 171-202: Appell des Dichters an Maximilian, gegen die muslimische Bedrohung vorzugehen.
203-234: Tod Friedrichs (bzw. sein Aufstieg zu den Himmlischen) und Beschreibung der öffentlichen Trauer über sein Verscheiden (211-234: Trauerrede eines Ungenannten).
235-249: Lobpreis des Nachfolgers, Maximilian I. (235-239: Fortsetzung der Rede des Ungenannten, die somit eine Brückenfunktion zwischen dem Friedrich- und dem Maximilian-Lob einnimmt).
250-275: Exkurs darüber, wie tugendhafte Herrscher durch ihre Taten zu göttlichen Ehren kommen (namentlich aufgeführte historische Beispiele: Augustus, Trajan, Diokletian).
276-285: Friedrich ist den zuvor genannten Kaisern überlegen (aufgrund seiner Taten, aber auch aufgrund seiner Religion); deshalb wird seiner z. B. an Altären und in den von ihm gestifteten Kirchen gedacht.
286-377: (fiktiver?) Augenzeugenbericht über die Translation Friedrichs in sein Hochgrab; darin 311-352: Katalog der bei den Zeremonien anwesenden Gruppen, wie der österreichische Adel, Frauen und Mädchen, Bischöfe und Äbte...; 353-367: die eigentliche zweite Beisetzungszeremonie, Vadian erwähnt auch Kanonenschüsse; 368-377: Verteilung von Gedächtnismünzen mit dem Bilde Friedrichs an das Volk.
378-434: Exkurs über die besondere Bedeutung von fürstlicher Tugend und fürstlichem Laster, die Ehre, die der Tugend zuteilwird, und die Wirkkraft der Tugend.
435-465: Lobpreis des Grabmals Friedrichs III. (es übertrifft alle grossen Kunst- und Bauwerke der Antike; Vadian nennt u. a. die sieben Weltwunder der Antike).
466-475: der Dichter leitet zum Lobe Maximilians über.
476-608: Lobpreis Maximilians; darin 485-523a: ihm ist vergönnt, was vielen römischen Kaisern nicht vergönnt war, nämlich selbst der leibliche Sohn eines grossen Kaisers zu sein und zugleich selbst leibliche Nachkommen zu haben (Karl und Ferdinand); 523b-547: Maximilian als Förderer der Dichtkunst; 556-592: einst waren die Germanen tapfer, aber da sie unkultiviert waren, wurden ihre Taten nicht aufgeschrieben und blieben unbekannt; unter Maximilian stehen die Kräfte des Geistes und des Körpers dagegen in einem harmonischen Verhältnis zueinander; deshalb geraten Maximilians Grosstaten nicht in Vergessenheit; 592-604: Erwähnung militärischer Erfolge Maximilians in Italien; 605-608: diese Erfolge werden den Stoff bedeutenderer Gedichte bilden; man wird Maximilian für seine Taten rühmen.
Der Panegyrikus passt mit seinen Divinisierungstendenzen gut zu dem übersteigerten Herrscher- und Dynastiekult, den Maximilian aus Burgund, das ihn sehr geprägt hatte, in das Reich mitgebracht hatte. Dieses Gedicht mit anderen Lobgedichten zu Ehren des Kaisers zu vergleichen und somit stärker zu kontextualisieren, wäre eine reizvolle Aufgabe, auf die hier nur hingewiesen werden kann.
Bibliographie
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