Briefe an Albrecht von Bonstetten
Traduction (Allemand)
1. Briefe des Niklaus von Wyle (Büchi Nr. 5, 7, 48)
a) Niklaus von Wyle, Protonotar in Esslingen, grüsst vielmals seinen edlen, gelehrten und vortrefflichen Herrn Albrecht von Bonstetten, Kapitular von Einsiedeln, seinen Herrn und ehrenwerten Freund.
Ich habe Dein Schreiben an mich gesehen und komme nicht umhin, mir selbst zu gratulieren, weil Du darin grossartig über mich sprichst und Deine Empfindungen für mich zum Ausdruck bringst. Deshalb erstrahlte mir dieser Tag meiner Ansicht nach als einer, den man zu den ehrwürdigen rechnen muss, an dem ich zu der Einsicht komme, dass ich Dir, einem höchst edlen Mann, gefalle (auch wenn das nicht an meinen positiven Qualitäten, sondern sicher an Deiner Menschlichkeit und Milde liegt). Ich fand aber ein ausserordentlich grosses Vergnügen an Deinem erwähnten, an mich adressierten Brief, der so beredt, angenehm und akkurat geschrieben ist, dass er nach Cicero schmeckt und riecht. Beim Herkules, es ist schön, dass Du aus einem uralten Geschlecht stammst, aber noch schöner ist es, dass Du Dich diesen Wissenschaften, dem Studium der Wissenschaften und den humanistischen Künsten gewidmet hast. Denn das zuerst Erwähnte haben sehr viele Leute gemeinsam, das zweite aber ist Deine ganz eigene Qualität und empfiehlt Dich in ganz besonderer Weise. Du siehst nämlich, dass gegenwärtig Fürsten, Barone und Vornehme die Wissenschaften derart verachten, dass sie sich schämen und sich zur Schande anrechnen, etwas zu lernen, und dass es ganz ungewöhnlich ist, in diesem Zeitalter unter ihnen einen Gebildeten zu finden; deshalb verdienst Du um so mehr Lob, je seltener es vorkommt, dass man unter Edelleuten und besonders in Deinem Kapitel einige gebildete Mitbrüder findet. Fahre also fort, wie Du begonnen hast, und Du wirst Dir unsterblichen Ruhm erwerben und noch nach Deinem Tod leben. Wenn aber ich Dir bei der Fortsetzung Deines Studiums mit meinen Büchern behilflich sein kann, dann bitte mich zuversichtlich, und Du wirst das Gewünschte erhalten. Weil ich mich Dir ganz hingebe und mit diesem Brief ein nicht gewöhnliches Freundschaftsbündnis eingehe, so dass Du Dich meiner später als Deines treuen Sklaven bedienen kannst, will ich auf Deine Erwiderung warten. Aber lebe dennoch wohl, weil meine hastige Rückkehr nicht zulässt, dass ich mehr an Dich schreibe und das Papier nicht gut ist (und ebenso die Tinte); deshalb urteile gnädig über den ungepflegten Brief und die ungepflegte Schrift, und ich möchte, dass Du häufig an mich schreibst, wenn Du erfahren hast, dass ich irgendwo eine bleibende Stätte habe, was, wie ich hoffe, bald der Fall sein wird. Dein Buch wirst Du mit meinem Stiefsohn zusammen finden, von dem ich wünschte, er hätte es schon länger besessen.
Noch einmal: Lebe wohl. Aus Zürich, am Samstag nach Michaelis, im Jahr 69 (30. September 1469).
b) Niklaus von Wyle grüsst vielmals seinen Freund Albrecht von Bonstetten.
Als Gesandter meines gnädigen Herrn habe ich einige mir von ihm erteilte Aufträge in Gegenwart der Botschafter der Eidgenossen in Baden erfüllt und bin auf dem Rückweg von dort gestern nach Zürich gekommen; ich werde morgen von dort weggehen, und wenn ich nicht die Hoffnung hegte, dass mein erwähnter Herr nächstens nach Einsiedeln gehen wird (wie er es vorbereitet), hätte ich mich schon mit Dir in Deiner Wohnstätte getroffen. Dein Werk, das Du mir geschickt hast, habe ich noch nicht vollständig durchgelesen, da ich durch andere Aufgaben daran gehindert wurde, aber sobald ich kann, werde ich es durchkauen und Dir eine authentischere Antwort geben. Ich lobe dennoch schon jetzt, dass Du Zeit für dieses humanistische Studium erübrigst und Dich ihm so sehr widmest, dass Du darin ohne weiteres (ich zweifle nicht daran) in die Gemeinschaft einzigartiger, lobwürdiger Männer gelangst und alle Nachbarn, wie sehr sie auch aufgrund eines anderen Talents gelehrt sein mögen, mit Leichtigkeit übertriffst. Ich werde Dir die beiden Werke des Aeneas Silvius («Über das Elend der Höflinge» und «Über ein Heilmittel gegen die Liebe») mitbringen, wenn ich meinen Herrn begleite, der, wie gesagt, nach Einsiedeln gehen will. Aber wenn er seine Meinung ändert, werde ich unzweifelhaft mit meiner Gattin um das Fest der Verena herum nach Einsiedeln aufbrechen und will hierauf ebendort bei uns in Baden baden. Denn unsere Tochter ist schwanger und wird um diese Zeit herum ihrem Gebärtermin nahe sein, und ihre Mutter will dabei gegenwärtig sein. Ich würde mir wünschen, dass Du mein Badegenosse wirst, damit wir in diesem Bad über viele Dinge sprechen können, die zu unseren humanistischen Studien beitragen; das würde auch mit sich bringen, dass wir uns dort nicht langweilen. Ich habe auf die Bitten einiger Fürsten hin schon viele kleine Werke aus dem Lateinischen in die Volkssprache übersetzt. Ich lasse Dich daran Anteil haben, wenn Du willst; ich stehe nämlich Deinen Wünschen zur Verfügung; deshalb bediene mich meiner in dieser Hinsicht bei Angelegenheiten, bei deren Erledigung ich Dir zu Diensten sein kann.
Aus Zürich, in Eile geschrieben, zwei Tage vor dem Ulrichstag, im Jahr 70 (3. Juli 1470).
c) Niklaus von Wyle grüsst vielmals seinen Freund Albrecht von Bonstetten.
Weil Du deine Aufgabe gut erfüllt und mit Deinem Brief jeden Anlass zur Klage weggenommen hast, weine ich nicht mehr; mein zorngeschwollener Sinn hat geradewegs die Trauer, dann auch die Betrübnis verworfen. Wie ich bei der Lektüre dieses Briefes mich anhaltender Heiterkeit und anhaltendem Gelächter überliess, das weiss ich nicht auszudrücken. Das war es, was meine tiefe Liebe zu Deinem Geist schon lange gewünscht hat. Es ruht jede Klage, und obwohl Du sagst, dass Geschriebenes durch einen Boten zu mir gebracht worden sei. Aber beim Kastor, ich habe niemals welche [Briefe] gesehen, ja ich vermag nicht einmal zu sagen (wenn ich es wagte), dass mir welche überbracht worden wären; so kommt es, wie wir dann beschuldigt werden, bald aus Trägheit, bald aus Übermut nach den Dingen getrachtet zu haben, auf die sich unsere Arbeit täglich stützt. Wir widerstreben und sind darin freilich müde; was sich für unsere Ehre schickte, desto weniger wir es verfolgen, desto mehr verkünden wir weit und breit, wir hätten es erfüllt. Das sage ich, nicht um Misstrauen gegen Deine Klugheit zum Ausdruck zu bringen, sondern Du wusstest es selbst schon besser. Unsere wechselseitige Liebe legt offen zu Tage, was wir im Einzelnen treiben, und ich halte darin nichts für geheim, sondern spreche frei heraus.
Im Übrigen aber: Dass Du Dich klein machst, indem Du Dich ein Menschlein nennst, ist ein Ausdruck höchsten Lobes. Du hättest in der Familie des Aeneas Silvius geboren werden sollen; wie klein der gewesen ist, ist Dir nicht unbekannt, und auch nicht, was für Spuren er uns hinterlassen hat. Die Gesamtkirche erträgt seinen Tod nur schwer. Auch Du konntest ihn nicht genug bewundern (als ich mit Dir zusammen war), zumal aufgrund mancher seiner Schriften. Was sich ebenso mit Alexander so verhält, der Deine Statur hatte und dennoch sich das Verdienst erwarb, auf dem ganzen Erdkreis «der Grosse» genannt zu werden! Denn das Ausmass der charakterlichen Eigenschaften und die unsterbliche Lebenskraft der Seelen übertrifft jede Einschätzung. Wenn das nicht so wäre, würde man den Elefanten (die eine erstaunliche Masse verkörpern) mit ungeheuren Lobsprüchen den Vorzug geben. Lebewohl aus Stuttgart.
2. Brief des Achatius Mornauer
Achatius Mornauer, Lehrer der Dekretalen und Kanonikus in Brixen, grüsst vielmals den edlen und hochberühmten Mann, den Herrn Albrecht von Bonstetten, Dekan von Einsiedeln, seinen erstrangigen Herrn und Freund.
Auch wenn Dein erst kurz zuvor von Dir an mich abgeschickter Brief mir in meiner Abwesenheit überbracht wurden, habe ich diese hocherwünschte und hochbewährte Post, nachdem ich von ihrer Überbringung erfahren hatte, gründlich gelesen. Ich habe daraus erfahren, dass Du den Untergang des Herzogs von Burgund und seine grausamen und erfolglosen Kriege in einem kurzen Kompendium (wie Du es nennst) zum unvergänglichen Ruhme des herrlichen Herzogs von Österreich, des vielmaligen Herrn Sigismund, Grafen von Tirol etc., dieses allermildesten Mannes, und zu Deiner eigenen Ehre ausgearbeitet hast. Dieses Werk ist mir bislang, auch wenn ich von ihm gehört habe, bisher tatsächlich noch inhaltlich unbekannt, auch wenn ich glauben möchte, dass es dieses Lob verdient; keiner kann daran zweifeln, da man allgemein Deinen ausgefeilten Stil rühmt. Ich konnte allerdings in Hinblick auf das, um dessen Erreichung Du mich gebeten hattest, um Dir einen Vorteil zu verschaffen, kein Ergebnis erzielen, zumal Du schreibst, dass man für Dich die erste vakante Stelle vorsehen soll. Wie die Dinge liegen, sehe ich für die Erreichung dieses Ziels nur düstere Aussichten, auch wenn ich unter Einsatz all meiner Kräfte hinsichtlich des Kaplantitels erreicht habe, was ich wollte, und ich habe beschlossen, ihn Dir mit einem kräftigen Glückwunsch zu schicken, damit er zu Deinem Ruhm und zu Deiner Ehre gedeihe. Deshalb: Wenn ich Deine Verhältnisse besser verstehe, benutze mich, wozu Du willst, und lasse mich als Freund Anteil an Dir haben; dann werde ich es an Mühewaltung nicht mangeln lassen. Ich möchte, dass Du mir in dieser Hinsicht Aufträge erteilst.
Lebewohl. Aus Innsbruck.
3. Briefe des Michael Christan (Büchi Nr. 21, 81)
a) Michael Christan grüsst vielmals den berühmten und hochgelehrten Mann, den Herrn Albrecht von Bonstetten.
Ich schicke Dir, trefflicher Mann, den Traktat, der dem Niklaus von Wyle von Dir zum Geschenk gemacht worden ist; auch wenn ich ihn gierig bei mir behalten möchte, will ich dennoch lieber Dir als meiner Begierde willfahren, besonders bei dieser Gelegenheit, weil Du einem Dir Unbekannten so vertraut schreibst, gerade als ob zwischen uns ein gewohnheitsmässiger Umgang bestünde. Ich bekenne, dass ich Dir unbekannt bin, aber glaube mir, Du bist mir in ausreichendem Masse äusserst bekannt, weil ich die Vortrefflichkeit Deines Geistes schon lange erkannt und gründlich betrachtet habe; es lässt sich nicht ausdrücken, wie freudetrunken mich diese Vortrefflichkeit gemacht hat, weil ich staunte, dass sie in einem Manne von edler Herkunft Wurzeln geschlagen habe und ihm angeboren sei. Unsere Adeligen nämlich verwenden meist keinerlei Mühe auf das Studium der Wissenschaften. Aber darüber werde ich noch bei späterer Gelegenheit schreiben, wenn ich mehr freie Zeit habe. Unversehens nämlich, vielmehr in diesem Augenblick erst, habe ich erfahren, dass ein bei uns anwesender Bote zu Dir aufbrechen wird. Deshalb habe ich hastig nach meiner Feder gegriffen, und dieses barbarische Geschreibsel, das ich so hastig verfasst habe, für Dich bestimmt, so dass ich es nicht in eine gehörige äussere Form bringen kann. Deshalb sei mir gnädig, wenn Du auf ein Wort stösst, das mit Tinte zum zweiten Male wieder ausgestrichen wurde. Du weisst, dass eine nachfolgende Ausgabe immer anmutiger ist als die frühere. Lebe wohl, herrlichster Mann, und habe mich mit jedem Tag immer mehr lieb, womit Du ja schon begonnen hast.
b) Michael Christan grüsst vielmals den verehrungswürdigen und edelgeborenen Mann, den Herrn Albrecht von Bonstetten, Dekan des herrlichen Einsiedelns.
Herrlichster Mann, es ist nicht leicht auszudrücken, wie sehr ich mich selbst tadele, da ich sehe, dass Du nach allen literarischen Auszeichnungen strebst und so dafür brennst, dass ich meine, dass Du kein Stück Zeit hinbringst, ohne an einem herrlichen Stück Briefliteratur oder Geschichtsschreibung zu arbeiten. Und wenn ich bedenke, dass ich kein Mensch von solchem Schlag bin, komme ich nicht umhin, meine Trägheit zu beklagen. Denn ich greife niemals zur Feder, wenn ich nicht von jemandem dazu aufgefordert werde; so kommt es, dass ich von den meisten ignoriert werde und niemand mich seines ehrenwerten Umgangs für würdig hält ausser Dir, der Du mich sowohl aufgrund Deiner edlen Geburt als auch durch Deine charakterlichen Qualitäten und Dein Wohlwollen weit übertriffst; ich habe dieses Eigenschaft, scheint mir, in Dir noch genauer erkannt, weil Du mich in deinem goldenen Brief, den Du am 8. Januar an mich geschickt hast, so ungemein rühmst und über mein Verdienst hinaus preist. Denn beim unsterblichen Gott, ich habe Dir keinen Ausdruck von Menschlichkeit erwiesen, der irgendwie dieses Lob von Dir verdient hätte. In der Tat, ich wollte, ich wiederhole, ich wollte, mir Dir in einen Tugendwettstreit treten können, doch Deine Vortrefflichkeit macht mich ganz waffenlos. Daher bin ich zu der Ansicht gekommen, dass ich Dir dennoch mit nur geringer Verspätung auf Deinen Brief antworten muss, in dem Du, nach vielen anderen Bemerkungen, sagst, dass Du Dich sehr darüber freust, dass ich zu der Schar derer gehöre, deren Anwesenheit wertvoller ist als ihre Abwesenheit. Du handelst freundschaftlich, wie es einen edelgeborenen Menschen ziemt; dadurch wird wahrheitsgemäss bestätigt, dass in Dir mir gegenüber ein Reichtum an Masshaltens besteht; wie auch immer, ich wollte nicht, dass es man es anders ausdrückt. Bescheidene Dinge sind es, die jeden geringen Menschen ergötzen. Heroen jubeln und freuen sich, wenn Du gut über sie redest. Wir lesen, Themistokles, jener gewaltige Dynast und Fürst der Athener, habe auf die Frage, welchen Ohrenschmaus oder welche Stimme er am liebsten höre, geantwortet: die des Mannes, der seine Tugend am besten preise. Alexander von Makedonien rief, nachdem er in Sigeion am Grabhügel des Achilles gestanden hatte: «O glücklicher Jüngling, der Du in Homer einen Verkünder Deiner vortrefflichen Eigenschaften gefunden hast!» Ich selbst schätze mich glücklich, da ich wenigstens meiner Meinung nach durch Deinen Brief berühmter geworden bin. Denn uns alle treibt das Streben nach Ruhm, und gerade die Besten lassen sich am meisten von der Ehre anziehen. Mögest Du noch viele Jahre leben und den Zugang zur Ehre, den Du Dir durch Deine charakterliche Vortrefflichkeit und Deine Gelehrsamkeit eröffnet hast, behalten, nachdem Du einmal auf ihn gestossen bist; diese äusserst geringe Bitte bringe ich vor, ein äusserst geringer Mann.
Lebewohl, Musterbild der Musen.
Aus Konstanz, 3. Februar 80 [1480].
Müller (2006), 180 erblickt in dieser Stelle eine Transferierung des humanistischen «convivium [...] vom italienischen Landgut ins nordalpine Thermalbad [...] eine originelle Idee Wyles, die in der Humanismusforschung neben Poggios berühmter Badebeschreibung des Jahres 1416 Erwähnung verdient.»