Über die Entdeckung eines Manuskripts von De re culinaria

Alban Thorer

Einführung: Clemens Schlip (traduction française: David Amherdt/Kevin Bovier). Version: 10.02.2023.


Entstehungsdatum: zwischen 1529 (Auffindung der Handschrift) und 1541 (Erscheinungsjahr der Basler Ausgabe).

Ausgabe: Caelii Apitii, summi adulatricis medicinae artificis de re culinaria libri X, recens e tenebris eruti et a mendis vindicati typisque summa diligentia excusi, Basel, Herwagen, 1541, fol. a2ro-vo und a3ro-vo; Caelii Apitii, summi adulatricis medicinae artificis de re culinaria libri decem, Lyon, Gryphius, 1541, 3-6.

 

Alban Thorer wurde 1490 in Winterthur geboren und verstarb am 23. Februar 1550 in Basel. 1541, als der vorliegende Text erschien, wirkte er dort als Professor an der medizinischen Fakultät. Thorer trat sowohl Mediziner als auch als Philologe hervor: 1532 war er bereits eine Zeitlang Professor für Latein und Rhetorik in Basel gewesen, und er tat sich als Herausgeber und auch Übersetzer (vom Griechischen ins Lateinische) antiker medizinischer Texte hervor. Er übersetzte zudem das wichtige zeitgenössische anatomische Standwerk De humani corporis fabrica (Über den Aufbau des menschlichen Körpers) des Andreas Vesalius (1514-1564) ins Deutsche.

Marcus Gavius Apicius war ein reicher Feinschmecker und Kochkünstler, der unter Kaiser Tiberius lebte und mit seinen Passionen sein Vermögen durchbrachte. Als sein Reichtum zu sehr geschmolzen war, als dass er den gewohnten Lebensstandard weiter hätte aufrecht erhalten können, wählte er den Freitod. Ihn erwähnen unter anderen Seneca (ad Helv. 10,2f.) - dem wir die erwähnte Nachricht vom Tode dieses Feinschmeckers verdanken -, Plinius der Ältere (9,66) und Tacitus (ann. 4,1). Seinen Namen trägt ein aus der Antike erhaltenes Kochbuch, dessen genaue Autorschaft unklar ist. Es wird allerdings zumindest auch die Position vertreten, der grösste Teil der in dem Buch erhaltenen Rezepte gehe tatsächlich auf Apicius zurück. Um dieses Kochbuch machte sich Alban Thorer als Philologe und Editor verdient. In den unten wiedergegebenen Ausschnitten aus seinem Widmungsbrief an Graf Georg I. von Württemberg-Mömpelgard, den er seiner Apicius-Ausgabe voranstellte, schildert er, wie er durch einen Handschriftenfund zum Apicius-Philologen wurde und welche Schwierigkeiten damit aufgrund der desaströsen Textüberlieferung verbunden waren. Nebenbei macht er auch deutlich, worin er den besonderen Wert des von ihm edierten Werkes sieht. Was er dazu sagt, fügt sich zu seinen belegten wissenschaftlichen Interessen, wenngleich es den modernen Leser zunächst überraschen mag: Thorer ist der Ansicht, (mit Blick auf die Diätetik) Anregungen geben. So unerwartet diese Hoffnung aus heutiger Perspektive auch wirken mag, so ist eine solche Haltung gegenüber diesem Text schon vor Thorer in der (italienischen) Renaissance festzustellen; im 16. Jahrhundert und darüber hinaus wurde der Text mehrmals entweder in Verbindung mit medizinischen Texten oder einzeln von Medizinern ediert; auch in der handschriftlichen Überlieferung begegnet der Text bereits in Verbindung mit genuin medizinischen Texten. Dass Apicius’ Rezepte die Diätetik der Renaissance tatsächlich beeinflusst hätten, ist aber im Ganzen nicht festzustellen.

Finderfreude und Stolz auf die eigene editorische Leistung kommen in diesem Brief gut zum Ausdruck. Allerdings ist Thorers editorische Leistung in der modernen Forschung nach gründlicher Untersuchung auch kritisch betrachtet worden: er habe sich für seine Apicius-Paraphrase auf eine Verwendung der bereits vorhandenen Edition von Bernardinus Venetus (1500) beschränkt und sein eigenes Manuskript nicht ernsthaft und gründlich benützt – im Vertrauen darauf, dass aufgrund der Seltenheit von Apicius-Ausgaben niemand diese Bequemlichkeit merken würde. Die Ursache dafür könne man in der hohen Arbeitsbelastung suchen, der er damals ausgesetzt war (er edierte 1541 insgesamt fünf Bände). Unter diesem Gesichtspunkt erhalten Thorers Ausführungen im Widmungsbrief einen teilweise fiktiven Charakter. Die hier nicht wiedergegebenen Passagen des Widmungsbriefes beschränken sich im Wesentlichen darauf, den Grafen zu preisen.

In nach der Baseler Edition ebenfalls 1541 herausgekommene Lyoner Ausgabe ist der Index an eine andere Stelle gesetzt und erweitert worden; Text und die auf Basel datierte Widmung sind unverändert. Das von Thorer gefundene Manuskript scheint heute nicht mehr vorhanden zu sein. Der den Editionen von Basel und Lyon vorangestellte Widmungsbrief ist auf den 11. März 1541 in Basel datiert. Der Montpellier-Aufenthalt muss dementsprechend im Jahr 1529 stattgefunden haben. Zwar steht Thorers Name nicht in den Matrikeln der dortigen medizinischen Fakultät, was allerdings nicht notwendig bedeutet, dass seine diesbezügliche Aussage falsch ist.

 

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