Leben und Sterben des Herrn Ulrich Zwingli, eines äusserst tapferen Helden und hoch-gelehrten Theologen

Übersetzung (Deutsch)

Übersetzung: Clemens Schlip (französischer Originaltext der Anmerkungen von David Amherdt)


[…] Er hatte ebenso in den vierzehn Tagen vor dem Aufbruch zweimal (ich hörte es) im Angesichte der Kanzel, während alles tobte, gesagt: «Ich weiss, ich weiss, was los ist. Es ist umb mich zethun [Um mich ist es geschehen]: Alles geschieht, damit ich beseitigt werde.» Ja er hatte einem Freund sogar ins Ohr geflüstert, dass der Komet, der einige Wochen hindurch erschienen war, fatal für ihn sei, und noch für einen anderen. Wir haben dies immer als Hinweis auf Ökolampad verstanden. […]

Die Zürcher brachen also auf: in der Nachhut folgte auch Zwingli zu Pferde und nach unserer Weise bewaffnet. Als ich ihn sah, konnte ich wegen eines plötzlichen Schmerzes in meinem Herzen kaum aufrecht stehen bleiben: ein sehr schlechtes Vorzeichen. Wir verharrten an diesem Tage gewiss nicht ohne beständiges Seufzen, nicht ohne Gebete zu Gott. Aber der hatte anderes für uns beschlossen, nicht gegen uns, wie ich es freilich interpretiere, und das tue ich natürlich auf fromme Weise. Denn damit ich dies kurz erwähne, wir haben gelernt, viel vorsichtiger vorzugehen; wir schätzen das Evangelium noch mehr wert, wir betrachten Gott auf eine zutreffendere Weise, und die, die bis dahin schon Feinde des Evangeliums Christi waren, sind klarer erkennbar geworden.

Wie ich ihn also morgens ausziehen sah, so höre ich bei Einbruch der Nacht die Botschaft, es sei zwar heftig gekämpft worden, dennoch aber glücklos, und Zwingli sei für uns zugrundegegangen. Man sagte, er sei von der Menge der Angreifer schon dreimal zu Boden gestreckt worden, aber immer wieder auf seine Füsse gekommen; beim vierten Male sei er von einer Lanze unter dem Kinn durchbohrt worden, sei vornüber auf die Knie gestürzt und habe gesagt: «Was ist das schon für ein Unglück? Wohlan, den Leib können sie zwar töten, die Seele können sie aber nicht töten.» Und mit diesen Worten sei er bald darauf im Herrn entschlafen. Als nach der Niederlage den Feinden eine Ruhepause gegönnt wurde (denn die Unseren hatten sich schon an einen sichereren Ort wegbegeben) sucht man den Leichnam Zwinglis (und wer hatte ihnen so rasch mitgeteilt, dass er dabei gewesen war bzw. dass er gefallen war?). Man findet ihn, er wird verurteilt, gevierteilt, ins Feuer geworfen und in Asche aufgelöst.

Als die Feinde sich nach drei Tagen verzogen haben, kommen die herbei, die Zwingli lieben, und schauen, ob sie auf einen Überrest von ihm stossen, und siehe (wunderbar zu erzählen!) inmitten der Asche bietet sich ihnen sein Herz dar, unberührt und unversehrt. Die guten Männer staunten; sie erkannten freilich, dass das ein Wunder war, aber sie begriffen es nicht. Deshalb stellten sie Gott anheim, worum es sich dabei handelte und freuten sich sehr, so als ob sie durch einen Eingriff von oben eine noch grössere Gewissheit über die Aufrichtigkeit des Herzens dieses Mannes erlangt hätten. Nicht viel später kam ein mir sehr gut bekannter, aber auch sehr vertrauter Mann und fragte mich, ob ich ein Stück vom Herzen Zwinglis sehen wolle, das er in einem kleinen Gefäss bei sich trage. Weil aufgrund dieser unerwarteten Frage ein gewisser Schrecken meinen ganzen Leib durchgeschüttelt hatte, sagte ich «Nein»; anderenfalls könnte ich diesen Sachverhalt mit meinen eigenen Augen bezeugen.

Das ist also das Leben Zwinglis in seinem Verlauf, dies ist das Risiko des Todes, das der gegen das Vaterland fromm gesinnte Geist auf sich zog, und das aufrichtig gegen die christliche Republik gestimmte Herz; schrecklich ist dieser Tod in den Augen der Menschen, kostbar aber im Angesicht Gottes; ein solcher Tod wartet auf alle Lehrer der göttlichen Gerechtigkeit, wenn nicht der Herr mit einer ausserordentlichen Gnade ihm zuvorkommt und sie davor behütet. […]