Brief an Thomas Platter

Übersetzung (Deutsch)

Übersetzung: Clemens Schlip (französischer Originaltext der Anmerkungen von David Amherdt)


Gruss. Ich habe Dir am 7. September, wenn ich mich nicht täusche, ein Gepäckstück von Matthieu Coignet geschickt, dessen Vater einst im Namen des französischen Königs bei den Schweizern als Gesandter war. Ich habe aber Dich damals gebeten, mein liebreichster Freund Platter, dass Du Dich darum kümmerst, dass es durch Buchhändler nach Paris gebracht wird. Mein Kutscher Hotzius meldete mir später, Du habest dies versprochen. Und ich zweifle nicht an Deiner Verlässlichkeit, die ich schon seit vielen Jahren sehr klar erkenne. Weil ich aber aus einem Brief des Herrn Coignet vom 3. Dezember aus Paris erfahren habe, dass ihm sein Gepäck noch nicht zugestellt worden ist, bitte ich Dich sehr dringend, mir möglichst rasch anzugeben, durch wen und zu welchem Zeitpunkt es überstellt worden ist, damit ich Herrn Coignet darüber informieren kann und er es von denen zurückfordern kann, die es mit ihren Gepäckstücken zusammengestellt haben. Es fällt mir schwer, dass ich Dir aufs Neue lästig fallen muss. Aber was soll ich tun, mein lieber Platter, da mich dazu sowohl meine Freundschaft zu Herrn Coignet ermahnt wie auch Dein menschlicher Anstand mich dazu einlädt.

Über meine Angelegenheiten kann ich Dir nichts schreiben, ausser etwas, von dem ich weiss, dass Du es schon längst weisst: Ich bin in Trauer wegen des Todes meiner hochgeliebten Ehefrau. Denn auch wenn ich weiss, dass man geduldig ertragen muss, was der Herr uns auferlegt, und ich mich nicht über seinen Willen beklagen werde, kann ich mich doch nicht ohne Bitterkeit an jene Frau erinnern, die mit mir 24 Jahre hindurch in sehr grosser Liebe zusammengelebt hat und deren lebendiges Abbild mir täglich in unseren überaus lieblichen Kindern begegnet. Meine Trauer über ihren Tod hat noch der Tod von zwei Töchtern Bullingers vermehrt, die ihr innerhalb von zehn Tagen gefolgt sind. Zu ihnen kam noch der Herr Gessner hinzu: Wie viel sowohl unsere Schule als auch die öffentlichen Studien mit diesem Mann verloren haben, weiss jeder Gebildete. In diesem Jahr hat Gott zwar weniger Leute von uns hinweggenommen, aber dabei hat er gleichsam die ausgewählt, die bei allen eine sehr grosse Sehnsucht nach sich hinterlassen haben. Im Moment ist die Seuche im Ganzen betrachtet zur Ruhe gekommen, aber wir wissen nicht, ob dieser Friede stark und stabil ist, oder ob es sich nur um einen einige Tage anhaltenden Waffenstillstand handelt. Aber es geschehe der Wille des Herrn, den ich bitte, dass er dieses Jahr für Dich und die Deinen sehr glücklich machen möge. Grüsse von mir Magister Severin, Johannes Hospinanus, Herrn Oporinus und die übrigen Freunde. Lebe wohl, mein Bruder, und liebe auch weiterhin mich, der ich Dich so sehr liebe. Zürich, am 1. Januar 1566.

Dein Rudolf Gwalther.

Adresse: An den aussergewöhnlich gebildeten und frommen Herrn Thomas Platter, seinen alten Freund und seinen hochgeliebten Bruder.