Einige Erinnerungen an denkwürdige Vorgänge, die ich, Gaspar Bérody, der Rektor des Gymnasiums von Saint-Maurice, im Verlauf der Jahre hier und da niedergeschrieben und angemerkt habe
Traduction (Allemand)
Traduction: Clemens Schlip (französischer Originaltext der Anmerkungen von Anne Andenmatten)
Im Oktober 1635
[…]
Am Fest der Translation des heiligen Augustinus, am 11. Tag dieses Monats, stürzte der mittlere Teil des sogenannten Dent de Novierroz über dem Gletscher ein, was einen Lärm erzeugte, der klang wie ein gewaltiger Donner, und es erhob sich eine Staubwolke, aus der sich tiefschwarze und himmelblaue Wolken bildeten, die den Staub von jenem Berg bis zu dem Dent de Morcles verteilten und bis nach Aigle gelangten. Zum Ende hin nahm man kohlenschwarze Wolken wahr; sie wurden sichtbar in Villeneuve, in Vevey und in höhergelegenen Orten.
Vom Berg rollten haufenweise Fels, Gletschereis und Erde herab bis zu einer Höhe von ungefähr sechs Lanzen, wo sie sich ansammelten und den Fluss Ottes einige Wochen aufhielten, bis Regen eintrat; die Marre wurde in ihrem Lauf überschwemmt von scheunengrossen Felsen und Erdhaufen; und das Wasser wurde in drei Teile geteilt (was mit schweren Problemen für die Reisenden verbunden war), und ausgerechnet damals fand ja gerade in Martigny der Markt statt; das Wasser schwoll so an, dass ungefähr anderthalb Stunden lang keiner von denen, die sich von dem genannten Markt auf den Heimweg gemacht hatten, es wagte, weiterzugehen, weil das Wasser intervallweise derart an- und abschwoll, dass viele sich zur Umkehr gezwungen sahen und Fussgänger und Reiter den Weg benutzten, den man im Volksmund la Crostaz nennt.
Wenige Tage später wurde in Fronarbeit eine Brücke über die Marre errichtet.
Am 26. Oktober, dem Tag der Auffindung der Reliquien des heiligen Mauritius, trug man die Leiber der heiligen Märtyrer Mauritius und Sigismund, unserer Schutzpatrone, in einer allgemeinen Prozession mit grossem Eifer und Aufwand durch die Stadt, und aus dem vorgenannten Grund fastete man an diesem Tag bei Wasser und Brot.
Im Mai 1636
Am 12. Mai, dem Pfingstmontag, kam es gegen 2 Uhr am Nachmittag zu einer Überschwemmung der Marre, und sie floss über die Hügel bis zu den Häusern von La Rasse, wo sie auf wundersame Weise zum Stehen kam und sich nicht weiter ausbreitete. Die Bewohner des Ortes wurden dennoch von diesem Schauspiel in Unruhe versetzt und liefen zu den Bürgern von Aigle und baten sie um die Abhaltung einer gemeinsamen Prozession, die auch stattfand unter dem Geleit der verehrungswürdigen Herren Kanoniker des Klosters Saint-Maurice und der ehrwürdigen Kapuzinerpatres. Als man noch vor Tagesanbruch zu der bewussten Stätte gelangte, rief man sich aufgrund der ausserordentlichen und augenfälligen Gefahr zu, dass jeder, der sich in Sicherheit bringen könne, sich um seine Flucht auf die nahegelegenen Anhöhen kümmern solle, weil man sah, dass der Fluss schon aus seinem gewohnten Bett trat, mit grosser Wucht und einem ungeheuren und unerhörten Brausen schon die Hauptstrasse überflutete. Und so hielt, nachdem man bis zum Landgut Les Crestes des ehrenwerten Pierre du Bui hinaufgestiegen war, der ehrwürdige Pater Marcellus, der Guardian, dort eine Ansprache an das Volk, und mit einem allgemeinen Votum änderte man den Namen der Marre zu Saint-Barthélemy, und auch das Dorf La Rasse wurde fortan Saint-Barthélemy genannt; allerdings mit der Einschränkung, dass man in notariellen Dokumenten den alten Namen beibehalten sollte, wenn von diesen Örtlichkeiten, dem Fluss und dem Dorf, die Rede ist.
Am Freitag, dem 16. Mai, wurde zum ersten Mal und dann später an den Quatemberfreitagen aus diesem Anlass heraus eine allgemeine Prozession nach Saint-Maurice de Vérolliez abgehalten, um 7 Uhr morgens, wobei sich Bürger und Volk in der neuen Kirche von Saint-Maurice versammelten. Mit einem gemeinsamen Beschluss wurde festgesetzt, dass fortan die schon einige Zeit nicht mehr bestehende Bruderschaft vom Heiligen Geist wieder in ihrer früheren Ordnung wiederhergestellt werden solle und forthin wieder dauerhaft das seit alter Zeit gebräuchliche Almosen am Pfingstfest verteilen solle; als ihren Leiter wählte man den edlen und verehrungswürdigen Herrn Henri de Macognino, und als Spiritual den Herrn Piere Odet. Als Prioren wählte man den edlen Chrétien Franc und den ehrbaren François Camanis, und als deren Berater den Leutnant Odet und den fürsichtigen Petermann Odet; als Aufseher und Vorsteher dieser Bruderschaft wählte man den berühmten und edlen Herrn Hauptmann Antoine Quartéry, unter dessen Leitung und Ratschluss ihre Einrichtung erfolgen sollte.
Mit der Zustimmung und Billigung des hochwürdigsten Herrn Abtes wurde als Exorzist der verehrungswürdigste Herr Claude Cleyvodus abgeordnet, Priester und Rektor des Gymnasiums von Aigle. Er zog sich in Begleitung und mit der Hilfe einiger Mönche in das Hochland von Jorat zurück (anfangs, bis zum Saint-Barthélemy-Fluss, begleitete ihn das Volk mit seinem Gebet), wo er neun ganze Tage hindurch im Chalet des ehrenwerten Barthélemy Odet blieb und dort seinem Amt als Exorzist nachging, weil man damals allgemein annahm, auf dem Berg Novierroz versteckten sich Dämonen und etliche andere schädliche Wesen, und ihre Gaukeleien seien schuld an den zahlreichen gewaltigen Schäden. Allerdings gab es nach seinen Beschwörungen kein Anzeichen für ihre Anwesenheit. Den Namen des Novierroz änderte man auf gemeinsamen Beschluss hin zu Saint-Michel und den des Flusses Vérolliez zu Saint-Maurice, wobei man aber bei dem neuen Namen das Wort Vérroliez beibehielt und es ihm anfügte.