Johannes Atrocian grüsst seinen Leser.

Übersetzung (Deutsch)

Wenn wir die Maschine dieser Welt etwas genauer betrachten, die unermesslich und mit unaussprechlicher Schönheit so sehr wie möglich geschmückt ist, kann es nicht geschehen, bester Leser, dass wir nicht von Tag zu Tag leidenschaftlicher und mit glühenderem Feuereifer unseres Herzens den besten und grössten Gott, einen solchen und so grossen Baumeister, lieben lernen: Da er ja Himmel und Erde keineswegs gemäss den nichtigen und lächerlichen Traumgespinsten gewisser Philosophen aus Atomen, d. h. gewissen untrennbaren Teilchen erschaffen hat, sondern nur durch das Wort. Und mag dies auch gänzlich jenseits des menschlichen Fassungsvermögens liegen und jedes Lob weit übertreffen, hält es Augustinus, der Bischof von Hippo, ein bis an die Grenzen der gesamten Christenheit für seine Kenntnis so der weltlichen wie der heiligen Schriften und für die Heiligkeit seines Lebenswandels sehr berühmter Mann, dennoch für schwieriger, dass derselbe Herr unser Gott demjenigen, der sein Gesetz bricht, seinen Fehler verzeiht und dem Sünder die Sünde, die er begangen hat, aus Mitleid vergibt. Wir hören also, dass es eine grössere Leistung sei, dass Gott eine Sünde vergebe als dass er den Weltenbau geschaffen habe. Doch einer könnte sagen: «Wozu bedarf es dieser [Worte]?» Damit wir, ob wir wollen oder nicht, die Allmacht des Königs der Könige und Herrn der Herren sehen. Diese strahlt aus allen Dingen und jedem einzelnen Ding zurück, magst du den Himmel oder die Erde betrachten, nicht ohne ein unaussprechliches Staunen der Betrachter.

Lasst uns die allerkleinsten Dinge betrachten. Was ist kleiner als die Edelsteine? Was gibt es, das stärker als die Edelsteine die Allmacht der göttlichen Vorsehung verkündet? Du liest bei den Autoren von Naturgeschichten, dass dem wertvollen Medischen Stein eine erstaunliche Kraft innewohnt gegen chronische Gichtschmerzen, dass er ungewöhnlich gegen Augenschwäche hilft und den Erschöpften und Schwachen die verlorenen Kräfte zurückgibt. Wirst du nicht, wo die Sache selbst es laut verkündet, von der Allmacht dessen, der in den Himmeln wohnt, belehrt? Dasselbe lernen wir, wenn wir darüber nachdenken, welch grosse Wirksamkeit dem Smaragd innewohne. Denn der Smaragd will nichts mit dem Geschlechtsverkehr zu tun haben. Das ist daraus bekannt, dass, als ein König von Ungarn (das auch Niederpannonien genannt wird) sich daran machte, Kinder zu zeugen, und den Liebesakt mit seiner Gattin vollzog und dabei einen Smaragd am Finger trug, der Edelstein in drei Teile zersprang. Daraus folgte, dass einige sich nicht zu behaupten scheuten, dass derjenige, der einen Smaragd trage, sich vor dem Unflat des Geschlechtsverkehrs bewahre und zur Tugend der Keuschheit hinneige. Dass Gott nichts nicht vermag, lehrt uns zu Genüge der Lippares. Wie die Kraft dieses Steins (wenn bloss wahr ist, was wir lesen) bewundernswert ist, so überwiegt sie auch ohne Zweifel seine Grösse. Denn alle wilden Tiere, die bei der Jagd von Hunden aufgescheucht werden, nehmen stracks zu ihm wie zu ihrem einigen Schutzherrn Zuflucht, und solange sie dort stehenbleiben, werden die wilden Tiere unsichtbar, sodass sie weder von den Hunden noch von den Jägern erkannt werden können. Was [vermag] der Epistrit? Ruft er nicht die unendliche Macht des unermesslichen Gottes laut aus? Wenn dieser Stein in stark siedendes Wasser geworfen wird, legt sich auf der Stelle das Aufwallen des Wassers, und das Wasser, das siedend war, wird kalt. Was [vermag] der Exakontalith? Bewirkt er nicht dasselbe wie der Epistrit? Dieser Exakontalith-Stein ist, so sagt man, obwohl er sehr klein ist, von mehreren, nämlich sechzig Farben gezeichnet. Wer wird uns daran hindern, zu dieser Sache hinzu bekanntzumachen, was wir über die Natur des Gagats in der Literatur überliefert finden? Dieser Stein bringt den Wassersüchtigen nicht mässige Hilfe, und man sagt, dass er wackelnde Zähne stabilisiert und festmacht, sodass sie nicht ausfallen. Auch leitet er die Menstruationen hinab und lässt sie fliessen, und er hält Schlangen fern. Und was wir für das Erinnerungswerteste halten, ist das, was jetzt gleich folgt: Wenn eine Jungfrau eine Durchseihung von Gagat mit dem Abrieb trinkt, wird sie sie ohne jeden Zweifel zurückhalten und nicht urinieren. Wenn sie aber keine Jungfrau, sondern kompromittiert ist, uriniert sie unverzüglich. Keine geringere Kraft hat, wie man liest, durch Gottes Allmacht der Galaktit. Wenn Ammen diesen um den Hals tragen, werden ihre Brüste von Milch überfliessen. Viel leichter werden Frauen, die bei der Entbindung leiden, gebären, wenn sie diesen Stein am Oberschenkel gebunden haben werden. Die Hirten Ägyptens sagen, dass, wenn zur Abendstunde Galaktit, mit Salz zerrieben und mit Wasser vermischt, im Schafstall versprengt wird, sich die Euter der Schafe mit Milch füllen, und die Scheusslichkeit der Räude von ihnen fortgetrieben wird. Welch grosse Kraft der Herr dem Magneten gegeben hat, ist, so meinen wir, bekannt. Deshalb werden wir nur dieses eine, was folgt, vorbringen. Ein Magnet, der unter das Haupt einer schlafenden Frau gelegt wurde, tut sich mit so grosser Kraft hervor (so sagt man), dass er diese sofort, wenn sie keusch und vom Vergehen des Ehebruchs unberührt ist, in die Umarmung ihres Ehemannes treibt. Wenn sie aber am Übel des Ehebruchs leidet, wird sie aus einer übermässigen Furcht vor Traumgespinsten aus dem Bett getrieben. Hat der Urheber aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge keine Wirksamkeit dem Stein zugewiesen, der Nichomar genannt wird? Gewiss hat er sie ihm zugewiesen. Was? Unter anderem, dass der Nichomar den Leichnamen der Toten ihre Kälte erhält, dass sie nicht stinken. Aus diesem Grund findet man uralte Grabmäler und Mausoleen, die aus diesem Stein gebaut sind.

Diese Dinge habe ich über die Kräfte der Edelsteine so und anders als Hilfeleistung mit dir, mein Leser, der du die Wissenschaften über alles liebst, kommentieren wollen, damit uns der Eintritt in die Hallen der Heilpflanzen umso bequemer offenstehe. Denn was durch die Edelsteine allen Menschen, die ein wenig Verstand besitzen, offenbart und äusserst augenscheinlich offengelegt wird, das heisst, dass jener, der dreifaltig einig, Alpha und Omega, Anfang und Ende ist, nicht weniger seine Allmacht durch die Heilkräuter als durch die Edelsteine verkündet hat. Siehe, wie viele und wie grosse Kräfte der Speik vom Herrn empfangen hat. Er stärkt nämlich die Leber, wenn du ihn trinkst, er lindert Magenschmerzen, er nützt sehr der Blase, er bringt Urin und Menstruationsblut zum Fliessen, er hilft wundersam denjenigen, die an Gelbsucht leiden, der Speik entspannt verhärtete Gebärmütter und macht die Impotenten wieder rüstig für den Liebeskampf. Was vermag der Lolch durch Gottes Gabe? Eine Krankheit, die, wenn niemand zur Hilfe eilt, den ganzen Körper nach Art eines Krebsgeschwürs durchdringen würde, reinigt er wirksam, er hemmt, wenn er zu Meerrettich und etwas Salz hinzugegeben wird, das hässliche Übel der Flechten zusammen mit der sehr unreinen Lepra, und er wird die überaus lästige Last der Krätze und der Abszesse vertreiben, wenn du daraus ein Pflaster machst. Was [vermag] die Schattenmorelle? Ihr Saft unterdrückt Ohrenschmerzen, sie entfernt Tränensackfisteln von den Augen, heilt Ohrklamm, konstringiert Menstruationen, die zu üppig fliessen, durch sie brennt das Antoniusfeuer weniger stark, und beissende Geschwüre werden ausgestossen. Was [vermag] die Minze? Sie stärkt vor allem den Magen, unterbindet den Brechreiz, weist Würmer stark ab, hilft wacker gegen verschiedene Krankheiten der Hoden. Willst du einen Hundebiss heilen? Gib auch Minze, mit Salz gut zerrieben, auf die Wunde, und sie wird heilen. Wenn Minze mit Essig gemischt wird, führt sie besonders bei jenen, die Blut husten, zu Gerinnung. Was [vermag] der Andorn? Dieses Kraut, auf die angemessene Weise gemischt, hilft den Asthmatikern, beruhigt den Husten, beschleunigt die Entbindung, treibt die Nachgeburten hervor, die drinbleiben und nicht herauskommen wollen, reinigt verschmutzte Wunden. Was [vermag] die Ochsenzunge? Richtig zubereitet hilft sie bei Galle, nimmt auf ähnliche Weise einen schweren Magen, bringt den Lungen nicht geringen Nutzen, heilt wundersam bei Ischialgie. Trinke oft Wein, in dem Ochsenzunge mazeriert wurde, und du wirst deine Gedächtniskraft erhalten. Streue sie unter die Tischgenossen, und die Tischgenossen werden fröhlich sein. Was [vermag] die Rauke? Wenn du fühlst, dass deine Verdauungskräfte nachlassen, iss Rauke, und was verloren schien, wird zurückkehren. Kannst du nicht urinieren? Suche Zuflucht bei der Rauke, und sie wird dir helfen. Hast du ein sommersprossiges Gesicht? Erflehe die Hilfe der Rauke, und die Sommersprossen werden fernbleiben. Wenn deine Frau sich darüber beklagt, dass du ihr nicht geben kannst, was du ihr schuldig bist, rufe die göttliche Macht der Rauke an, und ganz gewiss wird sie dir Hilfe leisten, und du wirst deine Schuld bei deiner Frau begleichen. Was [vermag] der Lattich? Versehrt dich unmässige Liebesglut? Iss Lattich und sie wird gelöscht. Kannst du nicht einschlafen? Iss Lattich, und du wirst ruhen können. Wirst du von leeren Traumgespinsten geplagt? Der Lattichsamen wird sie beruhigen.

Du magst aber sagen, bester Leser: «Wir zumindest haben erkannt, dass die Allmacht Gottes sich auch in den allerkleinsten Dingen nicht versteckt hält. Unter diesen haben die Edelsteine und die Heilkräuter nicht den letzten Platz für sich eingefordert. Und da du viel Gesundheitsförderndes über die Heilkräuter vorgebracht hast, so wie über die Edelsteine, packt mich ein ungewöhnliches Verlangen, irgendeinen Schriftsteller über die Kraft der Heilkräuter zu lesen.» Ich werde dir, bester Leser, einen zeigen, der ebendieses Thema kundig und konzis behandelt hat. Dieser ist Macer, ein äusserst zuverlässiger Schriftsteller über Heilkräuter, den Johann Faber aus Embt bei Jülich, ein Mann, den seine Bildung sehr auszeichnet und seine Sitten sehr empfehlen, von unzähligen Fehlern befreit gedruckt hat, keineswegs nur eines süssen kleinen Gewinns wegen, sondern auch zum allgemeinen Nutzen aller Gelehrten. Und wie aus dem Aufrufen der Autoren ebendieses Macers zu verstehen gegeben wird, geht die Konjektur dahin, dass es drei Macri gab: Der erste lebte zur Zeit Ovids, der zweite zur Zeit Plinius’ [des Jüngeren], zu welcher Zeit der (wie es scheint) dritte, der dieses überaus nützliche Werk geschrieben hat, gelebt hat, können wir nichts mit Gewissheit sagen. Über den ersten schreibt Volterranus folgendes: «Aemilius Macer, ein Dichter aus Verona, besang die Vögel und die Kraft der Heilkräuter zur Zeit Ovids, wie dieser selbst bezeugt:

Oft liest mir der ältere Macer von seinen Vögeln vor,

Und welche Schlange schädlich ist, und welches Kraut hilft.

Doch auch das Werk Homers setzt er fort, was bei Ilium bis zum Kriegsende geschah, wie derselbe Dichter bezeugt:

Du singst, was dem ewigen Homer geblieben war,

Damit die trojanischen Kriege nicht der letzten Hand entbehrten.

Das Werk über die Heilkräuter aber ist bis an unsere Zeit gelangt.» Soweit jener. Über den zweiten Macer aber [schreibt] Plinius im dritten Buch seiner Briefsammlung im Brief, der beginnt: «Es ist mir sehr willkommen, dass du die Bücher meines Onkels so fleissig liest, dass du sie alle haben willst und mich fragst, wo sie alle seien. Ich werde die Rolle eines Anzeigers spielen und dir erläutern, in welcher Reihenfolge sie geschrieben sind.» Und am Ende des Briefs sagt er: «Ich vertraue aber darauf, dass diese Dinge dir nicht weniger willkommen sein werden als die Bücher selbst, die dich nicht nur zur Lektüre, sondern auch durch den Ansporn der Nachahmung dazu anregen können, etwas Ähnliches zu schaffen.» Soweit Plinius. Über den dritten Macer, dem Autor dieses Werks, das nun zum ersten Mal gefeilter herausgegeben worden ist, wirst du einiges Wenige in unseren Kommentaren sehen. Meinem Urteil nach jedoch war, würde ich behaupten, jener plinianische Macer der Autor dieses Werks. Beweis dafür ist, dass Plinius ihn dazu ermuntert, etwas Ähnliches zu schaffen. Es steht jedoch jedem sein eigenes Urteil frei. Dass er aber Plinius zitiert, dem steht nichts entgegen. Würde jemand aber einen jüngeren [Autor] zitieren, könnte es den Anschein haben, dass er ein Alleswisser geworden sei. Denn einige haben die Sitte, dass sie, wie es ihnen gefällt, entfernen und hinzufügen, wegnehmen von und dazutun zu den Denkmälern der gelehrten Männer. Dies beweisen tagtägliche Beispiele. Dies geschah aber ungehinderter zu jener Zeit, die der sehr edlen und niemals genug gelobten Druckerkunst unkundig war. Daher ist es jetzt so gut wie unmöglich. Und obschon Macers Gedicht recht elegant ist, ist dennoch für den delikateren Leser der äusserst elegante Hortulus des Franken [Walahfrid] Strabo hinzugefügt. Über diesen Strabo schreibt der Abt von Sponheim im Buch über die kirchlichen Schriftsteller folgendes: «Strabo, ein Mönch von Fulda, Deutscher von Geburt, war Hörer und Schreiber des verblichenen Abtes Hrabanus [Maurus], ein Mann, der kundig in den heiligen Schriften und meisterhaft gelehrt in den Studien der weltlichen Schriften war, von scharfem Verstand und deutlicher Rede, hat zu den Büchern der Heiligen Schrift geschrieben und hat nicht wenige kleine Schriften dargelegt, in denen er sich als gelehrter Mann erwiesen und den eigenen Namen mit Ruhm der Nachwelt hinterlassen hat. Seinen Abt Hrabanus nachahmend hat er also ein Buch über die Genesis, ein Buch über den Exodus, ein Buch über den Leviticus und viele mehr verfasst. Schliesslich wird dieser Strabo dafür erinnert, dass er als erster die Glosse, die jetzt ‹die ordentliche› genannt wird, über die ganze Bibel nach den Sprüchen der Heiligen Väter verfasst hat, die andere mit vielen nachträglich hinzugefügten Sentenzen der Väter erweitert haben. Er trat unter Kaiser Ludwig [dem Frommen] in Erscheinung im Jahre 840.» Soweit jener. Ich wage es, darüber hinaus frei heraus zu sagen, dass Strabo ewiges Lob verdient hat für seinen allerfrühlingshaftesten Hortulus: Wenn ich jemals etwas Frühlingshafteres gesehen habe als diesen, möge ich zugrunde gehen.

Lebe glücklich.

 

nach dem Catalogus herbarum:

Onophryus Atrocianus.

In vielen Jahren ist kaum etwas Nützlicheres,

Kaum etwas Nutzbringenderes herausgekommen als Macer.

Welche Fehler auch immer den Autor entstellt hatten,

Hat eine diensteifrige Hand behoben und entfernt.

Daher seien Knaben, Junge und Alte schnell zur Stelle,

Damit sie lernen, schwere Krankheiten mit Kunstfertigkeit zu vertreiben.