De Republica

Übersetzung (Deutsch)

Übersetzung: Clemens Schlip et Daniel Stucki


1. Beginn von Buch I [Übersetzung von C. Schlip]

Da unter den Republiken, die nicht unter der Herrschaft eines einzigen Fürsten regiert werden, in unserem Zeitalter nach dem Urteil vieler Beobachter die Schweizerrepublik den zweiten Platz nach der venezianischen Republik einnimmt, habe ich von Auswärtigen oft die Frage gehört, worin die äussere Gestalt und die innere Systematik dieser Republik bestehen; denn es erscheint ihnen als Wunder, dass so viele Völker es vermocht haben, in so kurzer Zeit durch einen Vertragsschluss gleichsam zu einer Bürgerschaft zusammenzuwachsen, und dass dieser Zusammenhalt sich noch nach so vielen Jahren konstant als dauerhaft und einträchtig erweist.

Die Athener, deren Bürgerschaft in Griechenland höchstes Ansehen besass, wurden nämlich von Theseus aus verschiedenen Völkern und Städten heraus nicht nur in einer Bürgerschaft, sondern in einer einzigen Stadt zusammengeführt. Die Republik der Achaier indes, die aus zwölf Städten bestand, bestand weder lange noch war sie mächtig, sondern sie hatte unter Aratos und Philopoimen ihre Blütezeit und wurde kurz darauf von den Römern unterjocht, da sie missbräuchlichen Gebrauch von ihrer Freiheit gemacht hatte. Die Republik der Israeliten war nach dem Tode des Josua aus eigener Schuld zahlreichen feindlichen Raubzügen ausgesetzt und wurde davon mehrfach befreit, nachdem heldenhafte Männer zum Eingreifen berufen worden waren, aber schliesslich wählten die zwölf Völker sich freiwillig einen Monarchen, da sie ihre Freiheit satthatten. Zur Zeit unserer Grossväter aber schlossen die schwäbischen Städte auf Veranlassung und unter der Führung des Kaisers Friedrich ein Bündnis, das bei ihnen anfangs in hohem Ansehen stand, doch nach ihrem unüberlegt begonnenen und erfolglos geführten Krieg gegen die Schweizer litt sein guter Ruf sehr; nach der Vertreibung des Württemberger Herzogs und der Zerstörung der Raubburgen im ganzen Schwabenland schienen sie das Ansehen ihres Bundes wiederhergestellt zu haben, doch kurz nach Ablauf der vorgeschriebenen Bündnisdauer, gingen sie sogleich auseinander, so dass nun mit denen Freundschaft pflegten, die zuvor ihre Feinde gewesen waren, und ihre alten Freunde und Verbündeten fast wie Feinde behandelten. So begann dieses Bündnis und endete in einem Nichts, und das in einem Zeitraum, den Menschen überblicken können.

Im Übrigen bestehen die Schweizer aus mehreren Völkern und nicht wenigen Städten, und nichtsdestoweniger handelt es sich um eine Bürgerschaft, eine Republik; allerdings sehe ich, dass die Gelehrten daran zweifeln; sie meinen nämlich, bei uns gebe es keine gemeinsame und zusammengeschlossene Herrschaft, deshalb könne man nicht von einer einzigen Republik sprechen; für die einzelnen Bürgerschaften seien die Beschlüsse der anderen nur nach Massgabe ihrer freiwilligen Zustimmung verbindlich, wie bei privaten Verträgen von Geschäftspartnern; und in einer Republik ist doch der Mehrheitsbeschluss für alle verpflichtend.

Wir wollen uns mit diesen Männern nicht streiten und gestehen freiheraus: Wenn man die einzelnen Sachverhalte genau überdenkt, dann verhält es sich so, wie sie es behaupten; doch weil der ganze Volksstamm einen Rat besitzt und sie sehr viele Provinzen in einer gemeinsam ausgeübten Herrschaft verwalten und durch dauerhafte Friedensschlüsse so eng miteinander verbunden sind, dass sie dem äusseren Erscheinungsbild einer einzigen Republik sehr nahe kommen, auch wenn es sich dabei nicht um eine einzige Republik handeln mag, werden wir, da wir über diese Dinge nicht in wissenschaftlicher Weise sprechen, jene Gemeinschaft als «Schweizerische Eidgenossenschaft und Schweizerische Republik» bezeichnen.

Diese schweizerische Bürgerschaft, die durch dauerhafte Bündnisse konstituiert wird, hat schon über 200 Jahre lang ihre vaterländische Freiheit in höchster Eintracht und mit unglaublicher Einhelligkeit verteidigt. Obwohl nämlich unter ihnen immer wieder (wie das in fast allen grossen Republiken zu geschehen pflegt) Bürgerkriege ausgebrochen sind, wurde dennoch nach kurzer Zeit wieder Frieden geschlossen und alle sind wieder in aufrichtiger Liebe zu einer geistigen Einheit zusammengewachsen und sind immer bereit gewesen, die vaterländische Freiheit mit althergebrachtem Eifer zu verteidigen.

Es gibt allerdings einige Leute, die uns, weil sie das Schweizervolk ungeheuer hassen, mit grosser Frechheit vorwerfen, bei uns herrsche Anarchie, und sagen, unsere Vorfahren hätten sich über Recht und Billigkeit hinweggesetzt, als sie sich diese Freiheit durch die Tötung oder Unterwerfung des Adels verschafften; andere meinen, auch wenn sie anerkennen, dass unsere Vorfahren durch schweres Unrecht und grobe Verhöhnung vonseiten der Adeligen dazu provoziert worden sein, zu den Waffen zu greifen, sie hätten dabei doch das Mass einer gerechten Verteidigung überschritten, wie das eben bei Leuten geschieht, die sich allzu sehr aufgeregt haben. Um sowohl auf das Staunen unserer Freunde einzugehen, das aus ihrer Unkenntnis unserer Verhältnisse resultiert, als auch die Verleumdungen unserer Neider zu widerlegen, habe ich gedacht, ich würde etwas tun, das der Mühe wert ist, wenn ich die Gestalt der schweizerischen Republik beschreibe; zuvor wiederhole ich zunächst noch einige Informationen zu ihrem Ursprung in einer vergangenen Zeit.

 

2. Geschichte von Freiburg [Übersetzung von D. Stucki]

Die Stadt Freiburg am Fluss Saane wurde vom Herzog der Zähringer Berchtold IV. einige Jahre vor Bern gegründet, und beide Städte pflegten lange eine gegenseitige Freundschaft; nach dem Aussterben des Zähringergeschlechts gelangte Bern nun aber in die Abhängigkeit des Reiches, während Freiburg in die Gewalt der in Burgdorf residierenden kyburgischen Grafen fiel; was der Grund dafür war, dass in den nachgehenden Jahren die Freundschaft mit den Bernern nicht weiter fortbestand.

Und tatsächlich führten die Freiburger gemeinsam mit dem Kyburger Gottfried Krieg gegen die Berner. Aber bald wurde das Bündnis auf beiden Seiten erneuert, wobei aber eine Klausel beigefügt wurde: Wenn sich die Herren der Stadt gegen Bern erheben würden, sodann könnten sie, ohne Vertragsbruch zu begehen, den Interessen ihrer Herren folgen. Später wurde Freiburg von Kyburg Rudolf, dem König der Römer, verkauft und verblieb dann beinahe 200 Jahre unter der Herrschaft des Hauses Österreich, in welcher Zeitspanne die Freiburger unter der Führung und Leitung der Österreicher bei Laupen, am Schönberg und in weiteren Gegenden Krieg gegen die Berner führten: Aber wieder wurden die alte Freundschaft und das Bündnis mehrmals auf beiden Seiten erneuert.

Auch im Jahr 1403 schlossen die Freiburger, nachdem sie durch einige Beschimpfungen des Adels unter Druck gesetzt wurden, ein ewiges Bündnis mit den Bernern, verblieben jedoch nichtsdestotrotz unter der Herrschaft der Österreicher. Diese Freundschaft dauerte fünfundvierzig Jahre, bis zwischen Freiburg und dem savoyischen Fürsten Krieg ausbrach, wobei die Berner, aufgrund einer alten Freundschaft und eines alten Bündnisses, Partei für Savoyen ergriffen. Von beiden Seiten wurden etliche Feldzüge unternommen; einmal kämpfte man beim Galternbach, bei welcher Schlacht die Freiburger unterlagen; im folgenden Jahr schlossen die Gesandten des Königs der Franzosen, des burgundischen Herzogs und der Helvetier schliesslich Frieden.

In dem auf den Friedensschluss folgenden Jahr kam der Österreicher Albrecht nach Freiburg, mit welchem manche Bürger den Plan fassten, einen Krieg gegen die Berner zu unternehmen, ein grösserer und vernünftiger Teil der Bürgerschaft zog aber den Frieden dem Krieg vor und trat beständig für den Freundschaftsvertrag ein, und schon standen die Zeichen auf Bürgerkrieg, und es wäre vielleicht tatsächlich zu Kämpfen zwischen den Bürgern gekommen, wenn nicht die Berner, welche sich durch ausserordentliche Klugheit und Fleiss auszeichneten, durch die Aussendung von Legaten diesen Aufruhr des Volkes beruhigt hätten. Als es nun aber dem Österreicher schien, dass Freiburg den Helvetiern gewogen sei und sich ihnen beuge, und dass sogar jene Bürger, welche sich der Privilegien der Vorfahren erfreuten, nicht vollends seinen Befehlen gehorchen würden, oft auch den Bernern gemäss dem Bündnisvertrag folgen und mit den Schweizer Eidgenossen Krieg führen würden, begann er daran zu zweifeln, dass er die Stadt noch länger in seinem Einflussbereich halten könne.

Deswegen kam der Hofmeister des österreichischen Fürsten nach Freiburg, welcher, wie man erzählt, vom Fürsten höchstpersönlich gesandt wurde; dieser säte das Gerücht, dass der Fürst in Kürze nach Freiburg käme. Er begann vergoldete und silberne Gefässe aller Art, anderen Schmuck verschiedenster Art zusammenzutragen, um das Rathaus der Stadt zu schmücken, von welchem Ort man sagte, dass dort der Fürst empfangen werden sollte. Doch klangheimlich sorgte er dafür, den unwissenden Bürgern ihre gesamten Güter zu stehlen. Am festgelegten Tag, an welchem man sagte, dass der Fürst kommen werde, ging der Hofmeister zu Pferd mit den Seinen dem Fürsten entgegen, und die gesamte adlige Bürgerschaft folgte ihm. Sie waren schon weit von der Stadt entfernt; allerdings erschien der Fürst nirgends. Dafür empfing die von jenem gesandte Reiterei den Hofmeister und dessen Gefolge: Dieser sprach nun, da er sich in Sicherheit wägte, zu jenen Freiburgern, die mit ihm um der Ehre willen dem Fürsten entgegenliefen, dass, weil sie selbst auf das Bündnis mit den Bernern und die Freundschaft der restlichen Bündnispartner vertrauen und den Befehlen des Fürsten nicht gehorchen würden, es so auch gerecht sei, dass der Fürst auch irgendeinen Vorteil von ihnen erhalte, und er ihnen deswegen jene silbernen Gefässe und jenen Schmuck, welche er selbst zusammentragen liess, gestohlen habe; und nach diesen Worten eilte er mit der Beute zum Fürsten. Nachdem den Freiburgern eine solch schreiende Ungerechtigkeit zugefügt worden war, schlossen sie sich mit den Bernern in einem noch engeren Bündnis zusammen und knüpften unter festen Konditionen Freundschaften mit den übrigen Eidgenossen. Deswegen sandten die Helvetier im Burgunderkrieg 1000 Männer zum Schutz der Stadt; die Freiburger selbst führten mit den Eidgenossen Krieg gegen Burgund und leisteten in jenem Krieg den Helvetiern mutige und treue Hilfe, mit dessen Ende die Freiburger gemeinsam mit den Solothurnern in die Zahl der Orte aufgenommen wurden, wovon ich später berichten werde.

 

3. Beginn von Buch II [Übersetzung von C. Schlip]

Im vorstehenden Buch haben wir die einzelnen Regionen der Schweizerrepublik dargestellt, und aus welchen Gründen und unter welchen Bedingungen sie sich mittels fester Bündnisse zu einem Staat zusammengeschlossen haben, ebenso haben wir dargestellt, wie sie mit eifrigem Bemühen ihre Freiheit verteidigt haben und welche Völker und Fürsten sie unter die Schar ihrer Freunde und Bündnispartner aufgenommen haben. Im Folgenden werden wir die äussere Gestalt und die innere Funktionsweise der Schweizerrepublik beschreiben. Weil aber die einzelnen Völker – ungeachtet dessen, dass ein Bündnis sie vereint – jeweils ihre eigenen Magistrate und Gesetze und ihr eigenes Staatswesen haben, und ausserdem noch in gewisser Weise einen gesamtschweizerischen Staat gibt und eine gemeinsame Tagsatzung für das ganze [Schweizer-]Volk, ebenso Gesetze und öffentliche Dekrete, die für alle verbindlich sind, werde ich zunächst den Gesamtstaat behandeln und hierauf mit Blick auf die einzelnen Stämme die Staatswesen der einzelnen Orte beschreiben.

Die Männer, die über den Staat geschrieben haben, statuieren drei Staatsformen: eine, bei der alle Macht und Lenkungsgewalt im Staate bei einem einzigen liegt, wenn er auf Wunsch des Volkes in gerechter Weise auf Basis der Gesetze herrscht, bezeichnet man ihn als König, anderenfalls als Tyrannen; eine weitere Staatsform liegt vor, wenn die Herrschaft bei wenigen Aristokraten liegt; eine dritte, wenn das ganze Volk die Herrschaft innehat. So wie es nun drei Staatsformen gibt: Monarchie, Aristokratie und schliesslich Demokratie, haben diese Staatsformen andere Staatsformen als Gegenüber, die ihnen sehr ähnlich sehen: Tyrannis, Oligarchie und Anarchie. Die Republik, die eine gemeinschaftliche Einrichtung der ganzen Schweiz ist, lässt sich aber auf keinen dieser Grundtypen zurückführen, sondern man kann sie wie einst die hochangesehen Republiken der Römer und Karthager und in unserer Zeit die Republik Venedig als Mischverfassung ansprechen, weil sie teilweise monarchische Gewalt, teilweise aristokratische Herrschaft zum Ausdruck brachten und auch das Volk nicht ganz von der Regierung fernhielten; so ist die schweizerische Republik eine Mischung aus aristokratischer und demokratischer Herrschaft. Manche der Völker, aus denen sich diese Bürgerschaft in ihrer Gänze zusammensetzt, verwenden die demokratische Herrschaft in ihrer reinen Form; dort wird fast alles gemäss der Entscheidung des ganzen breiten Volkes getan, wie in den Orten, wo es keine Städte gibt, in Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Appenzell; gleichermassen verhält es sich in Zug, obwohl sie dort eine Stadt besitzen. Anderer werden von Aristokraten regiert, wie alle Städte der Schweiz: Zürich, Bern, Luzern, Basel, Freiburg, Solothurn und Schaffhausen. Aber da doch die höchste Macht beim Volke liegt, das die Magistrate wählt, handelt es sich um gemischte Staatswesen, und die einen sind eher aristokratisch, die anderen eher demokratisch. Da die Bürgerschaft in ihrer Gesamtheit sich aus Völkern zusammensetzt, die jeweils nicht eine und dieselbe Staatsform verwenden, ist auch der Staat, der aus ihnen gebildet wird, nicht einheitlich, sondern gemischt. Auch wenn nämlich die Gesandten, die bei öffentlichen Zusammenkünften sich gemeinsam über die schweizerische Republik beraten oder Recht sprechen, einen aristokratischen Staat zu bilden scheinen; da die meisten daheim vom Volk gewählt werden und sobald die Angelegenheit auch nur ein bisschen wichtiger ist, nicht frei entscheiden können, sondern alles auf Basis eines ihnen vom Volke erteilten Auftrages tun und gezwungen sind, ihm über alle einzelnen Schritte Bericht abzustatten, ist leicht einsichtig, dass man einen derartigen Senat nicht als rein aristokratische Angelegenheit betrachten kann. Dass die schweizerische Republik in dieser Weise gemeinsam verwaltet wird, erscheint überaus angemessen zu sein, denn die Freiheit, über die die Schweizer sich freuen und die sie geniessen, haben unsere Vorfahren nicht auf den Ratschluss eines einzigen Mannes und seine durch seine Arbeit erworben, sondern das Volk hat sowohl gemeinsam darüber beraten hat als auch vor allem die Freiheit sich auf eigene Kosten, mit eigener Arbeit und auf eigene Gefahr hin verschafft hat, und deshalb ist es sehr berechtigt, dass sie die Früchte ihrer Mühewaltung ernten. Was aber als Nachteil und Gefahr eines demokratischen Staatswesens erscheint, nämlich, dass alle ihre Meinung zum Ausdruck bringen und nicht besser nur die Besten und Klügsten; diese Gefahr besteht in unserer Republik überhaupt nicht, denn zu diesen Versammlungen werden aus den einzelnen Orten meistens nur die besten und klügsten Leute geschickt; auch wenn sie keine absolute Entscheidungsfreiheit haben, tauschen sie untereinander gleichsam als πρόβουλοι (Probouloi) ihre Ansichten über Angelegenheiten von höchster Bedeutung aus, über die dann das Volk zuhause abstimmt; und die Leute, die nicht ganz dumm oder schlecht sind, können mit Leichtigkeit dem zustimmen, was zuvor bei der gutgeführten Beratung zum Wohle der Allgemeinheit herausgekommen ist, wenn man es ihnen nur in der richtigen Weise vermittelt.

 

4. Buch II: Politische, rechtliche und territoriale Ordnung von Freiburg [Übersetzung von C. Schlip]

Freiburg im Üechtland ist wie Bern in vier Quartiere gegliedert, wie auch Bern, von denen die eine nach der Burg, die andere nach einer Insel bzw. Wiese, (in der Aue), die dritte nach der Neustadt, die vierte nach einem Spital benannt ist. Aus diesen Quartieren werden die Vorsteher der öffentlichen Räte gewählt. Es gibt aber, wie in den anderen Städten, zwei öffentliche Räte, den Grosse Rat mit 200 Mitgliedern und den Kleinen Rat mit 24 Mitgliedern. Gewählt wird am letzten Sonntag vor dem Fest des Heiligen Johannes des Täufers. Der Kleine Rat verwaltet die städtischen Angelegenheiten und hört sich die Berufungsanträge der Untertanen an, ausserdem die der Leute aus den im letzten Krieg eingenommenen Savoyischen Vogteien. Angelegenheiten, die das ganze Staatswesen betreffen und von sehr grosser Bedeutung sind, werden an die 200 bzw. den Grossen Rat verwiesen. Der Schultheiss, der beiden Räten präsidiert, wird am Festtag des Johannes des Täufers vom gesamten Volk gewählt und übt sein Amt zwei Jahre lang aus. Gleich nahm ihm kommen rangmässig die vier Venner, die an der Spitze der vier Stadtquartiere stehen; sie gehören nicht zu den ordentlichen Räten des Kleinen Rates, nehmen aber nichtsdestoweniger immer im Namen des ganzen Volkes an den Verhandlungen des Kleinen Rates teil und haben dort eine Stimme, ausser wenn es um Appellationen geht. Wenn aber irgendetwas eingebracht wird, das in die Kompetenz des Grossen Rates zu fallen scheint, können sie die ganze Verhandlung dorthin übertragen. Sie üben ihr Amt aber drei Jahre lang aus und werden wie die meisten anderen Magistrate von beiden Räten gewählt. In der Rangordnung folgen ihnen der Säckelmeister; diesem sind die Schätze der Stadt und alle ihre Einkünfte anvertraut; ihm steht als Helfer der Stadtschreiber zur Seite oder dessen Stellvertreter, der in Codices festhält, was er eingenommen oder ausgegeben hat. In seinen Aufgabenbereich fällt auch die Sorge um die öffentlichen Gebäude. Jedes Jahr zweimal legt er vor dem Kleinen Rat einen Rechenschaftsbericht ab, und er übt sein Amt insgesamt drei Jahre aus. Es gibt in Freiburg vier Schreiber ersten Ranges: An erster Stelle steht der sogenannte Stadtschreiber, an zweiter der Ratschreiber, an dritter der Landschreiber, an vierter der Gerichtschreiber. Auch das Amt des Grossweibels wird in Bern und Freiburg in Ehren gehalten; er unterstützt meistens den Schultheiss und steht, wenn eine Ratsversammlung stattfindet, an der Tür, ruft die Parteien auf, zählt die Stimmen, kümmert sich um die Gefangenen, und seine Amtszeit beträgt drei Jahre.

Das Gerichtssystem ist in Freiburg folgendermassen aufgebaut: Erstens prüft ein besonderes Richterkollegium die von den Bürgern eingebrachten Fälle und urteilt darüber, und deshalb nennt man es das Stadtgericht. In den Aufgabenbereich dieser Richter fällt es ausserdem, diejenigen, die wegen irgendeines Verbrechensvorwurfs gefangengesetzt worden sind, zu examinieren, sie Verhören zu unterwerfen und hierauf dem Rat über die Einzelheiten Bericht zu erstatten. Ein anderes Richterkollegium urteilt über die Fälle der Landbevölkerung; man nennt es das Landesgericht. Jedem Gericht gehören zwei Mitglieder des Kleinen Rates und acht Mitglieder des Grossen Rates an; diese üben ihr Amt drei Jahre lang aus und kommen jede Woche dreimal zusammen; es ist erlaubt, gegen ihre Urteile beim Kleinen Rat Berufung einzulegen. Ausserdem hören sich zwölf Richter, die aus beiden Räten gewählt sind, die Berufungsanträge aus den im letzten Krieg eingenommenen Savoyischen Vogteien an und fällen eine Entscheidung darüber; sie kommen einmal im Monat zusammen, und gegen ihren Richtspruch ist keine Berufung möglich.

Wie auch in anderen Städten, so gibt es in Freiburg zwei Arten von Vogteien: Die eine ist die der vorstädtischen Vogteien, die von Räten verwaltet werden, die nichtsdestoweniger in der Stadt wohnen und ihren Ratspflichten erfüllen; wenn ich mich nicht täusche, haben sie fünf solcher Vogteien; die andere Art von Vogtei liegt dann vor, wenn bevollmächtigte Vögte in eine Vogtei geschickt werde und dort wohnen; derartige Vogteien haben die Freiburger vierzehn, und ausserdem haben sie vier Vogteien mit den Bernern gemeinsam inne. Die Vögte werden am Tag nach dem Fest des Heiligen Johannes des Täufers von beiden Räten gewählt und stehen ihren Vogteien fünf Jahre lang vor, legen aber jedes Jahr vor dem Kleinen Rat einen Rechenschaftsbericht ab. Die Vögte üben auch die Gerichtsbarkeit über Kapitalverbreche aus, teilen den Prozessverlauf und ihren Urteilsspruch aber dem Rat mit, dem es freisteht ihn zu bestätigen, zu ändern oder abzumildern.

In Freiburg achten sie sorgfältig auf das Erscheinen vor Gericht (trostungen) und die in der Volkssprache sogenannten leistungen (unter diesem Begriff versteht man die zeitweilige Verbannung und die Ausgaben, die anfallen, wenn geliehenes Geld nicht fristgerecht zurückerstattet wird, wobei folgendermassen vorgegangen wird: Wenn der Schuldner bis zum vereinbarten Termin nicht zahlt, schickt der Gläubiger einen, zwei oder mehrere berittene Diener in eine öffentliche Herberge, und der Schuldner muss ihnen alle ihre Ausgaben erstatten, bis er seinen Gläubiger zufriedenstellen kann; manche berichten, dieses Recht sei vom Zähringerherzog eingeführt worden), und Leute, die sich dagegen verfehlen, werden mit Kerker, Verbannung oder einer Geldbusse bestraft, und es gibt eigens für die Durchsetzung dieser Sanktionen, einen Magistrat, den sogenannten Bürgermeister. Ausserdem wird jemand, wenn man ihn aufgrund eines Rechtsstreits dreimal vor Gericht vorlädt und er nicht erscheint, mit Verbannung bestraft; die gleiche Strafe erwartet die, die gegen eine ihnen mitgeteilte und befohlene Pflicht, in ihrem Verhältnis zu einem anderen Bürger Frieden zu halten, verstossen; ebenso Leute, die sich ohne gerechten Grund einer von zwei streitführenden Parteien anschliessen.

Abschliessende Bemerkung: Jene Tage, an denen sie mit Karl von Burgund bei Grandson und Murten gekämpft haben, das heisst der 2. März und der 22. Juni, sind Feiertage, und werden alljährlich mit einer feierlichen Festprozession aller Stände durch die Stadt begangen.