Rede über Sueton
Traduction (Allemand)
Traduction: Clemens Schlip (französischer Originaltext der Anmerkungen von Lucie Claire)
Ich werde im Folgenden den mit einer sehr scharfen Spürnase begabten Autor C. Suetonius Tranquillus interpretieren, der eine Lebensbeschreibung verfasst hat, die die zwölf... Wie soll ich sie bezeichnen? Caesaren? Wenn Caesar von caedes (Gemetzel) abgeleitet ist, wie manche Grammatiker erklären, dann kann ich sie wahrlich als Caesaren bezeichnen. Aber was, wenn ich sie als zwölf Räuber bezeichne? Was, wenn ich vom Leben der zwölf Monster spreche, wie Tranquillus selbst den Caligula zu bezeichnen gewagt hat? Was, wenn ich sie als Übermonster bezeichne? Welche Monster haben nämlich solche Katastrophen über die Sterblichen gebracht wie der eine Julius? Er war ein schädliches Gestirn für den ganzen Erdkreis, wie vor ihm jener Alexander der Grosse, der in Pella geborene Spross des Philipp. Haben denn der kalydonische Eber in Ätolien oder der Löwe im nemeischen Wald, die Trophäe des Herkules, den Menschen mehr Schaden zugefügt? Beim Herkules, nein! «Geh weg!», mag hier einer rufen. «Du machst die göttlichen Caesaren zu Monstern? Wer soll das ertragen? Fürchtest du dich nicht vor ihrer Göttlichkeit und der Geissel ihrer Rache?» Ich fürchte sie wie das Knistern einer angezündeten Nuss. Mache ich sie zu Monstern? Sie selbst und niemand sonst haben sich zu Monstern gemacht. «Aber sie sind Götter.» Wer hat sie zu Göttern gemacht? «Ihre Verdienste.» Welche Verdienste? Wildheit, Habgier, barbarisches Tyrannentum, Gemetzel, Grausamkeit, Wahnsinn, Hochmut, Diebstahl, Völlerei, Jähzorn, Neid, Unmässigkeit, Wollust, Räubereien, Unzucht... schon verlässt mich der Atem. Das sind die herrlichen Werke dieser Caesaren. Wieder mag jemand sagen: «War an ihnen denn nicht auch irgendetwas Gutes?» Vielleicht. Aber bei den meisten war es so wenig, dass es im Vergleich zu ihren Lastern immer nur den geringsten Teil darstellte.
Um das zu beweisen, sage ich: Stellen wir uns jenen ersten von ihnen, Julius Caesar vor Augen, der, wie manche geschrieben haben, ein herrliches Beispiel für grosse Männer ist (wenn es den Göttern gefällt). Auf, auf, sieh dir den ganzen Band an, den Sueton über ihn verfasst hat. Ich will des Todes sein, wenn nicht alle seine Kapitel verderbenbringenden Ehrgeiz zum Inhalt haben, das heisst sein Verlangen nach dem, was er auch erlangt hat, nämlich das Reich zu zerstören, das er sich durch überaus grosses Unrecht erworben hatte, durch das Blut seiner Mitbürger und die Unterdrückung der Republik, um alleine zu herrschen. Nimm ein anderes Verdienst seinerseits um das Menschengeschlecht hinzu. Er hat 1.100.000 Menschen mit Waffengewalt getötet, wobei seine Mitbürger noch nicht mitgezählt sind. Was denkt ihr über dieses Verdienst gegenüber dem Menschengeschlecht? Nimm noch die Schande seiner Jugend hinzu, dass König Nikomedes von Bithynien Unzucht mit ihm getrieben hat; nimm seine Diebstähle hinzu, die 3000 Pfund Gold, die er während seines Konsulats heimlich aus dem Staatsschatz entwendet und durch eine ebensolche Summe vergoldeter Bronze ersetzt hat. Nimm alle geplünderten Heiligtümer und Tempel in Gallien hinzu, Städte, die versteigert wurden, ohne eine Schuld auf sich geladen zu haben, nur um Beute zu machen, wie unser Freund Sueton geschrieben hat. Nimm noch seine ungeheure Verschwendung zugunsten von Huren, Bauwerken, dem Areal zur Errichtung seines Forums und tausend andere Dinge hinzu, die die Autoren hinsichtlich dieses herzhaften Verschwender erwähnen.
Es trete jener dürftige Augustus hinzu, der grösste von allen Fürsten, der unseligste von allen Fürsten! Wenn er niemals eine andere böse Tat begangen hätte, als dass er in seinem Triumvirat, einem Bündnis, das er mit zwei berühmten Räubern geschlossen hatte, den Tod Ciceros verursachte, dann könnte man ihn schon zu den bösen Menschen zählen. Aber noch sehr viel grösser war seine Sünde, als er seinen Stiefsohn Tiberius zwang, auf seine Ehefrau Agrippina zu verzichten und sie zu verstossen, von der er schon Kinder hatte, um stattdessen eine Prostituierte, die Augustustochter Julia, zu heiraten. Von da her schlichen sich alle Schande und schliesslich auch alles Unglück in das julische Haus ein, daraus entstanden jene beispielhaften tragischen Ereignisse, die von jeder Art von Grausamkeit und monströser Begierde erfüllt sind. Tiberius nämlich glitt in jede erdenkbare Schande ab, und man sagt mit vollem Recht, dass er so für Caligula, Claudius und Nero zur Quelle aller ihrer Nichtsnutzigkeiten geworden ist. Dies alles hat seinen Ursprung in der Hochzeit der Prostituierten Julia und der unmässigen Liebe des Augustus zu seinem eigenen Blut. Aber so ist das in der Natur eingerichtet: Je schmutziger wir sind, desto ehrenwerter wollen wir erscheinen. Jener liebe Knabe der Juno, dessen Grossvater Bankier und dessen Vater Bürge war (der Rest lässt sich bei Cicero nachlesen), wollte so auftreten, als habe er einen sehr alten und hochadeligen Stammbaum und sich durch seinen Stiefsohn eine Garantie dafür verschaffen. «Aber er hat das Reich auf wunderbare Weise verwaltet und eine Stadt aus Ziegeln zu einer Marmorstadt gemacht»: So pflegte er sich nämlich zu rühmen. Ich höre es. Gott hat das gewirkt, nicht um der Versdienste der Römer noch um der des Augustus wegen, sondern weil der Erlöser des Menschengeschlechts, Christus, in einer Friedenszeit geboren werden wollte (Esaia 2). Hätte denn Augustus selbst, dessen Jämmerlichkeit Plinius in seinem siebten Buch sehr ausführlich behandelt, mit einem kriegsuntauglichen Körper eine solche Massen von Angelegenheiten regieren können? Aber ich höre auf, über ihn zu sprechen, obwohl ich noch vieles sagen könnte: Mag er auch ein sehr schlechter Mensch gewesen sein, so hat er doch noch schlechtere Menschen hinterlassen (freilich durch seine eigene Schuld), wahre Monstermenschen.
Was soll ich nämlich über Tiberius sagen? Er hatte ein schwärendes, zu jeder Art von Neid neigendes Gemüt; es hat auf dem gesamten Erdkreis niemals etwas Heuchlerischeres, niemals etwas Schädlicheres, niemals etwas Schändlicheres gelebt. Über ihn kann man in unserer Sprache in sehr ausgeschmückter Weise sagen, was man auf Latein kaum ausdrücken kann: Ein abgfeimpter, eerloser, znichtiger bößwicht! Wenn man griechische Begriffe in das Lateinische mengen darf, oft sogar vor einem Publikum, das gar kein Griechisch versteht, warum soll es dann nicht erlaubt sein, Worte aus der keltischen und germanischen Sprache einzustreuen, und dies vor einem Publikum, das sie versteht? Aber ich schäme mich, noch mehr über diesen Gott zu reden. Ich möchte lieber von dem leidigen Tüfel sprechen!
Nun führe man den Kaiser Caligula vor, jener Scheisskerl, das schantlich physickgückly, ein Spross, dessen sich Germanicus zu schämen hat, damit das Sprichwort wahr werde: «Die Söhne von Heroen sind Schadenstifter»! Er war genauso lächerlich wie Tiberius, in höchstem Grade grausam und verschwendungssüchtig. Deshalb kann man ihn nicht genug tadeln: Seine Schlechtigkeit, Nichtsnutzigkeit und Dummheit übertrifft noch jeden denkbaren Tadel.
Claudius, jenes dumme Schwein, das weniger wert und noch nichtiger war als der Pilz, an dem er gestorben ist, übergehe ich mitsamt seinen Gattinnen Messalina, einem von jeder Art von sexueller Begierde erfüllten Ungeheuer, und Agrippina, jener verbrecherischen Giftmischerin, zwei Charybden und Skyllen.
Schafft mir bitte Nero herbei, jenen grössten Nichtsnutz unter allen Zweifüsslern, dessen Ungerechtigkeit und Verbrechen sogar Knaben und Dämchen bekannt sind; er verdient es kaum, dass ihn irgendjemand bei seinem Namen nennt! Deshalb soll er hier auch übergangen werden, zusammen mit Galba, Otho und Vitellius, den drei Häuptern des dem Pluto gehörenden Kerberos. Mit welchem Monster kann man nämlich diese Prasser, Säufer, Fresser, Schlemmer, Fettwänste, Bäuche, brasser, schlemmer, pfuser, schlucker besser vergleichen?
Vespasian und seinen Sohn könnte man ausnehmen, wenn nicht der Vater an schändlicher Habgier und der Sohn an der Liebe zu Berenike und Eunuchen gelitten hätten. Und wenn schliesslich nicht Domitian, dieses überaus widerliche Untier, den Ruf und den Ruhm der beiden verunziert hätte; in dem einen Domitian steckten so viele Verbrechen, dass er mit allen schandbeladenen Caesaren, die vor ihm gelebt hatten, hätte wetteifern können.
Ich sage: Auf welche Weise diese (wie soll ich sie nur angemessen bezeichnen); ich sage: Auf welche Weise diese Alastoren der Menschenwelt, das heisst höchst schädliche Seuchen, ihre Göttertitel erlangt haben, das kann mit Recht staunenswert über alles Staunenswerte hinaus erscheinen. Gerade die besten mögen in ihrem Geist mit sorgfältiger Prüfung erwägen, auf welche Weise die Welt jemals in eine solche Blindheit verfallen konnte, dass sie derartige Ungeheuer als Götter verehrte und immer noch Leute anbetet, die in einer räudigen Haut steckten und unter den Bedingungen des menschlichen Verhältnisses lebten. Denn mit Hinblick auf Herkules, Theseus und Vater Bacchus und manche andere, von denen man sagt, dass sie dem Menschengeschlecht viel Gutes getan haben, konnte dies weniger erstaunlich erscheinen, weil ja niemand den Anschein erwecken will, er sei gegen verdiente Männer undankbar. Es war eine überaus grosse und okkulte Macht der Finsternis, die Menschen zu einem solchen Mass an Blindheit treiben konnte.