Fünfzig Predigten

Traduction (Allemand)

1. Aus dem Widmungsbrief der fünften Dekade an Henry Grey, 3rd Marquess of Dorset (1517-1554; ab Oktober 1551 auch 1st Duke of Suffolk) vom März 1551 (fol. 267vo).

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Ich glaube nicht, dass ich mich mit Dir über irgendeine passendere Angelegenheit unterhalten kann, herrlichster Fürst, als über das Heil der anglikanischen Kirche, und so auch darüber, wie man das Wohlbefinden des ganzen berühmten Königreiches bewahren soll: da es ja durch die Ordnung des besten und grössten Gottes geschehen ist, dass Du in den ehrwürdigsten Rat der allergnädigsten königlichen Majestät und des berühmten Königreiches von England aufgenommen worden bist. Und aus diesem Grund möge es auch im höchsten Grade Deine Aufgabe sein, über das öffentliche Heil des Königreiches Bescheid zu wissen und Dich darum zu kümmern. Unzweifelhaft aber leidet der am wenigsten Schaden, der weiss, woher für Königreiche das Verderben kommt. Es existiert aber keine Krankheit, die für Königreiche verderblicher ist, als die, die aus der Korruption der wahren Religion resultiert. Denn es gibt für Königreiche kein herrlicheres Gut als das, das aus der wahren Religion resultiert, oder aus der wieder gereinigten Religion, wenn sie korrupt gewesen war. Dieses Gut geniesst teilweise schon das berühmte Königreich von England, während es seine Kirche reformiert und die alte Reinheit der Religion zurückruft und wiederherstellt und jene neuartigen Missbräuche, Irrtümer und abergläubischen Praktiken, deren Verfestigung wir schon seit einigen Jahrhunderten beobachten, vernichtet und beseitigt. Daher besteht kein Zweifel daran, dass jeder diese so grosse Glückseligkeit stören wird und dem ganzen Königreiche einen unbeschreiblichen Schaden zufügen wird, der Eurem heiligsten und glückseligsten Projekt einen Aufschub aufzwingt. Aber neulich kam die Einladungsbulle zum ökumenischen Konzil (wie sie es nennen), das in Trient am 1. Mai begangen werden soll: Da viele von ihm ernsthaft eine Kirchenreform erwarten, wird es vielleicht bei Euch (wie man sie überall findet), Leute geben, die meinen, man müsse darauf warten und bis dahin mit der begonnenen Reformation pausieren. Diese Konzilsankündigung und die Erwartung einer Reform könnten Euer Glück stören und eine gut begonnene Sache aufhalten und behindern. Deine Aufgabe, erlauchtester Fürst, und die aller anderen hochehrwürdigen Vornehmen des Königreiches, wird es sein, sorgfältig darauf zu achten und darüber zu wachen, dass nicht zusammen mit der Kirche Christi Euer bedeutendes Königreich Schaden nimmt. Ich werde mit soliden Argumenten vor Augen führen (wie man es auszudrücken pflegt), dass jene Reformhoffnung ganz inhaltslos ist. Das Konzil ist nämlich zu keinem anderen Zwecke vom Papst eingerichtet worden, als um den alten Irrtum und Aberglauben zu bekräftigen und die Reformen, mit denen in Deutschland, England, Dänemark und anderen Nationen der christlichen Welt begonnen wurde, zunichte zu machen, ja sogar, um die reine und aufrichtige Wahrheit des Evangeliums zu unterdrücken.

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2. Aus Decad. V. Sermo VI. (De Sacramentis, fol. 332ro-vo)

Dagegen kämpfen am meisten die, die von jener papistischen Transsubstantiation des Brotes in die Substanz des Leibes Christi und des Weines in die Substanz seines Blutes überzeugt sind. Sie leugnen nämlich auf jede Weise, dass Brot und Wein in ihren Substanzen bleiben, wenn sie in den Mysterien konsekriert worden sind. Sie behaupten nämlich, sie würden zunichte gemacht und in den Leib und das Blut des Herren selbst umgewandelt, so dass von der Konsekration an hinter den Akzidenzien von Brot und Wein gar keine Substanz mehr übrig ist. Denn sie sagen, der Herr habe mit beredten Worten über das Brot und den Wein ausgesprochen «Das ist mein Leib» und «Das ist mein Blut». Der Herr könne aber in seiner Allmacht ohne Aufwand bewirken, dass das, was er gesagt hat, so geschehe, wie er gesagt hat. Um dies zu illustrieren, bringen sie nicht wenige Gleichnisse vor, nämlich, dass der Herr den Menschen aus dem Lehm der Erde geformt habe; und bald darauf die Frau aus der Rippe des Menschen; ebenso aus der Frau des Loth eine Salzsäule; und deshalb könne er mit seiner selben Macht bewirken, dass aus dem Brot der Leib, aus dem Wein aber das Blut wird. Und das sind nun ihre Hauptbeweise. Wir aber haben an anderer Stelle hinreichend über den Sinn der Worte des Herrn diskutiert: «Das ist mein Leib»; so dass es überflüssig ist, das Gleiche hier in vielen Worten zu wiederholen. Wir haben aber bewiesen, dass man aus der Allmacht Gottes nicht alles Beliebige herauslesen und festsetzen darf; sondern, dass auch Gottes Allmacht nichts tut, was der Wahrheit widerspricht, wodurch sie auch gegen sich selbst handeln würde; und auch, dass kein Gläubiger die göttliche Macht als Vorwand nehmen darf, um Annahmen zu treffen, die den klar verständlichen Schriftstellen und den Artikeln des allgemeinen Glaubens widerstreiten.

Es liegt aber ganz klar auf der Hand, dass nach der Konsekration im Sakrament die Substanz von Brot und Wein vorhanden bleibt. Wir brauchen hier keine anderen Zeugnisse als die Sinne selbst, die nichts anderes wahrnehmen, sehen, schmecken und liebkosen als Brot und Wein. Als jedoch die Erde in den Leib des Menschen verwandelt wurde, die Rippe zur Frau, und ebenso die Frau des Loth in eine Salzsäule, waren sie nicht wie das Altarsakrament, was sie vorher gewesen waren, und den Sinnen erschien nichts mehr von Erde, Rippe, Frau des Loth. Auf höchst unpassende Weise werden also jene Beispiele auf die Problematik des Herrenmahls angewendet, mit dem sie in keiner Weise zusammenstimmen. Diesen Sachverhalt haben wir weiter oben berührt. Das hochheilige Evangelium, das die Stiftung des Mahles und seine Weise aufs Sorgfältigste beschreibt, erwähnt keine wunderbare Wandlung; ja es bezeichnet sogar Brot und Wein, die der Herr in seine Hände nahm und an die Jünger verteilte (wodurch es von diesen empfangen wurde) auch nach der Rezitation der Konsekrationsworte, wie sie diese Worte nennen, als Brot und Wein, wie vor der Konsekration. Ja, in Mt 26 bezeichnet der Herr den konsekrierten Wein sogar nicht nur als Wein, sondern auch mit einer gewissen Betonung als «Frucht des Weinstocks», damit jeder weiss, dass der Wein wahrhaft Wein ist und bleibt. Bei Markus lesen wir über den Becher Folgendes: «Und nachdem er den Becher in seine Hände genommen hatte, als er Dank gesprochen hatte, reichte er ihn ihnen. Und sie tranken alle aus ihm. Und er sprach zu ihnen: Dies ist mein Blut des neuen Bundes etc.» Siehe, er sagt: «Sie tranken alle aus dem Becher», bevor die Worte rezitiert worden waren, die sie die Konsekrationsworte nennen; deshalb haben sie Wein getrunken. Wenn sie aber antworten sollten, dass man diese Stelle im Evangelisten mit der Redefigur des Hysteronproteron erklären muss, dann haben sie einer uneigentlichen Redeweise erlaubt, Eingang in die Mahlproblematik zu finden; von der sie doch behauptet haben, man müsse sie einfach und ohne Hilfe uneigentlicher Ausdrucksweisen verstehen. Aber auch der Apostel Paulus bezeichnet in 1 Kor 10 das Herrenbrot, das schon für den heiligen Verzehr existiert, und sozusagen konsekriert ist, als «Brot». Und in 1 Kor 11 nennt er es zum dritten Mal «Brot». Dazu kommt, dass die Apostelgeschichte bezeugt, dass die ganze mystische Handlung von der apostolischen Kirche «Brotbrechen» genannt worden ist, nicht Leibbrechung oder Blutausteilung. Es ist deshalb klar, dass die Substanz von Brot und Wein im Sakrament des Herrenmahles in ihrer Natur verbleibt und dass die Transsubstantiation eine sophistische Erdichtung ist.

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