Epithalamion für Oswald von Eck und Anna von Pienzenau
Übersetzung (Deutsch)
1
Wir wiederholen zu dieser Stelle unsere Feststellung aus Schlip (2023), 140, Anm. 25: «Tatius greift hier ein beliebtes literarisches Motiv auf: den von einer Biene gestochene Eros/Amor, der sich von seiner Mutter trösten lässt, vgl. als Ursprungstexte die anakreontische Tradition (Anacreontea, fr. 35, in der Zählung von Preisendanz) und das 19. Idyll des (Pseudo?-)Theokrit; das Motiv wurde auch in der bildenden Kunst aufgegriffen etwa bei Lucas Cranach d.Ä. in seinem Bild Venus mit Amor als Honigdieb (1525). Man wird einen Einfluss solcher bildlichen Darstellungen auf Tatius nicht ausschließen wollen. Als gute Einführung in die literarische Motivgeschichte bietet sich an J. Hutton, «Cupid and the Bee», in: Proceedings of the Modern Language Association 56 (1941), 1036-1058.»
2
Eine der neun Musen; sie wird besonders mit der Tonkunst und der lyrischen Dichtung in Verbindung gebracht.
3
Eine der neun Musen; sie wird besonders mit Tanz und Chorgesang in Verbindung gebracht. Indem Oswald sich mit ihr und Euterpe, der Muse lyrischer Dichtung beschäftigt, wird sein Gemüt offenbar weicher und anschlussfähiger für die Liebe.
4
Er verliert also seine geistesaristokratische Abgeschlossenheit und öffnet sich für normale menschliche Empfindungen.
5
Die Musen: sie wohnen am Quell Hippokrene unterhalb des Ostgipfels des Helikons (vgl. nächste Anm.), welcher durch einen Hufschlug des geflügelten Hengstes Pegasus entstanden war, welcher seinerseits ein Sohn der Medusa (der schrecklichsten der Gorgonen) und des Poseidons/Neptuns war; daher sind die Musen meduäische Göttinnen.
6
Der Berg Helikon in Böotien war Apoll und den Musen heilig.
7
Hymenäus ist der Gott der Hochzeitszeremonien.
8
«Noch 1568 bis 1570 ist er [Oswald] gemeinsam mit seiner Frau Anna von Pienzenau als Hausbesitzer in der Vorderen Schwabinger Gasse nachweisbar (Residenzstraße 1)»; es erscheint uns zumindest möglich, dass dieses (Anfang des 17. Jh. zugunsten des Neubaus der Residenz abgerissene) Haus auch der Schauplatz der hier im Folgenden beschriebenen Münchener Ereignisse ist. S. zu diesem Haus A. Gößner, Evangelisch in München. Spuren des Protestantismus von der Reformationszeit bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Regensburg, Friedrich Pustet, 2017, 88 (dort auch das Zitat).
9
Pyramus und Thisbe (Kinder verfeindeter Eltern) hatten ein nächtliches Stelldichein ausserhalb Babylons vereinbart. Thisbe kam als erste, floh aber vor einer Löwin, die durstig aus einer Quelle trank. Thisbe verlor dabei ihren Umhang, den die Löwin zerriss und mit Blut verschmierte (sie hatte gerade Beute gerissen). Pyramus fand den Umhang vor, hielt Thisbe für tot und stürzte sich aus Verzweiflung in sein Schwert. Als Thisbe zurückkam und dies entdeckte, tat sie desgleichen. Vgl. Ovids Metamorphosen (met. 4,55-166). Zur letztlich nicht beantwortbaren) Frage, welchen (lateinischen/volkssprachlichen) Text über das unglückliche Paar Eck hier genau liest/vorträgt, s. Schlip (2023), 155.
10
Nach antiker Überzeugung war die Leber der Sitz der Affekte, besonders auch der sinnlichen Liebe.
11
Es würde sich für die von Pallas/Minerva als Musterbild mädchenhafter Tugend gerühmte Anna offensichtlich nicht schicken, in allzu wilder und leidenschaftlicher Liebe zu entbrennen. Für den zukünftigen Bräutigam Oswald gilt diese Einschränkung nicht.
12
Das heisst, ein Gewand aus Seidenflor, das auch mit Goldstickereien versehen sein kann.
13
Oswald von Eck.
14
Da Oswalds Geburtsdatum nicht feststellbar, ist sein genaues Alter zum Zeitpunkt der Hochzeit unklar. Realistisch betrachtet dürfte er kaum deutlich über 30 gewesen sein.
15
Das heisst die Geschichte von Pyramus und Thisbe.
16
Das heisst der Hochzeitstermin.
17
Dem weiter oben erwähnten Hymenäus.
18
Tatius greift hier, wie seine Randanmerkung zur Stelle zeigt, die Unterscheidung zwischen Aphrodite Urania und Aphrodite Pandemos auf, die Platon im Symposion trifft (Symp. 180d). Zu möglichen Quellen und zur Interpretation s. unsere Einleitung zu dieser Präsentation, in erster Linie aber Schlip (2023), 158-162.
19
Im weiteren Verlauf unserer Passage wird Tatius die als Zugtiere des Venuswagens ebenfalls oft genannten/dargestellten Tauben die erschöpften Schwäne ersetzen lassen.
20
Eine andere Übersetzung der Verse 735-750, die mit der vorliegenden inhaltlich übereinstimmt, bieten wir auch in Schlip (2023), 157.
21
Venus droht ihrer irdischen Rivalin hier also das Schicksal des Titanen Prometheus an, der auf Befehl des Zeus/Jupiter an einen Berg im Kaukasus gefesselt wurde; dort besuchte ihn jeden Tag ein Geier, der seine Leber frass, die danach stets wieder nachwuchs.
22
Die stärkste bei den olympischen Göttern übliche Schwurformel. Der Styx (im Griechischen eigentlich ein Femininum, im Deutschen auch Maskulinum) ist ein Unterweltsfluss.
23
Vermutlich ist der Androdamas gemeint (ist das Andromedas bei Tatius eine Verschreibung?), laut den Erklärungen im Wörterbuch von Georges («androdamas», in: Ausführliches Lateinisch-Deutsches Wörterbuch […], ausgearbeitet von K. E. Georges, 81913 [achte Auflage bearbeitet von H. Georges; ND Darmstadt 2010]) handelt es sich entweder um einen «Stein aus der Gattung der Blutsteine» – vgl. Plin. nat. 36,146 – oder um einen «würfeligen, silberfarbigen Markasit» – vgl. Plin. nat. 37,144. Diese beiden Verse sind eine kleine tour de force durch die Welt der Edelsteine; Tatius stellt hier sein artistisches Vermögen unter Beweis, auch eine solch harte Materie dem Metrum gefügig zu machen.
24
Medus ist laut A. Blaise, Lexicon Latinitatis Medii Aevi, Turnhout, Brepols, 1975, 577 «une pierre précieuse». Er entspricht wohl dem Edelstein Medea. Laut dem Eintrag «Medea II)», in: Ausführliches Lateinisch-Deutsches Wörterbuch […], ausgearbeitet von K. E. Georges, 81913 [achte Auflage bearbeitet von H. Georges; ND Darmstadt 2010], 838, handelt es sich dabei um einen für uns nicht mehr identifizierbaren schwarzen Edelstein (vgl. Plin. nat. 37,173). Wie beim zuvor erwähnten Androdamas fragt man sich, ob Tatius selbst eine konkrete Vorstellung von dem Stein hatte, oder ob er mit möglichst exotischen Begriffen brillieren wollte.
25
Vgl. Plin. nat. 9,123 (es ist eine einzelne, längliche Perle).
26
Laut Plin. nat. 37,181 ein Edelstein mit lauchgrüner Färbung.
27
Zypern war die der Aphrodite/Venus heilige Insel.
28
Ἁγνεία; fromme Reinheit.
29
Καρτερία; die Ausdauer.
30
Ἔνδοσις; das Nachgeben/die Nachgiebigkeit.
31
Ἔνδοσις; das Nachgeben/die Nachgiebigkeit.
32
Ἔνδοσις; das Nachgeben/die Nachgiebigkeit.
33
Die Chariten (auch Grazien genannt) verleihen dem Leben der Götter und Menschen Anmut, Schönheit und Freude. Ihre Zahl wird in den antiken Quellen zwar nicht einheitlich angegeben, doch schliesslich hat sich (vor allem auch in der Rezeptionsgeschichte) die Dreizahl durchgesetzt.
34
Muss man diese Stelle so verstehen, dass nur zwei Tauben den Wagen ziehen, wie zuvor wohl zwei Schwäne? Im Sinne des Tierschutzes wäre das nicht wünschenswert, es liegt aber leider nahe.
35
Abgeleitet vom Ida-Gebirge in Kleinasien (heute Kaz Dagi).