Ein aus vier Büchern bestehender Cento über den theatralischen Messe-Tanz, zusammengeflickt aus verschiedenen Schriften antiker Dichter
Übersetzung (Deutsch)
Übersetzung: Clemens Schlip (französischer Originaltext der Anmerkungen von Kevin Bovier)
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Ov. fast. 6,5-6.
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Eine Anspielung auf die Regeln für das Abfassen von Centonen, die der Dichter Ausonius in der Vorrede zu seinem Cento nuptialis aufgestellt hat.
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Die sechs Bücher De adulterata coena Domini et de tremendis sacrae missae mysteriis, enthalten in De vero verbi Dei, Genf, Estienne, 1553, fol. 29ro-107vo.
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Randanmerkung: «Die feierlichen Theaterstücke, das heisst die Messe und die falsche Lehre der Papisten».
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Randanmerkung: «Die Monstrosität der Transsubstantiation».
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Randanmerkung: «Die papistische Magie des Messskanons und der Transsubstantiation».
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Randanmerkung: «Die Anthropophagie der Priester». Lykaon, ein mythologischer König von Arkadien, wurde von Zeus in einen Wolf verwandelt, weil er ihm Menschenfleisch anbot oder ein Menschenopfer darbrachte.
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Randanmerkung: «Menschenfresserische Polypheme». Der Zyklop Polyphem frass seine Gäste (besonders die Gefährten des Odysseus).
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Randanmerkung: «Das komfortable und müssige Leben der Priester und Mönche, das sied as kontemplative Leben nennen, das aus ihrer Mästung durch die Mese resultiert.»
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Randanmerkung: «Die abergläubischen Praktiken und eitlen Zeremonien».
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Randanmerkung: «Giganten, die sich aufgrund ihrer menschlichen Kräfte und Werke rühmen, in den Himmel einzubrechen und ihn mehr als andere zu verdienen.»
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Randanmerkung: «Das Reich des römischen Antichristen».
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Randanmerkung: «Kuppler und schmutzigste und wertloseste Menschen werden zu priesterlichen Würden gebracht».
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Randanmerkung: «Die eiserne Frömmigkeit der römischen kämpfenden Kirche».
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Manchette: «Die römischen und papistischen Götter».
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Das heisst Rom. Quirinus ist eine alte Gottheit, die mit dem vergöttlichten Romulus identifiziert wird.
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Randanmerkung: «Die Mysterien der Messe».
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Randanmerkung: «Die pompösen und übertriebenen Absurditäten der papistischen Religion».
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Randanmerkung: «Heuchlerische Spielkram-Verkäufer. Der Rauch der Zeremonien anstelle des wahren Lichts des Evangeliums.»
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Randanmerkung: «Die Kardinäle und die Bischöfe».
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Randanmerkung: «Die Zitzen der Wölfin des Romulus. Die Römer Säuglinge der Wölfin. Die nährenden Zitzen der Messe, Amme der Wölfe.» Viret spielt hier mit der doppelten Bedeutung des lateinischen Wortes lupa, das auch die Prostituierte bezeichnet (s. Titus Livius, Ab urbe condita 1,4,7, über die Amme von Romulus und Remus).
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Randanmerkung: «Der römische Pontifex, irdischer Gott und Erschaffer der Götter».
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Randanmerkung: «Die Kardinäle, Kreaturen des Papstes».
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Randanmerkung: «Papistische Götter, Feuermeister und Brandstifter».
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Randanmerkung: «Der Sitz des Antichristen in Rom, seine Macht und Tyrannei».
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Randanmerkung: «Die römischen Päpste, Erschaffer der Messe».
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Randanmerkung: «Die Anthropophagie in der Messe und die blutigen Altäre». Thyestes, Atreus’ Bruder und Rivale um den Thron von Mykene, bekam bei einem Festmahl seine eigenen Söhne vorgesetzt.
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Randanmerkung: «Priester und Papisten, die so unverschämt sind, dass sie sich überhaupt nicht schämen, das zu leugnen, was jeder weiss und durch seine Bücher und Taten ans Tageslicht bringt».
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Medea, Tochter des Königs von Kolchis und Zauberin, half Jason und den Argonauten, das Goldene Vlies zu erobern, floh mit ihnen und tötete ihren jüngeren Bruder Absyrte. Anschliessend heiratete sie Jason, der sich jedoch in eine andere Frau, Kreusa, verliebte und sie verstiess. Medea rächte sich, indem sie ihre Rivalin und anschliessend ihre eigenen Kinder, die sie von Jason empfangen hatte, tötete.
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Randanmerkung: «Diese Geschichten sind nicht absurder als die, die über das Schlachtopfer in den Messen berichtet werden». Prokne war die Frau des Königs von Thrakien, der Philomela, Proknes Schwester, vergewaltigte. Aus Rache tötete diese ihren eigenen Sohn Itys und verfütterte ihn an seinen Vater.
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Randanmerkung: «Die Besitzgier, Mutter der monströsen Transsubstantiation und Patronin aller Ungeheuerlichkeiten der papistischen Religion».
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Randanmerkung: «Die Transsubstantiation».
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Randanmerkung: «Die Theophagie der Messe». Mit dem Begriff «Theophagie» (wörtlich: das Essen des Leibes Gottes) bezieht sich Viret auf das Dogma der Transsubstantiation in der katholischen Eucharistielehre. S. zu diesem Thema F. Lestringant, Une sainte horreur ou le voyage en Eucharistie: XVIe-XVIIIe siècle, Paris, Presses universitaires de France, 1996, besonders 25-30, mit Bezug auf Viret, der die calvinistische Eucharistielehre vertritt.
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Randanmerkung: «Die selbsternannten Priester behaupten, das Grab des Pseudo-Christus zu sein, weil sie ihn in ihren Eingeweiden wie in einem Grab eingeschlossen halten».
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Tit. 1,12. Randanmerkung: «Vers des Epimenides von Kreta, der bedeutet, dass die Kreter ewige Lügner, böse Tiere und faule Bäuche sind, zitiert nach Tit. 1».
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Randanmerkung: «Ein Cento muss ziemlich künstlich und unklar sein».
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In der griechisch-römischen Welt war eine Sibylle eine Prophetin, die Orakel erteilte, die sie auf einem Palmenblatt niederschrieb.
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Randanmerkung: «Die mit der Messe verbundenen Diebstähle, die man toleriert und die unter dem Vorwand der Religion die ganze christliche Welt berauben und ruinieren.»
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Randanmerkung: «Die am Festtag aufgeführten Theaterstücke».
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Randanmerkung: «Die jeden Tag wiederholten Messriten».
41
Randanmerkung: «Die Kleidung und das Aussehen eines jeden gemäss den Theaterstücken und Festtagen und gemäss der Rolle, die er spielt».
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Randanmerkung: «Der Hierophant».
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Randanmerkung: «Die morgendlichen Gebete und Messen».
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Randanmerkung: «Der Cheftänzer».
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Randanmerkung: «Die verschiedenen Schauspiele der Messe».
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Randanmerkung: «Die dem breiten Volk unbekannte lateinische Sprache».
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Randanmerkung: «Keine Fremdsprachenübersetzer in den papistischen Riten nach dem Vorbild der von Paulus eingeführten kirchlichen Prophetie». Vgl. 1 Kor 12,28 (Einheitsübersetzung 2016): «So hat Gott in der Kirche die einen erstens als Apostel eingesetzt, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Machttaten zu wirken, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede.»
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Randanmerkung: «Die Barbarei in den Riten und die Korruption der lateinischen Sprache».
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Randanmerkung: «Die griechischen Worte».
50
Randanmerkung: «Kyrie eléison, etc.» («Herr, erbarme Dich»).
51
Randanmerkung: «Das Stammeln dieses Gebets».
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Randanmerkung: «Neunmal». Das nach dem Introitus gesungene Kyrie eleison wurde in der katholischen Liturgie seit dem Mittelalter neunmal wiederholt; der Ruf Kyrie eleison wird darin an bestimmten Stellen durch Christe eleison («Christus, erbarme Dich») ersetzt. S. dazu U. M. Lang, The Roman Mass: from Early Christian Origins to Tridentine Reform, Cambridge, Cambridge University Press, 2022, 174-175.
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Randanmerkung: «Die Barbarei und Ignoranz der Priester». Das Griechische galt wie das Hebräische und das Lateinische als eine heilige Sprache, aber abgesehen vom Kyrie eleison hat es im Ordinarium der römischen Messliturgie keine Spuren hinterlassen. Viret nennt daher auch kein weiteres Beispiel in der Passage über das Kyrie in seinem Werk De adulterata coena Domini (De vero verbi Dei […], Genf, Estienne, 1553, fol. 64vo-65ro). Die Improperien (Heilandklagen) der Karfreitagsliturgie, in denen einzelne griechische Anrufungen erhalten sind (Hagios ho theos etc.), lagen ausserhalb seines Themas, der Messliturgie (der Karfreitag kennt keine Messe).
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Die Geten, ein thrakisches Volk, das an der Donau siedelte, stehen hier für die Barbarei.
55
Randanmerkung: «Wie sollen sie Griechisch verstehen oder übersetzen, wenn sie nicht einmal Latein richtig gelernt haben?».
56
Randanmerkung: Kein Übersetzer, und daher kein Nutzen, egal ob aus der griechischen oder lateinischen Sprache».
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Randanmerkung: «Die unwissenden Priester sprechen es kyrieleson in einem einzigen Wort mit vier Silben aus, statt des Siebensilblers kyrie eléison in zwei Worten».
58
Randanmerkung: «Selbst wenn das Volk nichts versteht, diese Schauspiele gefallen ihm».
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Der Name Collecta leitet sich vom Verb colligere ab, das «sammeln» bedeutet. Eine Kollekte ist ein Gebet, das der Priester vor der Lesung der Episteln spricht und in dem die Bitten der Gemeinde «gesammelt» werden. In Virets Cento (fol. 117vo-118ro) ist die erste Kollekte an Gott gerichtet, die zweite an die Jungfrau Maria, die dritte an den Schutzengel, die vierte an die heilige Margarete und die fünfte an die Schutzheiligen. Viret behandelt den Namen und den Ursprung der Kollekten in seinem Werk De adulterata coena Domini (De vero verbi Dei [...], Genf, Estienne, 1553, fol. 66ro-vo).
60
Viret war der Ansicht, dass die Katholiken in ihren Gebeten der Jungfrau Maria eine übertriebene Role als Fürbitterin zuweisen, die sich mit den Attributen Christi überschneidet. Er verfasste übrigens 1544 eine Abhandlung gegen «Mariolatrie» (und insbesondere gegen das Ave-Maria-Gebet), den Petit traicté de la salutation angélique et de l’origine des chapeletz et l’abus d'iceux (Genf, Girard), der 1556 unter folgendem Titel überarbeitet und erweitert wurde: Du vray usage de la salutation faite par l’ange à la Vierge Marie, et de la source des chapelets, et de la manière de prier par conte, et de l'abus qui y est; et du vray moyen par lequel la vierge Marie peut être honorée ou deshonnorée (Genf, Girard).Dieses Werk liegt in einer modernen Ausgabe vor: P. Viret, Du vrai usage de la salutation faite par l’ange à la Vierge Marie, hg. von A.-L. Hofer, Lausanne, L’Âge d’Homme, 2008. Zur Einstellung Virets gegenüber der Marienverehrung s. auch Bavaud (1986), 103-114.
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Randanmerkung: «Die Gebete enthalten zahlreiche unerträgliche Beleidigungen Christi und der heiligen Jungfrau, die folgendermassen beginnen: Obsecro te, Salve Regina, O intemerata, und der Hymnus Ave maris stella und andre derartige Blasphemien». Das Obsecro te domina ist ein Gebet, in dem der Gläubige Maria um Hilfe bittet, um als Christ zu leben und zu sterben; auch die Antiphon Salve regina, das Gebet O intemerata und der Hymnus Ave maris stella huldigen der Jungfrau Maria. Aus Virets Sicht sind diese Gebete blasphemisch, da sie sich an die Jungfrau Maria wenden, obwohl Gebete sich nur an Gott wenden sollten.– Bei den Römern war tonans ein Beiname Jupiters.
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Zu Virets Abendmahlsverständnis siehe insbesondere seine 1565 veröffentlichte Abhandlung Principaux poincts qui sont aujourd’huiy en different, touchant la Saincte Cene de Jesus Christ, et la messe de l’eglise romaine, et de la resolution d’iceux, Lyon, Senneton. Für eine neuere Studie zu diesem Thema s. L. Palmer Wandel, «Pierre Viret on the Eucharist», in: K. Crousaz/D. Solfaroli Camillocci (Hgg.), Pierre Viret et la diffusion de la Réforme: pensée, action, contextes religieux, Lausanne, Antipodes, 2014, 43-55.
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Randanmerkung: «Die Kommunion».
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Viret parodiert das Gebet, das der katholische Priester während seiner eigenen Kommunion spricht. Die Verse 2578 und 2579 beziehen sich somit auf die Identifizierung von Brot und Wein mit dem Leib und Blut Christi nach katholischem Verständnis (Transsubstantiation).
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Randanmerkung: «Das ist der Gipfel und Höhepunkt der ganzen papistischen Religion und der römischen Kirche».
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Randanmerkung: «Es wäre eine endlose Aufgabe, alle eselhaften Delirien der papistischen Mysterien und Zeremonien darzustellen».
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Randanmerkung: «Der Autor hat niemals die Messe zelebriert und war fast vierundzwanzig Jahre lang ihr Zuschauer und Zuhörer».