Anmerkungen zu den Evangelienlesungen
Übersetzung (Deutsch)
Aus dem Widmungsbrief des Petrus Canisius an Peter Schneuwly, Generalvikar des Bischofs von Lausanne, und die übrigen Freiburger Kleriker [2 ro; 2 vo; 3 vo-4ro; 5 ro]
Für sehr verehrungswürdige und herausragende Männer, für den Herrn Peter Schneuwly, den Vikar des Lausanner Bischofs in geistlichen Angelegenheiten, und für die Herren Erhard Torin, den Dompropst, und für die anderen Kanoniker der Kollegiatkirche in Freiburg in der Schweiz und für den restlichen Klerus in diesem Jurisdiktionsgebiet erbittet Petrus Canisius von Jesus Christus aufrichtig Gnade und Frieden.
Schon eine Dekade ist vergangen, Ihr ehrwürdigen und durch Eure kirchliche Würde ansehnlichen Männer, seit ich zum ersten Mal in diese Stadt Freiburg kam, nicht freiwillig, sondern durch die Autorität meiner Vorgesetzten dazu angetrieben, um mich, in welcher Form auch immer, entweder als Arbeiter oder als Kirchenmann bei der Heranziehung dieser Ernte zur Verfügung zu stellen. So hat nämlich der beste und grösste Gott, dessen Eigenschaft es ist, Arbeiter für seinen Weinberg zu bestimmen, beschlossen, dass ich, durch das rechtmässige Tor hineingeführt, gleichsam den letzten Akt meines Lebens hier zur Aufführung bringe, und meine sogenannte Veteranenzeit unter den Schweizern erhalte.
[…]
Ich weiss nämlich gut, eine wie beschaffene und wie grosse Religionsprovinz Ihr so viele Jahre schon aufrecht erhaltet und wie ernsthaft Ihr für das wahre Bekenntnis des katholischen Glaubens und die unverfälschte Lehre streitet, zumal da so viele Monster an Irrtümern und Häresien von allen Seiten her heranschleichen, die dieses erbärmlich zerzauste Bistum, ach weh, immer mehr zerfleischen. Durch Eure Wachsamkeit nämlich und zugleich durch die standhafte Autorität unseres unverdorbenen Rates ist es geschehen, dass (ohne Neid sei es gesagt) bisher viele tausend Katholiken, gleichsam der erwählte und geliebte Rest Israels, im Freiburger Jurisdiktionsgebiet bewahrt wurden und ihre Knie nicht vor Baal und anderen jüngst errichteten Götzenbildern beugen, sondern vielmehr wie der ältere Tobias den Herrn Gott Israel im heiligen Jerusalem und seinem wahren Tempel aufrichtig suchen, anrufen und anbeten.
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Wir behandeln [in dieser Schrift] also Anmerkungen zu den Evangelien zu jenen festbegründeten Lesungen, die gewohnheitsmässig an den Festtagen in den katholischen Kirchen vorgelesen werden und dann gemäss einer sehr alten und sehr bewährten Sitte öffentlich ausgelegt werden. Ich vertraue darauf, dass dieses Thema meinem Beruf nicht fremd zu sein scheint und auch für Euch, die Ihr Euch um die orthodoxe Lehre bemüht, angenehm ist und zugleich nicht wenig dazu beiträgt, dem Volke Frömmigkeit einzuflössen. Denn diese Anmerkungen geben einige Stellen und Hauptpunkte zur Hand, wenn ich mich nicht ganz täusche, die auch in anderen Zeiten oft, aber zumal besonders auch an den Sonntagen in Erinnerung gerufen werden sollen, und gerade in dieser Pestzeit zur Heilung der Seelen anscheinend kaum genug eingeprägt werden können. Auch wenn ich gut weiss, dass sich viele hervorragende Theologen finden lassen, die über derartige Evangelienlesungen viel Nützliches und Schönes geschrieben haben, so dass es nicht nur von den Gelehrten oder Predigern, sondern auch vom katholischen Publikum zu Recht gründlich gelesen wird. Wir aber, die wir solchen Koryphäen und Führern gerne weichen, haben beschlossen, eine ein wenig andere Lehrmethode zu befolgen und einen Weg zu beschreiten, der von den anderen etwas abweicht. Wir unterlassen nämlich, was bei den anderen üblich ist, wir hängen nicht am sogenannten Literalsinn, sondern unterlassen es weitgehend, den Geschichtsbericht des Evangeliums und den Zusammenhang der Worte skrupulös zu diskutieren. Wir begnügen uns damit, wenige und wichtige Hauptstücke der Heilslehre aus dem vorgesetzten Evangeliumslesungen herauszupflücken und sie für die Meditation und das Gebet tauglich herzurichten. So dass wir, entsprechend unserer beschränkten Fähigkeiten, wenn nicht für gelehrte, so doch für gute und redliche Leser Sorge tragen und etwas bereitstellen, was nicht so sehr der intellektuellen Erhellung als der Erweckung religiöser Gefühle dient.
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Gegeben zu Freiburg in der Schweiz, im Jahre 1591 nach Christi Geburt, im Januar.
Die Weisung des hochwürdigsten Herrn, Peter Schneuwlys, Generalvikars des Bischofs von Lausanne, an den gesamten ihm untergegebenen Klerus [fol. 5 vo]
Dieses ersehnte und neue Werk, das der ehrwürdige Pater Petrus Canisius sowohl anderen, als auch besonders unseren Kirchenleuten zu Gefallen verfasst und herausgegeben hat, umfangen Wir eifrig als ein wahrhaft katholisches Werk, das der Lektüre würdig ist und billigen es öffentlich durch dieses Zeugnis. Hierauf schreiben wir allen und jedem einzelnen der Dekane, Pfarrer und Prediger vor – ganz gleich ob sie Säkular- oder Regularkleriker sind –, dass sie dieses Buch kaufen, es sich und anderen empfehlen und es häufig lesen und Unterricht darin suchen. So wird es, hoffen Wir, geschehen, dass sie mit der Hilfe Gottes aus diesen Anmerkungen zu den Evangelien sowohl für sich eine Frucht ziehen, die sie nicht reuen muss, als auch in der Folge besser dafür vorbereitet sind, das Volk recht und fromm zu bilden. Gegeben zu Freiburg, in unserem Amtssitz, im Jahre 1591 nach Christi Geburt.
[Petrus Canisius:] Zum Hochfest Fronleichnam und seiner Oktav (p. 715-716; 717-718)
Dieses Evangelium [Joh 6,56-59] ist Teil der langen und schwierigen Disputation, die Christus mit den Kapharnaiten darüber hatte, dass man sein Fleisch essen soll und sein Blut trinken soll. In diesem Zusammenhang ist es wissenswert, dass ein zweifaches Zusichnehmen Christi existiert, nämlich ein rein geistliches und ein sakramentales, und dass man beide in diesem Kapitel des Johannes, wie auch im gegenwärtigen Evangelium, wahrnehmen muss. Geistlich ist der Glaube bzw. das Vertrauen in das Verdienst des Körpers und des Blutes des Herrn, der am Kreuz für uns geopfert wurde; sakramental aber jene äusserliche Aufnahme der heiligen Eucharistie unter den Gestalten von Brot und Wein. Diese schliesst freilich immer die geistliche Aufnahme ein und vermag ohne sie nichts, ja schadet ohne sie dem Kommunikanten sogar sehr. Mögen aber die Väter die Worte Christi in diesem Evangelium teilweise auf die sakramentale, teilweise auf die geistliche Aufnahme hin auslegen, ist es dennoch nicht sicher, von Hilarius, Chrysostomus, Kyrill und anderen abzuweichen, die sehr klar überliefern, dass hier jene sakramentale Aufnahme Christi angezeigt und darauf gedrungen wird. Diesem Sinn folgt die Kirche und setzt dieses Evangelium nun vor und verbindet es mit dem gegenwärtigen Fest, das von allen Gläubigen ein starkes Bekenntnis zu diesem Sakrament und zugleich dessen öffentliche Verehrung fordert (wenn schon zu anderen Zeiten, dann besonders jetzt). Und wie die Münder der alten Kapharnaiten, so werden auch heute die Münder derer, die über die Sakramente murren und sich blasphemisch dazu äussern, kräftig gestopft, wenn wir die Worte Christi so auffassen, dass sein Fleisch nicht auf eine rätselhafte oder uneigentliche Weise, sondern wahrhaft Speise und sein Blut Trank ist, wobei sie freilich auf geistliche Weise in uns dasselbe wirken, was äussere Speise und äusserer Trank im Menschen auf körperliche Weise zu bewirken pflegen.
[…]
Eine ist freilich die Kommunion der Opferpriester, die von Berufs wegen die Passion Christi am Altar vergegenwärtigen, was ohne die Kommunion unter beiderlei Gestalt unmöglich ist; eine andere die der Laien, die nichts daran hindert, wenn es die Kirche so vorschreibt, unter einer Sakramentsgestalt den ganzen Christen zu sich zu nehmen, wie Chrysostomus, Augustinus und viele andere billigerweise meinen, dass die zwei Jünger in Emmaus lediglich unter der Gestalt des Brotes kommuniziert haben. Einen Anhaltspunkt zum Irrtum bietet es, dass die, die auf den Gebrauch des Kelches drängen – von Gottes Geist verlassen, der ausserhalb der wahren Kirche nicht existiert –, über ein so grosses Glaubensmysterium dem Fleische gemäss urteilen, und sich dabei mehr als billig ist, um das Trinken kümmern. Sie sehen nicht, dass die Katholiken, die unter einer Gestalt kommunizieren, nicht nur den Leib, sondern zugleich das Blut und den Geist und die Gottheit Christi empfangen und sich an jenen Kommunikanten das Versprechen CHRISTI erfüllt: Wenn einer von diesem Brote isst, wird er in Ewigkeit leben.
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