Zwei Briefe über die Bartholomäusnacht

Traduction (Allemand)

Erster Brief

An den hochwürdigsten Vater und Herrn in Christus, Herrn Otmar, den hochwürdigsten Abt des Klosters St. Gallen in der Schweiz, seinen äusserst mildgesinnten Herrn.

Ich glaube, nie hat sich meine Feder beim Schreiben mehr gefreut. Frankreich geht es gut, uns allen geht es sehr gut, Preis sei dafür dem höchsten Schöpfer. Und mag ich auch viele notwendige Mitteilungen über unsere Angelegenheiten zu machen haben, so will ich dennoch etwas über die riesige Freude der Pariser schreiben; mehr und Zuverlässigeres wird darüber der Überbringer dieses Briefes berichten können. Am 18. August wurde die Hochzeit des Königs von Navarra mit der Schwester des Königs, Margarete, gefeiert. Aber, o welche Freude für die ganze Christenheit, am 24. August brach der ganze Jubel der Häretiker in sich zusammen. Denn der Admiral und La Rochefoucauld sind hier in Paris zusammen mit den anderen Säulen, den herausragendsten Führern der Häretiker, auf Befehl des Königs ganz elend niedergemetzelt worden. Ihre blossen Körper liegen immer noch elend auf den Plätzen ausgestreckt herum und werden so von allen gesehen. Aber der Herr Hauptmann Josua Studer wird Dir das mündlich besser erklären können, als ich mit meiner Feder. Ramus ist tot.

Am 14. August habe ich das Geld erhalten, dass Du schon vor einiger Zeit daheim einem Lyoner Kaufmann anvertraut hast, damit er es mir übergibt, 240 Gulden; davon habe ich nichts mehr übrig, weil ich es entweder bei den Vätern für meinen Unterhalt oder beim Buchhändler für einige Bücher ausgegeben habe; weil ich also neues Geld brauche, habe ich vom Hauptmann 100 Goldstücke angenommen, die er mir angeboten hat. Euer Hochwürden darf aber nicht glauben, dass das reicht, denn für unseren Unterhalt brauchen wir noch mehr Geld, da wir drei im Laufe eines Jahres für unseren Tisch 180 Goldskudi zahlen. Ich werde diese 100 Goldstück mit Ausnahme von einigen wenigen sofort dem Prokurator geben; denn wir müssen unsere jungen Leute in diesem Winter neu einkleiden, ihre alten Kleider können nämlich dem Winter nicht mehr standhalten. Danach muss ich mir noch ein Bett kaufen. Ich möchte diese Einkäufe mit 30 Goldstücken erledigen. Was unsere Studien angeht, so machen sie überdurchschnittliche Fortschritte.

Ein Lebewohl für Euer Hochwürden und den ganzen Konvent. Paris, den 24. August. Bruder Joachim Opser, ein demütiger Alumne.

 

Zweiter Brief

Er wünscht seinem verehrungswürdigsten Vater und Herrn in Christus, dem Herrn Otmar, dem hochwürdigsten Abt des Klosters St. Gallen in der Schweiz, seinem überaus milde gesonnenen Herren, den Himmel.

Wundere Dich nicht, dass Du hier in einer Abschrift zwei Briefe auf einmal erhältst, ehrwürdigster Vater; denn den ersten hat man mir unter tumultuarischen Umständen abverlangt und ich habe ihn unter tumultuarischen Umständen geschrieben, weil es den Anschein hatte, dass sein Überbringer schon in einer Stunde aufbrechen würde; als ich aber glücklicherweise erfuhr, dass man nur gehofft hatte, dass die Zeit schon reif für die Abreise des Königs sei, und dass diese durch mangelhafte Planung aufgehalten wurde, habe ich auch noch diesen Brief verfasst; den wichtigsten Grund dafür wirst Du am Ende dieses Briefes erkennen können. Ich werde Euch ein Ereignis, das zu grosser Freude Anlass gibt, in einem etwas ausschweifenderen Stil schildern, und ich hoffe, dass es Euch nicht lästigfallen kann, wenn ich mit meinen Worten überhaupt nicht haushalte, wo doch der ganze christliche Erdkreis dadurch nicht nur zu Bewunderung hingerissen, sondern auch von riesiger Freude erfüllt werden kann, angesichts dessen, was sich hier ereignet hat; es ist etwas Unerhörtes und sehr Nutzbringendes. Ihr werdet den mündlichen Bericht eines Hauptmannes hören. Freut Euch, doch verachtet und verwerft dabei nicht, was ich in einer glücklichen und vielleicht allzu freudigen Stimmung geschrieben habe, so als ob es unnütz und überflüssig wäre; ich werde nämlich nichts niederschreiben, was ich nicht tatsächlich als fest gesicherte Tatsache in Erfahrung gebracht habe. Am 24. August ist der Admiral mitsamt dem ganzen (es ist problemlos möglich, es so auszudrücken) häretischen Adel Frankreichs elend untergegangen. – ein ungeheures Blutbad! Meine Seele erschrak, als sie sah, wie ein so grosser Fluss fast voll war von den nackten und hässlich verwundeten Leibern der Niedergemetzelten. Nur den König von Navarra hat der König von Frankreich bisher verschont; heute am 26. August hat der König von Navarra nämlich zur ersten Tagesstunde zusammen mit König Karl die Messe besucht, so dass alle Gutgesinnten starke Hoffnung gefasst haben, er werde seine Religion wechseln. Die Söhne des Condé hält er gefangen, was für sie ein grosses Risiko bedeutet, denn wenn sie sich verstockt zeigen, wird der König sie vielleicht bestrafen. Nun endlich nennen alle den König einen klugen und hochgesinnten Mann, da er die Häretiker wie ein Rind mit seinem erstaunlichen Wohlwollen und seiner Nachsicht gemästet hat, um sie quasi in einem Augenblick seinen Soldaten zum Schlachten zu übergeben.

Montgomery, ein gewiefter Mann, ist entkommen. Der Herr de Méru, der dritte Sohn des verstorbenen Connétable, ist mit vielen anderen verhaftet worden. Die Pariser erwarten aufgeregt, was der König entscheiden wird. Diejenigen Buchhändler, die man als Häretiker identifiziert hat, sind niedergemetzelt und ins Wasser geworfen worden. Ramus, der aus seinem ziemlich hoch gelegenen Schlafgemach gesprungen ist und danach noch unzählige Dolchstösse erhalten hat, liegt immer noch nackt am Ufer. Es gibt keinen Häretiker (und auch die Frauen sind davon nicht ausgenommen), der nicht schon getötet ist oder sich bislang noch versteckt hält. Aber höre Dir bitte die Ermordung des Admirals an; denn der, der mir davon erzählt hat, hat ihn als Dritter mit einem zweischneidigen Degen durchbohrt. Es handelt sich um Konrad, der früher einmal dem Wiler Ökonom Joachim Waldmann gedient hat. Denn als die Schweizer, die dem Herzog von Anjou dienen, die Haustür aufgebrochen hatten, kam dieser Konrad Bürg zusammen mit zwei anderen (Leonard Felder aus Glarus und Martin Koch) zum Schlafgemach des Admirals, dem dritten Gemach in diesem Haus, und töteten vor seiner Tür einen Diener. Und so stürmten sie in das Gemach des Admirals und wollten ihn, den sie nur mit einem Untergewand und einem Obergewand aus Damast bekleidet vorfanden, gefangen nehmen. Doch einer von den dreien, Martin Koch, war überkühn und durchbohrte jenen Elenden mit seinem zweischneidigen Degen, und als dritter durchbohrte Konrad selbst ihn heftig, und so fiel er nach dem siebten Stich schliesslich (eine erstaunliche Sache!) in den Kamin; danach warfen sie ihn auf den Befehl des Herzogs von Guise hin kopfüber aus dem Fenster und zogen ihn den Narren an einem Strick, den sie ihm um den Hals gebunden hatten, zur Seine, um aller Welt ein Schauspiel zu bieten. Das war das Ende dieses verderbenstiftenden Mannes, der nicht nur zu seinen Lebzeiten viele in äusserste Lebensgefahr gebracht hat, sondern auch im Sterben eine grosse Schar häretischer Adeliger mit sich in den Orkus gezogen hat. Wie viele von ihnen nämlich gestorben sind, das bezeugt das Seineufer, und jemand, der die Seine stromabwärts fährt, wird leicht davon erzählen können. Wie die Gutgesinnten glauben, steht eine Reinigung des Königreichs Frankreich bevor, denn wenn die Anführer a?usgelöscht sind, ist alles bereit, die gewöhnlichen Strauchdiebe zu töten. Denn gerade in diesen Tagen hat ein Dornbusch auf dem Cimetière des Innocents, der schon vier Jahre lang ganz vertrocknet gewesen war, Blätter und Blüten entwickelt, wie ich mit eigenen Augen gesehen habe; alle verstehen dieses Wunder mit grosser Leidenschaft als felsenfesten Beweis dafür, dass die Religion wiederhergestellt werden wird; ich habe jedenfalls andächtig meinen Rosenkranz an ihn gehalten. Überall, wo man noch Häretiker tötet, schleift man sie zum Fluss und wirft sie hinein.

Der Admiral kann sich glücklich schätzen, dass man ihm das Haupt abgeschlagen und die Geschlechtssteile abgeschnitten und ihn dann hoch an einem Galgen aufgehängt hat, dort haben ihn nämlich die Knaben hingeschleift und aufgehängt. Aber genug von dieser schreckenerregenden Tragödie! Ich komme jetzt dazu, was mich dazu gebracht hat, diesen Brief zu schreiben. Der vorgenannte Konrad, der ein Stallknecht des Herrn Joachim Waldmann, meines allerliebsten Paten, gewesen ist, kam heute zu mir und brachte mir 80 Goldstücke, die er irgendeinem Häretiker zusammen mit anderen sehr wertvollen Beutestücken abgenommen hat, und bat mich, wenn es mir möglich wäre, sie an mich zu nehmen und dafür zu sorgen, dass seine Frau sie erhält. Ich habe das zwar zunächst abgelehnt, weil mir Studer am 23. August 100 Goldstücke anvertraut hatte; aber nach einigem Hin- und Herüberlegen habe ich diese 80 Goldstücke doch angenommen, die 24 Batzen wert sind, und möchte äusserst sorgfältig Rechenschaft über den Empfang und die Verwendung dieses Geldes ablegen können. Denn wenn schon das ganze Jahr vorüber wäre, hätte ich schon den Rechenschaftsbericht für die in diesem Jahr empfangenen Gelder an Euer Hochwürden geschickt; ich hoffe nämlich, dass Euer Hochwürden keinen Anlass finden kann, etwas Finsteres von mir zu denken. Deshalb bitte ich Euch sehr, aufgrund der Güte, die Ihr mir bisher schon erwiesen habt, die 80 Kronen bzw. 24 Batzen an die bedürftige Ehefrau auszuzahlen. Ich werde zusammen mit meinen Leuten eine Menge gewichtiger Sachkenntnisse in unsere Heimat bringen; alles läuft nämlich für uns erfolgreich ab.

Lebewohl! Gegeben zu Paris, am 26. August 1572. Zur zehnten Nachstunde, in Lutetia, der Verschlingerin der Häretiker.

Lebewohl, Vater, mitsamt Deinem ganzen Konvent, Lebewohl!

Bruder Joachim Opser, Dein demütiger Schüler.

Sobald sich die Gelegenheit bietet, werde ich einen Brief an alle schreiben.

[Postskript]

Bullinger mag mit Jülaeus ein Pseudomartyologium schreiben; sie mögen dabei nur zugeben, dass auch Bürger von St. Gallen einige Häretiker ausgeplündert und zu Märtyrern gemacht haben. Auch drei Zürcher, die dem König von Navarra dienten, stehen auf der Liste [der Ermordeten]. Der Hauptmann Röust aus Zürich hielt als Bannerträger die Stellung. Die übrigen, ungefähr achtzehn an der Zahl, halten nämlich die Unseren [=die katholischen Schweizergardisten] noch gefangen.