Gedichte über die Zürcher Reformatoren
Rudolf Gwalther
Einführung: Clemens Schlip (traduction française: David Amherdt/Kevin Bovier). Version: 10.02.2023.
Entstehungszeitraum: die Gedichte entstanden aufgrund einer Anfrage vom 4. März 1550; Gwalther hat sie auch in späteren Jahren noch bearbeitet (s. unten in der Einführung).
Handschrift (Autograph): R. Gwalther, [Lateinische Gedichte] [Zürich], 1540-1580 (Zentralbibliothek Zürich, Ms D 152), fol. 85vo-86ro.
Metrum: elegische Distichen.
Ab Herbst 1549 bis Anfang 1550 verbrachte der Engländer Christopher Hales (1520-1559/71) zu Erholungszwecken (er war schwindsüchtig) einige Zeit in Zürich. In dieser Zeit muss er sich mit dem etwa gleichaltrigen Gwalther angefreundet haben. Denn am 4. März 1550 bat er ihn brieflich von England aus, in seinem Auftrag die Herstellung von sechs Zürcher Theologen («auf Holz, nicht auf Leinwand»); sie sollten auf den Abbildungen Bücher in Händen halten, und Gwalther solle besorgen, dass jedes Porträt eine Bildaufschrift von vier Versen Umfang erhalte, deren Inhalt ihm freigestellt sei. Folgende Männer wünschte Hales porträtiert zu sehen: «Zwingli, Pellikan, Theodor [Bibliander], Bullinger» und Gwalther selbst; ausserdem Oekolampad, falls das vorhandene wahre Porträt nachgemalt werden könne. Im folgenden Briefwechsel mit den Zürchern – von dem sich nur Hales Schreiben erhalten haben – musste der Brite Bedenken der bilderkritischen reformierten Schweizer aus dem Weg räumen, die Bilder könnten für eine Art Heiligenverehrung missbraucht werden; man hatte deshalb die Bilder der vier noch lebenden Porträtierten (Pellikan, Bullinger, Bibliander und Gwalther) in Zürich zurückbehalten. Wie viele der bestellten Porträts Hales am Ende erhielt (ja sogar, ob er überhaupt welche erhielt), bleibt unklar.
Die Gemälde wurden von Hans Asper (1499-1571) angefertigt, den Hales in seinen Briefen den grössen Malern des Altertums (Apelles und Zeuxis) gleichsetzt. Die von Hales gewünschten Vierzeiler als Bildaufschrift verfasste Gwalther; das Autograph ist in der Gedichthandschrift Zürcher Zentralbibliothek erhalten. Es zeigt, dass Gwalther in späteren Jahren nach 1550 Umdichtungen vornahm und die Altersangaben an spätere Jahreszahlen anpasste; offensichtlich wurden die Porträts mehrfach nachgemalt. Dies ermöglicht es auch, erhaltene Porträts zu datieren, die äusserlich den von Hales gemachten Vorgaben entsprechen. Als Original von 1550 hat sich nach heutigem Wissensstand nur ein Bildnis des Oekolampad erhalten.
In zwei der Bildaufschriften (Oekolampad und Bullinger) kann man eine bilderkritische Tendenz erkennen. Bei Oekolampad und Bullinger wird daran erinnert, dass das Bild nur das Äussere zeigt, das Wesentliche aber das Innere des Menschen ist. Bei den zur Entstehungszeit noch Lebenden wird ihr Alter aufs Jahr genau angegeben; die Verstorbenen dagegen belassen die Bildinschriften respektvoll in einer Art Zeitlosigkeit (obwohl ja auch ihre Porträts sie in einer bestimmten Epoche ihres Lebens zeigen).
Inhaltlich sprechen die Gedichte weitgehend für sich selbst. Wir verzichten in unseren Anmerkungen zu den einzelnen Texten – abgesehen von einfachen lexikalischen Hinweisen – auf nähere Erläuterungen zu den Dargestellten und verweisen stattdessen darauf, an welchen anderen Stellen in diesem Portal wir Texte von ihnen präsentieren bzw. in welchen anderen Texten sie eine Rolle spielen; dort gehen wir genauer auf sie sein.
Bibliographie
Daunt, C., Portrait Sets in Tudor and Stuart England, Bd. 1, Diss. Sussex 2015, hier: 28-30 [kann vernachlässigt werden].
Rüetschi, K. J., «Bildgedichte Rudolf Gwalthers. Eine Quelle für Nachweis und Datierung von Zürcher Kunstwerken», in: H. U. Bächtold, Von Cyprian zur Walzenprägung. Streiflichter auf Zürcher Geist und Kultur der Bullingerzeit, Zug, Achius, 2001, 145-229, hier: 145-163.