Amores

Übersetzung (Deutsch)

An den Leser

Diese Epigramme, die wir Dir hier präsentieren, stammen nicht von einer zügellosen Muse,

Glaube mir: Meine Gedichte schaden niemandem.

Hier beweine ich nur elend meine zarten Liebeleien,

Das ganze Buch berichtet von dem, was mir widerfahren ist.

Wenn es irgendetwas wert sein wird, dann glaube, dass ich über mich geschrieben habe,

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Das ist meine Venus, das ist mein Cupido.

Diese Gedichte möge der Griesgram ebenso lesen wie einer mit heiterem Gesichtsausdruck,

Diese Gedichte mögen Curius und Fabritius gleichzeitig lesen.

 

An Flavia (Amores 2,2)

Flavia, Du schönste unter den deutschen Nymphen,

Lies die süssen Worte Deines süssen Liebhabers.

Ich bitte Dich, komme unverzüglich, wenn Du sie gelesen hast,

Du wirst nicht wegbleiben, wenn Du meine Botschaft lesen wirst.

Du kennst diese Siegel und die Zeichen, mit denen diese Blätter versehen sind,

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Und die Empfindungen und Worte, die aus meiner Brust hervorgehen.

Du mögest nicht für eitel halten, was Dir Dein Liebhaber jetzt schreibt,

Liebe ist nicht gut darin, zu erfinden, was Du vielleicht für eine Erfindung hältst.

Ein Liebender versteht nicht zu täuschen und hat selten eine Liebende getäuscht,

Wer auch immer liebt, wird durch seine Worte sein Herz entblössen.

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Desto mehr man die Flammen verbirgt, desto heller brennt

Es und offenbart sich aus dem warmen Busen heraus.

Vielleicht wird Dir meine unbezweifelbare Liebe offenbar,

Wenn Du vielleicht meinen Worten Vertrauen schenken kannst.

Ich bitte Dich, wenn Du mir glaubst, um meiner Liebe willen,

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Und weil Du mein Herz dein Eigentum nennst:

Wenn es möglich ist, komme zu mir, während ich in meiner Freizeit Gedichte verfasse

Und Zeit habe, mich aus Liebesinteresse heraus um Dich zu kümmern.

Als ich die Musen und die Fluten der Hippokrene besang,

Diese Fluten, die der Huf des Medusasohnes schuf,

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Standest Du, Flavia, häufig ordentlich dabei,

Und die Nymphe Flavia war gleichzeitig eine Muse.

Und vielleicht hat die Muse meine Büchlein gleich nach Lektüre zerfetzt,

Die Liebe, besser gesinnt, befahl mir, sie noch einmal zu schreiben.

Aber während jene meiner Arbeit vielleicht derart missgünstig gesonnen ist,

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Verlieh mir Venus einen undefinierbaren Anstoss dazu.

So wenig Einverständnis herrscht zwischen Venus und den Musen;

Was die Musen verbieten, das eben gebietet Venus.

Mein Schreibgriffel verfasst nun nur Schmeicheleien für Venus,

Und schreibt von den Küssen, die ich Dir neulich häufig gegeben habe.

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Was für schöne Mädchenglieder habe ich damals betastet,

Als Du, Flavia, nackt mit mir im Bett lagst.

Was für einen Nymphenschenkel und was für Brüste habe ich erblickt,

Was für ein Bauch war das und was für ein Busen.

Was für ein Haar bedeckte das Haupt und das Gesicht der Liegenden,

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So, wie sie beschaffen ist, nennt man sie ein Werk von der Hand des Apelles.

Wie weich hing ich fest, In Deiner Umarmung hingestreckt,

Wie sehr presste ich immerfort Deine Brust an die meine,

Bis wir beide uns auf dem hohen Lager voneinander gelöst hatten

Und dalagen, gleichsam von der Macht der Venus überwunden.

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Ach, wie oft tauschten wir Zungenküsse aus,

O, wie oft konnte ich meinen Körper mit dem Deinen verbinden.

Ach, wie oft wurde die süsse Lust aus dem innersten Mark herausgeholt

Und bereitete tausend Freuden im warmen Schoss.

So viel Glut wohnt ihr inne, die mit der wünschten süssen Empfindung verbunden ist,

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Dass sie auf der feuchten Brust die Wassertropfen zum Stehen bringt.

Mir war allzu fröstelig gewesen, da kam Flavia

Und legte sich zu mir und verband ihren Körper mit dem meinen.

Aller Frost, der jüngst noch darin gewesen war, floh aus meiner Brust

Und jener Beischlaf mit ihr vertrieb mein Fieber.

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Was für eine Süssigkeit floss von Deinen Lippen,

Und was für ein Saft befand sich in dem rosenfarbenen Mund,

Als ich von Deiner reinen Zunge widerstrebende Küsse raubte

Und in Deinem Schoss lag, dahingestreckt von der Liebe zu Dir.

Meine Glieder waren zerschmettert vom Beischlaf, wie ich so dalag,

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Bis das anmutige Werk der Venus zweimal wiederholt wurde.

Was für Kräfte brachen aus meiner starken Brust heraus,

Als der Saft in meine Knochen gekommen war.

Von allzu grosser Begierde besiegt pflege ich den Beischlaf,

Ich löse mich gleichsam in das Wasser des Alpheus auf.

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Meine Kräfte und die von der Lust ermüdeten Sinneswahrnehmungen hatte

Der süsse Liebestrieb dahingerafft, der in unserem Schoss ruht.

Als ich aus dem Fenster blickte, hast Du mich zuerst erfreut wahrgenommen

Und warst verblüfft über mein herrliches Haus.

So oft kamst Du hinein und bewunderst die strahlende Wohnstatt,

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Und so oft schaust Du das bemalte Haus an.

Seitdem sehen wir uns das golden strahlende Dach zusammen an,

Ein einziges Bettchen war darin zum weichen Liegen vorbereitet.

Hier legst du Deine glänzenden Kleider ab und zeigst Deine nackten Brüste

Dann entblösst Du Deine Waden, hierauf entblösst du Deine Oberschenkel,

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Auch Deinen Bauch bietest Du mir dar und zeigst mir Deinen Leib,

Der für mich heller strahlt als schneeweisse Rosen.

Deine Scham war sauber und vor Begierde schon längst angeschwollen,

So standest Du vor meinen Augen da und liessest Dich von mir anschauen.

Ich war wahnsinnig vor Emotion und Liebesbegierde

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Und mein begieriger Mund war kurzatmig.

Fester als ein Baum stand mein Schwanz mir im Lendenbereich,

Und zu Deinem Schosse hin ausgestreckt schleudert er Blitze von seinem Haupt.

Wenn ich ihn niederdrücke, steht er mir immer wieder noch fester auf

Und wie eine Darmsaite schnellt er machtvoll zurück.

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Als erste besteigst Du das weiche Lager und die Bettstatt,

Bald auch gabst Du mir als erste Küsse.

Als Du sahst, dass ich Lust hatte und mein Schwanz steif war,

Legst Du dich ganz hingestreckt in meinen Schoss.

Ich füge eifrig meinen Leib hinzu und füge Schenkel an Schenkel

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Und gebrauche alle meine körperlichen Kräfte.

Dann brennt meine Brust und tobt vor plötzlich auftretender Begierde,

Aus dem liebkosenden Gebein entsteht ultimative Liebeslust.

Während das noch in vollem Gang ist, folgt darauf die volle sexuelle Befriedigung,

Und wir beide lagen erschöpft auf dem weichen Bett.

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Dann begehrt es uns nach einem angenehmen Mahl an reichbedeckten Tischen,

Und beide zugleich greifen wir mit unseren Fingern nach den Speisen.

Nach dem Essen und Weintrinken, das Dein Geplauder begleitete,

Eilen wir beide zum Venuswerk und dem weichen Pfühl zurück.

Dreimal, viermal wiederholt sich der Venusgenuss

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Und beständig hat Venus ihr süsses Werk vollbracht.

Im Gesicht schwellen überall warme Schweisstropfen empor

Und dann mischt sich Blässe mit blutigem Rot.

Die von der Lust ermüdeten Glieder finden Ruhe.

Schlummer folgte auf die angenehme Arbeit der Venus.

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Schmeichelnd wärmtest Du mich, den Erschöpften, in Deinem Schoss

Und nicht weniger ich Dich mit meiner zarten Umarmung.

So war der Schlaf des Jupiters und der von ihm geliebten Juno beschaffen,

Als sie beide zusammen, Ida-Gebirge, in deinem Tal lagen.

Jupiter schaute sich vom Ida aus die Kämpfe um Troja an,

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Als Juno kam, die als Hilfsmittel den Gürtel der Venus trug.

Sie war mit Edelsteinen geschmückt und ganz mit Perlen verziert,

Ihr Haar war blond, ihr Busen aber war weiss.

Wie der Morgen beim Kommen der Aurora errötet,

Eine solche Purpurfarbe zeigte ihr Gesicht.

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Wie der Morgenstern leuchtet, wenn er vom Osten her strahlt,

So, verkündet der Gesang der Fama, habe ihr Kleid gewirkt.

Von Liebe zu Juno erregt begehrte Jupiter sie zu

Umarmen und drückte seine Brust an ihren Busen.

Hier herum streuen die Dryaden und die Oreaden des Ida-Gebirges um sie

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Purpurfarbene Rosen und fügen weitere hinzu.             

Hier verströmen Veilchen und der milde Majoran für sie ihren Duft

Und zugleich alle Kräuterarten, die der Ida zur Verfügung stellte.

So begann Jupiter den Beischlaf inmitten von Duftwolken

Und zugleich inmitten so vieler Blüten, auf deinen Hügeln, o Ida.

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Beide waren erschöpft und schliefen auf Rosen gebettet sanft

Ein, und jene wärmt sich in Jupiters Umarmung.