Ein Brief des Simon Lemnius an Joachim Vadian
Übersetzung (Deutsch)
An den hochangesehenen Herrn Joachim Vadian, seinen Patron und Mäzen.
Ich grüsse Dich. Auch wenn wir, hochgelehrter Vadian, keinen gewohnheitsmässigen Umgang miteinander pflegen, muss ich Dir dennoch schreiben, und das aus zwei Gründen: zuerst, weil ich schon lange durch Schwägerschaft mit Deinem Bruder David sehr eng verbunden bin; ausserdem, weil ich nicht nur schon als Knabe einst Deine Arbeiten gelesen hatte, die Dir in ganz Europa einen unvergänglichen und immerwährenden Ruhm erworben haben – daher bin ich immer der Ansicht gewesen, dass Du eine so grosse und vielfältige Gelehrsamkeit mit einer überaus grossen Menschlichkeit vereint hast –, sondern auch, weil ich von Deinem Bruder und allen anderen, die Dich gut kennen, erfuhr, dass Du Dich durch eine so grosse Lauterkeit und Bildung auszeichnest (für die freilich schon Deine Schriften ein leicht zu deutender Beweis sind), und dass Du für die an der Wissenschaft Interessierten in besonderer Weise eine leidenschaftliche Vorliebe an den Tag legst, so dass jedem der Zugang zu Dir ganz uneingeschränkt offensteht. Da ich mich also auf diese höchste Menschlichkeit und auf die Freundschaft mit Deinem Bruder stützen kann, zögere ich nicht, Dir meinen kunstlosen Brief zu schicken. Ich vertraue indes ganz darauf, dass ich bei Dir leicht erreichen werde, was ich will. Ich habe ein an Johannes Travers – einen Mann, der in unserer Heimat grösste Autorität besitzt – adressiertes Gedicht verfasst, von dem ich annahm, es werde für meine finanziellen Verhältnisse zweckdienlich sein. Wenn es erscheint und in die Hände der Gelehrten kommt, werde ich bei ihm in Gunst stehen, einem Mann, dessen Autorität mir sehr nützlich sein können wird. Deshalb, hochgelehrter Vadian, bitte ich Dich inständig und bei meiner Freundschaft mit Deinem Bruder, dieses Gedicht sorgfältig zu verbessern und zu vollenden, und es den Druckern zu empfehlen und dafür Sorge zu tragen, dass es bald schon veröffentlicht wird (Du wirst dies auf zweckmässige Weise bewerkstelligen können). Ich hoffe, dass, wenn das geschehen ist, mein Lohn, der nur gering ist und mit dem ich mein Hauswesen nur mit Mühe unterhalten kann, sich erhöhen wird. Wenn Du dies tust, wirst Du mir eine sehr grosse Wohltat erweisen. Lebe wohl und lass mich Dir anempfohlen sein. Das Gedicht schicke ich Dir zusammen mit diesem Brief.
Gegeben zu Chur, den 26. Juli, im Jahre des Herrn 1541.
Dein Dir im höchsten Masse ergebener Simon Lemnius aus Graubünden.