Brief an Oswald Myconius: ihre Freundschaft und ein Buch

Barnabas Bürki

Einführung: Clemens Schlip (traduction française: David Amherdt/Kevin Bovier). Version: 10.02.2023.


Entstehungszeitraum: zwischen 7. März 1520 und 7. März 1522, höchstwahrscheinlich aber 7. März 1520.

Handschrift (wohl Autograph): ZB Zürich, Codex Hottingerianus, ms. F. 80, fol. 16ro-vo, hier: ro (vo enthält nur die Adressierung an Myconius).

Ausgabe: A. Weiss, Das Kloster Engelberg unter Abt Barnabas Bürki (1505-1546), Diss. Freiburg i. Ü., Universitätsverlag Freiburg (Schweiz), 1956, hier: 164-165.

 

Barnabas Bürki wurde 1473/74 in Altstätten geboren, wo er die deutsche Schule und wahrscheinlich auch die Lateinschule besuchte. 1495-1503 absolvierte er ein Universitätsstudium an der Pariser Artes-Fakultät, das er mit dem Magister Artium abschloss. Zu seinem Bekanntenkreis dort gehörten Jacques Lefèvre dʼÉtaples (Jacobus Faber Stapulensis, 1450/55-1536), Josse van Clichtove (Judocus Clichtoveus, 1472-1543) und Charles de Bovelles (Carolus Bovillus, 1479-1567). Im Jahr seines Studienabschlusses wurde er Novize in Kloster Engelberg, kehrte daraufhin aber unmittelbar nach Paris zurück, wo er sich noch etwas der Theologie widmete. Im Jahr 1505 wurde er zum Abt von Engelberg gewählt und empfing die Priesterweihe sowie die Abtweihe, letztere in Konstanz. Als Abt machte sich Bürki um Kloster Engelberg verdient durch eine Verbesserung der Disziplin, Erhöhung des Mitgliederstandes, Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse, Sicherung der Unabhängigkeit, Abwehr der Reformation und verschiedene Infrastrukturprojekte in dem auch seiner weltlichen Herrschaft unterstellten Engelbergertal (zum Beispiel durch Verlegung des Flussbetts der Engelberger Aa im Jahr 1514). 1526 fungierte er als einer der vier Präsidenten der Badener Disputation zwischen den eidgenössischen Katholiken und Reformierten. Er verstarb am 29. Dezember 1546 in Engelberg an einem Schlaganfall. Abt Barnabas Bürki gehörte nicht zu den schriftstellerisch produktiven Schweizer Humanisten, er blieb aber seinen in Paris genährten Interessen treu; er unterhielt Korrespondenzen mit Bekannten aus seinen Pariser Tagen, den Amerbachs und dem Luzerner Lehrer Oswald Myconius, und tauschte mit ihnen Bücher. Ausserdem unterrichtete an der klostereigenen Schule, die unter ihm wohl «so etwas wie eine kleine Lateinschule» wurde, die zwar primär, aber nicht ausschliesslich dem Mönchsnachwuchs diente (zu ihren Schülern gehörte damals beispielshalber auch der später als Söldnerführer reich und als Förderer der katholischen Reform bedeutend gewordene Melchior Lussy aus Stans).

Von Bürki hat sich ein kurzer Brief an Oswald Myconius erhalten, den wir hier präsentieren. In ihm versichert er den Luzerner seiner Freundschaft und teilt ihm die Übersendung eines offensichtlich erbetenen Exemplars des «Kyrill» mit, womit vermutlich ein Kommentar des Kyrill von Alexandrien (375/80-444) zum Johannesvangelium gemeint ist, mit. Offensichtlich hatte Myconius auch ein Werk des kaiserzeitlichen jüdischen Historikers Flavius Josephus (ca. 37/38-100) erbeten, das ihm Bürki jedoch nicht schicken kann. Es ist unverkennbar, dass der Abt mit seinem Brief auf ein vorangegangenes Schreiben des Myconius reagiert, auf das er besonders eingangs eingeht. Dass dieser Brief des Myconius uns nicht mehr vorliegt, erschwert, ja verunmöglicht ein klares Verständnis der diesbezüglichen Anspielungen und Bemerkungen Bürkis. Mag der hier präsentierte Brief sich auch weder durch Inhaltsreichtum noch durch besondere Eleganz in Stil und Ausdruck auszeichnen, so verdiente er aufgrund der historischen Bedeutung seines Verfassers doch eine Aufnahme in dieses Portal. Mag es anders als besonders in Bayern in der heutigen Schweiz keinen ausgeprägten Klosterhumanismus gegeben haben, so repräsentiert doch besonders Barnabas Bürki im Kloster Engelberg im heutigen Obwalden das Beispiel eines sowohl humanistisch gebildeten als auch reformwilligen Benediktinerabtes (ob er allerdings in letzterer Hinsicht auch den strengen Massstäben der späteren katholischen Reform unter Führung der Jesuiten gerecht geworden wäre, bleibe dahingestellt, wenngleich es nicht ausgeschlossen erscheint). In der Engelberger Klosterbibliothek haben sich einige Bücher aus seiner Regierungszeit erhalten.

 

Bibliographie

Büchler-Mattmann, H./Heer, G., «Engelberg», in: Helvetia Sacra 3/1 (1986), 595-657, hier besonders 629-630 («Barnabas Bürki»).

Weiss, A., Das Kloster Engelberg unter Abt Barnabas Bürki (1505-1546), Diss. Freiburg i. Ü., Universitätsverlag Freiburg (Schweiz), 1956.

Weiss, A., «Bürki, Barnabas», Historisches Lexikon der Schweiz, Onlineversion vom 15.04.2003, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012531/2003-04-15/.